Forschen statt handeln

Fast zehn Jahre sind es, dass wir für die Wissenschaftssendungen auf 3sat und im Schweizer Fernsehen einen Filmbeitrag über das Leiden von Legehennen dreh­ten. Damals stell­ten Wissenschaftler:innen am Geflügelforschungszentrum Aviforum in Zollikofen fest, dass rund die Hälfte aller unter­such­ten Hühner unter Brustbeinbrüchen litten.

Dies, obschon in der Schweiz die Käfighaltung von Hühnern seit Jahren ver­bo­ten ist und Volièren eigent­lich als tier­ge­rech­ter gel­ten. Aufgrund von ers­ten Tests ver­mu­te­ten die Forschenden damals, dass sich die Tiere mög­li­cher­wei­se an den har­ten Eisenstangen ver­letz­ten und mit dem Einsatz von wei­che­ren Materialien das Problem ent­schärft wer­den könnte.

Allerdings stell­te Forschungsleiter Hanno Würbel, der ein­zi­ge Professor für Tierschutz hier­zu­lan­de, schon damals klar: «Möglicherweise liegt es nicht am Haltungssystem, son­dern an der Leistungszucht, die uns Vögel beschert hat, bei wel­chen auf­grund ihrer hohen Legeleistung die Knochen der­art aus­ge­zehrt wer­den, dass es zu Osteoporose kommt und das Problem gar nicht zu ver­hin­dern ist, mit den Legehybriden, mit wel­chen wir heu­te arbeiten.»

Neuste Zahlen zei­gen noch erschre­cken­de­re Resultate: Im Rahmen eines wei­te­ren Forschungsprojekts der Uni Bern wur­den 150 Legehennen wäh­rend zehn Monaten regel­mäs­sig geröntgt. Dabei zeig­te sich, dass nicht nur die Hälfte, son­dern 97% der Tiere ein gebro­che­nes Brustbein hat­ten – bei vie­len gab es gar mehr­fa­che Frakturen.

«Brüche ver­ur­sa­chen Schmerzen – auch das Tier emp­fin­det Schmerzen, es gibt kei­ne Hinweise dar­auf, dass Vögel in die­ser Hinsicht anders reagie­ren als Menschen», kom­men­tier­te die Biologin Sabine Gebhardt bereits anno 2013. «Sie sind dar­auf gezüch­tet, Eier zu legen, und die legen sie halt, egal ob sie Schmerzen haben oder nicht, inso­fern ist die Legerate kein Mass dafür, wie gut es den Tieren geht.»

Die Wissenschaft hat auch dies­be­züg­lich wei­ter geforscht – Michael Toscano, Leiter des Zentrums für tier­ge­rech­te Haltung an der Universität Bern, bestä­tig­te gegen­über dem K‑Tipp die Feststellungen von Sabine Gebhardt auf­grund neu­er Forschungsresultate: «Hennen mit gebro­che­nen Knochen bewe­gen sich weni­ger. Sie brau­chen län­ger beim Absteigen von ihren Sitzstangen. Und sie wäh­len zum Trinken häu­fi­ger Wasser, das Schmerzmittel enthält.»

Das Problem ist längst erkannt. Mittlerweile bestä­ti­gen auch Forschende in Deutschland und Dänemark, dass die welt­weit enorm häu­fi­gen Brustbeinbrüche bei Hühnern Folgen einer glo­ba­len auf Hochleistung getrimm­ten Zucht sind – unab­hän­gig von Bio‑, Freiland‑, Boden‑, Käfig–  oder Volièrenhaltung.

Eine Henne legt in den heu­te gän­gi­gen Produktionsbetrieben pro Jahr im Schnitt 323 Eier – also fast täg­lich ein Ei. Dafür braucht sie enor­me Mengen an Kalzium, das dann in den Knochen fehlt. Meist ist das Brustbein an der Spitze gebro­chen – dies könn­te laut einer däni­schen Studie auf den Druck beim Eierlegen zurück­zu­füh­ren sein. Lars Schrader vom Deutschen Institut für Tierschutz und Tierhaltung ITT spricht in die­sem Zusammenhang von einer «Sollbruchstelle» – sein Fazit: «Wir sind an der Grenze der Leistungsfähigkeit der Tiere angelangt.»

Tatsache ist: Die Grenze ist längst über­schrit­ten. Oder, wie es der Forscher Hanno Würbel for­mu­liert: «Mit der heu­ti­gen Haltung und der Zucht von Hühnern sind Schmerz und Leiden für vie­le Tiere unver­meid­bar. Und das ist ein­fach nicht haltbar.»

Und was tut der Mensch?

Während täg­lich Milliarden gene­tisch ver­krüp­pel­ter Legehennen wei­ter unter Schmerzen für uns Eier legen, wird ein­mal mehr geforscht. Statt solch tier­feind­li­chen Produktionsmethoden ein für alle­mal zu ver­bie­ten und dem Leiden end­lich ein Ende zu set­zen, but­tert z.B. die ame­ri­ka­ni­sche Wohltätigkeitsstiftung Open Philanthropy 2,7 Millionen US-Dollar in ein Forschungsprojekt für die Zucht von Hühnern «mit gesün­de­rer Genetik» – bei gleich­blei­ben­der Produktivität. 

Dabei arbei­ten die Forschenden aus­ge­rech­net mit jenen zusam­men, wel­che die Hauptverantwortung für das Leiden der Tiere tra­gen: Zusammen mit den bei­den Weltmarktführern für Zuchthennen, der deut­schen EW Group und der hol­län­di­schen Hendrix Genetics, soll die Basis gelegt wer­den, um mit geziel­ter gene­ti­scher Selektion neue Hochleistungshybriden zu züch­ten, die weni­ger anfäl­lig sind für Knochenbrüche. 

Ob das über­haupt gelin­gen kann, und zu wel­chem Preis für die Tiere, weiss man erst in fünf Jahren. Mindestens bis dahin müs­sen wir beim unbe­dach­ten Eierkonsum das Leiden der Hennen ver­drän­gen und den Gedanken dar­an halt schnell herunterschlucken.

 

PS:

Ein klei­ne Auswahl wei­ter­füh­ren­der Links zum Thema Agrobusiness und indus­tri­el­le Hühnerzucht:

https://kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2015/KAB2015_227_231_Gura.pdf

https://en.aviagen.com/news-room/videos/good-welfare-is-good-business/

 

Für immer verstummt

Mitte November. In den Läden türmt sich Advents- und Weihnachtskrimskrams ohne Ende, als ob die Welt in Ordnung wäre und es weder Krieg noch Klimawandel gäbe. Gleich neben dem Eingang Lindt-Pralinenpackungen in allen Grössen und Formen. Der Anblick der roten Adventskalender, wo hin­ter jedem Türchen eine ver­füh­re­ri­sche Schoggi-Überraschung steckt, weckt Erinnerungen…

Genau ein Jahr ist es her, dass wir einen sol­chen Kalender gekauft und mit einer Weihnachtskarte ver­se­hen auf die Reise nach Berlin geschickt haben. Damit er recht­zei­tig ankommt und die Empfängerin nicht noch Gebühren bezah­len muss, bevor sie das Geschenk in Empfang neh­men darf, haben wir das Paket über die Landesgrenze gebracht und in Jestetten der Deutschen Post übergeben.

Weil wir sicher waren, dass unse­re über 90jährige Freundin, Frau Oellrich, die Tür nur noch öff­ne­te, wenn sie genau wuss­te, wer klin­gelt, rief ich sie am fol­gen­den Tag an, um ihr unse­re Postsendung anzu­kün­di­gen. Oder bes­ser gesagt: Ich ver­such­te, sie anzu­ru­fen. Das Telefon klin­gel­te, aber nie­mand ging ran.

Das Gleiche wie­der­hol­te sich am nächs­ten und über­nächs­ten Tag. Langsam wur­de ich unru­hig, was war los? Das Telefon klin­gel­te ganz nor­mal – also muss­te der Anschluss noch in Betrieb sein, fol­ger­te ich. Vielleicht war unse­re Berliner Bekanntschaft im Krankenhaus? Oder muss­te kürz­lich in ein Heim ein­ge­wie­sen wer­den? Schliesslich war sie in einem Alter, wo das Alleinleben immer beschwer­li­cher wur­de. Davon hat­te sie mir auch bei mei­nem letz­ten Anruf erzählt. Ohne jedoch zu kla­gen, wie es eben ihre Art war.

Unser letz­tes Gespräch lag nun aller­dings auch schon ein paar Monate zurück. Ich glau­be, es war im Frühjahr 2021, als wir uns das letz­te Mal am Telefon aus­ge­tauscht hat­ten. Damals klin­gel­te es bei ihr nur drei- oder vier­mal, und schon mel­de­te sich ihre war­me, auf­ge­stell­te Stimme. Wie immer hat­te sie auf dem Display gese­hen, dass der Anruf aus der Schweiz kam. So muss­te ich nicht ein­mal mei­nen Namen nen­nen, schon frag­te sie mich nach unse­rem Wohlergehen und woll­te alles wis­sen, über unse­re Gesundheit und was wir so trieben.

Dabei blieb es jedoch nie. Frau Oellrich ver­liess zwar kaum mehr ihre Wohnung, hat­te wenig Besuch und leb­te ein ein­sa­mes, zurück­ge­zo­ge­nes Leben. Gleichzeitig nahm sie inner­lich teil am aktu­el­len Weltgeschehen. Wir spra­chen damals über Corona, den Klimawandel, die poli­ti­schen Verwerfungen. Sie war bes­tens infor­miert, schau­te in ihren oft schlaf­lo­sen Nächten Dokumentarfilme und brann­te dar­auf, mei­ne Einschätzungen zu den Dingen zu hören. In der Regel dau­er­ten unse­re Telefongespräche eine Stunde und mehr.

Und nun? Etwas stimm­te nicht, auch wenn ich es mir nicht ein­ge­ste­hen woll­te. Nach unzäh­li­gen wei­te­ren erfolg­lo­sen Anrufversuchen such­te ich in mei­nem Archiv nach der Mailadresse ihrer ehe­ma­li­gen Nachbarin. Wir hat­ten die bei­den vor 14 Jahren anläss­lich der Dreharbeiten zu unse­rem Dokumentarfilm «Denk mal Berlin» ken­nen­ge­lernt. Sie kämpf­ten damals gemein­sam mit ande­ren Mieter:innen für den Erhalt ihrer Wohnsiedlung am Lützowplatz. Vergeblich.

Alle Mieter:innen wur­den damals aus ihren schö­nen, preis­güns­ti­gen Wohnungen ver­trie­ben, die Nachbarschaft aus­ein­an­der­ge­ris­sen, die Häuser ent­mie­tet, wie man auf Immobiliendeutsch sagt. Trotzdem blie­ben die ehe­ma­li­gen Nachbarinnen wei­ter­hin in Kontakt. Die jün­ge­re der bei­den, Frau Ackermann, schau­te regel­mäs­sig bei Frau Oellrich vor­bei – meist nach einem Termin bei ihrem Friseur, der sein Geschäft ganz in der Nähe hatte.

Meine besorg­te Mailanfrage erreicht die ehe­ma­li­ge Nachbarin jedoch kurz nach deren Rückkehr von einer aus­ge­dehn­ten Italienreise, wes­halb auch sie län­ge­re Zeit nichts von Frau Oellrich gehört hat­te. Sie weiss ein­zig, dass das Telefon defekt gewe­sen sei und stellt in Aussicht, bald­mög­lichst bei der alten Dame vorbeizuschauen.

Schon am nächs­ten Tag folgt eine wei­te­re Mail: «Nun war ich da, und nach Aussage der Nachbarn im   1. Stock, soll sie ver­stor­ben sein.» Die Nachbarin vom 5. Stock jedoch, deren Mann kürz­lich gestor­ben sei, und die mit Frau Oellrich ab und zu ein paar Worte wech­sel­te, habe von nichts gewusst. Der Briefkasten sei noch ange­schrie­ben, und bei mei­nen erneu­ten Telefonversuchen klin­gel­te es in der Leitung wie eh und je. Es könn­te dem­nach genau­so gut sein, dass sich der eine Nachbar getäuscht hat, und Frau Oellrich in einem Krankenhaus liegt, mach­ten wir uns gegen­sei­tig Hoffnung.

Drei Tage spä­ter dann die trau­ri­ge Gewissheit: «Frau Oellrich ist tot! Sie wur­de auf­ge­fun­den Ende Oktober von ihrer Haushalthilfe Jana», so die Nachricht aus Berlin. Wie lan­ge sie im Wohnzimmer lag, und wie sie gestor­ben ist, wis­se man nicht.

Man habe die Angelegenheit an das Nachlassgericht wei­ter­ge­lei­tet, hiess es bei der Hausverwaltung. Mehr war nicht zu erfah­ren. Schluss, fer­tig. Frau Oellrich wird sich nie mehr mit ihrer mun­te­ren Stimme am Telefon mel­den, wir wer­den uns nie mehr über den Lauf der Welt unter­hal­ten – ihre Gedanken und Geschichten, die mich immer so berührt haben – für immer vor­bei. Ich bedau­re, dass ich sie den gan­zen Sommer über nie ange­ru­fen hat­te. Jetzt ist sie gestor­ben, ein­sam und allein, wie sie in den letz­ten Jahren gelebt hat…

Anfang Januar 2022 dann noch ein­mal eine Nachricht aus Berlin: «Am Mittwoch war ich beim Friseur – das hat­te ich immer mit einem Besuch bei Frau Oellrich ver­bun­den – ist dies­mal natür­lich aus­ge­fal­len. Konnte es jedoch nicht las­sen, an ihrem Haus vor­bei zu schau­en. Wie es aus­schaut sind neue Mieter ein­ge­zo­gen, die Gardinen kamen mir fremd vor.

Habe dann mit ihrer Freundin in Essen, die wir auch vom Lützowplatz kann­ten, gespro­chen. Sie hat lei­der auch nichts gehört. Man muss es wohl so hin­neh­men, obwohl ich es sehr trau­rig fin­de, dass von der Verwandtschaft sich nie­mand mal mel­det… Auch vom Nachlassgericht und der Hausverwaltung nichts.…»

Was bleibt? Die Erinnerung an eine leb­haf­te, her­zens­gu­te Frau. Und Freundschaften, die andau­ern, wie ihre ehe­ma­li­ge Nachbarin vom Lützowplatz zum Schluss noch fest­hält: «Es ist der Verdienst von Frau Oellrich, dass die Nachbarn immer noch Kontakt haben, denn sie war eine Institution, behaup­te ich mal!»

Hauert Dünger – zurück zu den Wurzeln!

Ob in Gärten, auf Sportplätzen oder auf dem Feld: Die Zugabe von Dünger aller Art zur Förderung von Pflanzenwachstum und Ernteertrag ist all­ge­gen­wär­tig. Das Geschäft mit den Granulaten und Flüssigkeiten für bun­te­re Blumen, robus­te­re Rasen und ertrag­rei­che­re Ernten flo­riert, auch in Zeiten von Bioboom und Trinkwasserinitiative…

Trotzdem ste­hen beim gröss­ten Schweizer Düngerhersteller momen­tan die Zeichen auf Sturm: Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen machen der Hauert HBG Dünger AG im Berner Seeland zu schaf­fen. Wiederholt hat sie in den letz­ten Monaten die Preise für ihre Produkte erhöht, um die Herstellungskosten decken zu können.

«Für vie­le Rohstoffe zah­len wir im Moment etwa das Dreifache der frü­he­ren Preise», klagt Geschäftsführer Philipp Hauert im Bieler Tagblatt vom 27. Oktober. Er lei­tet das (laut Economie Suisse) ältes­te Familienunternehmen der Schweiz in 12. Generation. Wie er 2016 in einem Interview mit dem Wirtschaftsverband ver­riet, lau­tet sein Motto: «Wir pfle­gen die Tradition, Veränderungen nicht zu scheuen.»

Angefangen hat­te alles vor bald 360 Jahren – anno 1663. Als die Gerberei sei­ner Vorfahren mit der Konkurrenz in der Lederproduktion nicht mehr mit­hal­ten konn­te, spe­zia­li­sier­te man sich auf die Verwertung eines ande­ren Nebenprodukts aus der Tierschlachtung und pro­du­zier­te fort­an Pflanzendünger aus Knochenmehl. Ein klu­ger Schachzug, wie sich her­aus­stel­len sollte.

Ob Gülle, Mist, Horn‑, Feder- oder Knochenmehl – tie­ri­sche Produkte sind seit jeher wich­ti­ge Helfer im Gemüsegarten und auf dem Acker. Entsprechend erfolg­reich war das neue Businessmodell von Hauert. Irgendwann begnüg­te man sich jedoch nicht mehr mit Knochenmehl. Neue Rezepturen wur­den ent­wi­ckelt, mit neu­en, auch mine­ra­li­schen und syn­the­tisch her­ge­stell­ten Stoffen, die das Pflanzenwachstum noch stär­ker und auf kur­ze Frist sti­mu­lie­ren soll­ten. Nach dem 2. Weltkrieg kamen die ers­ten Langzeitdünger auf den Markt, das Angebot wur­de immer wei­ter aus­ge­baut: Heute umfasst das Hauert-Sortiment nicht nur mass­ge­schnei­der­te Düngemittel für jede Rasen‑, Rosen- oder Gemüsesorte, son­dern auch gezielt für jede Wachstumsphase – die­se Düngung im Frühjahr, eine ande­re im Sommer, eine drit­te im Herbst…

Längst basiert der Hauert-Erfolg nicht mehr auf Knochenmehl. Heute ver­braucht die Firma für ihre Düngerproduktion vor allem gros­se Mengen von Stickstoff, Phosphor, Kali – und sehr viel Energie. Was jah­re­lang ein flo­rie­ren­des Geschäft war, wird jetzt zum Problem: Bereits im April 2022 habe das Unternehmen mehr für Gas und Strom aus­ge­ge­ben als im gesam­ten letz­ten Jahr — die Mehrkosten wür­den pro Betriebsstunde im Moment stol­ze 500 Franken betra­gen, hat Hauert ausgerechnet.

Am stärks­ten sind die Preise beim Stickstoff gestie­gen, für des­sen Herstellung sehr viel Erdgas benö­tigt wird. Die mas­si­ve Teuerung beim Gas hat laut Hauert dazu geführt, dass die euro­päi­schen Stickstoffhersteller nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig sind. Diese hät­ten ihre Produktion stark gedros­selt oder gar ein­ge­stellt, wes­halb Hauert neue Lieferanten suchen muss­te. Jetzt impor­tiert der Düngerproduzent sei­nen Stickstoff statt aus Belgien aus Ägypten und Nordamerika.

Auch die Beschaffung von Kali und Phosphor ist kom­pli­ziert und teu­er gewor­den: Kali wur­de bis vor kur­zem vor allem aus Russland impor­tiert, was mit der Verhängung der Sanktionen nun nicht mehr geht. Und Hauptlieferant für Phosphor ist China, das zwi­schen­zeit­lich wegen hohem Eigenbedarf den Export auch mal gestoppt hatte.

«Die Situation für uns als Firma ist aktu­ell unge­müt­lich», gab denn auch Philipp Hauert gegen­über dem Bieler Tagblatt zu Protokoll. Er befürch­tet, dass der Düngerverkauf wegen der Teuerung, von der auch sei­ne Produkte betrof­fen sind, ein­bre­chen könnte.

Für die Natur, das Klima und die Biodiversität ist das eine gute Nachricht. Die res­sour­cen-ver­schleis­sen­de Produktion von Düngemitteln aus impor­tier­ten Rohstoffen hat kei­ne Zukunft. Je eher sie ein­ge­stellt wird, umso besser.

Es geht näm­lich auch anders, auch bei der Firma Hauert: Unter dem Label Biogra hat sie eine bio­lo­gi­sche Produktelinie geschaf­fen, die laut Eigenwerbung «wo immer mög­lich auf Basis loka­ler, nach­wach­sen­der Rohstoffe» her­ge­stellt wird. So ent­hält der Biogra-Stickstoffdünger etwa «Federmehl, Hornspäne, Tierhörner, Fleischknochenmehl» – die Rohstoffe also, mit denen die Hauert-Erfolgsgeschichte begon­nen hat.

Höchste Zeit, dass sich Philipp Hauert auf die Anfänge des Familienunternehmens zurück­be­sinnt. Statt den Markt mit immer neu­en und immer auf­wän­di­ger pro­du­zier­ten Produkten zu über­schwem­men, ist jetzt der Moment, sich auf eine nach­hal­ti­ge Produktion von umwelt­ver­träg­li­chem, bio­lo­gisch und regio­nal pro­du­zier­tem Dünger zu beschränken.

Ganz nach dem Motto: «Wir pfle­gen die Tradition, Veränderungen nicht zu scheuen.»

Wie sauber ist «saubere Energie»?

Es ist höchs­te Zeit, die Ölheizung still­zu­le­gen und durch eine Wärmepumpe zu erset­zen. Dass man damit für das alte Haus mehr Strom braucht, ist kein Problem: Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und die Speicherbatterie im Keller sor­gen künf­tig für eine aut­ar­ke Versorgung mit erneu­er­ba­rer Energie, rund um die Uhr.

«Damit wird auch das Wohnen sau­ber», freut sich die öko­lo­gie­be­wuss­te Mieterin. Ihre Nachbarn haben soeben eine Pelletheizung instal­liert, ande­re hof­fen auf einen bal­di­gen Fernwärmeanschluss. Der Trend ist klar: Alle wol­len weg von Gas und Öl. Endlich!

Das ist gut so, der Schritt weg von den fos­si­len Energien war längst über­fäl­lig – aber wie sau­ber ist die «sau­be­re Energie» wirk­lich? Sind die land­auf land­ab pro­pa­gier­ten Alternativen tat­säch­lich gut genug? Schaffen wir es damit aus der aktu­el­len Sackgasse?

In der all­ge­mei­nen Euphorie für Alternativen zu Öl- und Gaskraftwerken sowie fos­si­len Heizanlagen wer­den die Schattenseiten der Ersatz-Technologien unter den Tisch gewischt, mit­un­ter wird auch gelo­gen und betro­gen, was das Zeug hält.

Ein kras­ses Beispiel dafür ist etwa die Umstellung des gröss­ten Stromkraftwerks in England von Kohle auf Pellets. Damit erhält die­ser Strom das Label «grün», weil er mit Holz – einem nach­wach­sen­den Rohstoff – pro­du­ziert wird.

Wie die BBC in ihrem Dokfilm «The Green Energy Scandal Exposed» auf­zeigt, ist das Verheizen von Pellets in die­sem Massstab jedoch alles ande­re als nach­hal­tig: Der Kraftwerksgigant ver­brennt jähr­lich sie­ben Millionen Tonnen Pellets – der Grossteil davon wird aus Kanada her­an­ge­schifft. Das Holz stammt zu einem guten Teil aus Urwäldern im hohen Norden, die sehr viel CO2 bin­den und bekannt­lich viel län­ger brau­chen, um nach­zu­wach­sen als Wälder in wachs­tums­freund­li­che­ren Umgebungen.

Money makes the pel­lets go round – Distanzen und Transport spie­len kei­ne Rolle, wenn der Energiemarkt soviel bezahlt, dass das Pelletbusiness Profit abwirft.

Dies nota­be­ne mit gross­zü­gi­ger Unterstützung durch den bri­ti­schen Staat, der die Verfeuerung von Pellets anstel­le von Kohle als «grü­ne Alternative» sub­ven­tio­niert! Wer zudem meint, Pellets sei­en immer­hin «bes­ser» als Kohle, sitzt offen­bar einem Märchen auf. Seit die Drax Power Station im eng­li­schen Yorkshire Holzpellets ver­feu­ert, weist sie laut Recherchen der BBC eine CO2-Bilanz auf, die noch schlech­ter aus­fällt als der eins­ti­ge Kohlebetrieb.

Auch in der Schweiz wird die Umstellung auf Pelletheizungen sub­ven­tio­niert. Weil wir (noch!) genü­gend Holz haben, das sich für die Energieerzeugung eig­net, so die Werbesprüche. Allerdings stos­sen Pelletheizungen nach wie vor eine Menge CO2 und zusätz­lich Feinstaub aus. Kommt hin­zu, dass es auch hier­zu­lan­de bloss eine Frage der Zeit ist, bis die hei­mi­sche Pelletproduktion die Nachfrage nicht mehr befrie­di­gen kann.

In der Abteilung «sau­be­re» Energieproduktion fin­den wir sodann Solar- und Windkraft. Beide sind in Wahrheit nicht ganz so sau­ber, wie es deren Promotoren ger­ne ver­kün­den: Für die Herstellung von Wärmepumpen und ‑son­den, Photovoltaikanlagen, Windturbinen und Batterien wer­den Rohstoffe benö­tigt, deren Gewinnung die Umwelt belas­tet und die noch weit davon ent­fernt sind, in eine Kreislaufwirtschaft ein­ge­bun­den zu sein. Unter dem Strich also Energieanlagen, die schon eine Menge Energie gekos­tet haben, bevor sie über­haupt in Betrieb gehen.

Noch wis­sen wir wenig über deren Lebensdauer. Fest steht: Keine die­ser Anlagen ist ein Perpetuum Mobile. Bei Windkraftturbinen spricht man von einer Betriebsdauer von rund 20 Jahren, in der Vergangenheit war es auch schon weni­ger. Bei Photovoltaikanlagen wer­den 25 bis 40 Jahre pro­gnos­ti­ziert, bei Wärmepumpen 15 bis 20 Jahre.

Klar kann man hof­fen, dass dank Forschung und Entwicklung in Zukunft auch die Energiegewinnung immer effi­zi­en­ter und sau­be­rer wird, und dass dies die kur­zen Lebenszyklen der Anlagen auf­wie­gen mag.

Trotzdem: Saubere Energie gibt es nicht. Man muss beim Vergleichen von mehr oder weni­ger sau­be­ren Energieformen sogar höl­lisch auf­pas­sen und genau rech­nen, bevor das Etikett «sau­be­rer als…» auf­ge­klebt wird.

Wohlstand auf dem Niveau unse­rer hoch­in­dus­tria­li­sier­ten Länder mit ste­tig wach­sen­der Mobilitätssucht lässt sich nicht grün­sa­nie­ren. Ohne Erkenntnis und Akzeptanz, dass weni­ger mehr ist, wird das Erreichen der Klimaziele ein from­mer Wunsch blei­ben. Dies umso mehr, wenn zuoberst auf der Traktandenliste der Mächtigen das Führen von Kriegen steht.

Handelbar, erneuerbar, wunderbar?

Die Energiewirtschaft schürt immer lau­ter die Angst vor Blackouts und Strommangel – und die Politiker:innenzunft rotiert erschro­cken – nicht erst seit dem 2022er Krieg in der Ukraine. Bereits im Sommer 2021 zei­tig­te der Alarmismus ers­te Erfolge, so dass Energieministerin Sommaruga in der Schweiz eine Erleichterung für die Bewilligung von neu­en Wasserkraftwerken, Windturbinen und Photovoltaikanlagen in Aussicht stellte.

Schon damals galt das Prinzip: Förderung der inlän­di­schen Strominfrastruktur um jeden Preis – auch auf Kosten von Natur und Nachhaltigkeit. Der aktu­el­le Gasmangel in Europa hat die­sen Bestrebungen wei­te­ren Aufwind gege­ben: Lobbyisten wie der Berner SVP-Nationalrat und Bundesratskandidat Albert Rösti scham­los aus­nutz­ten. So hat er im Nationalrat etwa erreicht, dass die jah­re­lang bekämpf­te Erhöhung der Staumauer am Grimselstausee in das eilig gezim­mer­te «Bundesgesetz über dring­li­che Massnahmen zur kurz­fris­ti­gen Bereitstellung einer siche­ren Stromversorgung im Winter» auf­ge­nom­men wurde.

Das Gesetz erleich­tert auch die Bewilligung für Gross-Solaranlagen in den Bergen, wie sie alt SP-Politiker Peter Bodenmann im Wallis bau­en will. Ganz all­ge­mein fällt auf, wie sich Politiker:innen von rechts bis links ins Zeug legen, um die Kapazitäten der «Erneuerbaren» zu stei­gern. Dafür wird auch in Kauf genom­men, dass demo­kra­ti­sche Rechte beschnit­ten und die Mitsprache von Betroffenen und Schutzverbänden aus­ge­he­belt wird.

So will etwa der grü­ne Zürcher Baudirektor Martin Neukom mit einer Revision des Planungs- und Baugesetzes in sei­nem Kanton eine «Windenergie-Offensive» lan­cie­ren. Mit 120 neu­en Windturbinen an 46 Standorten – vor allem im Osten des Kantons – sol­len künf­tig jähr­lich 800 Gigawattstunden Strom pro­du­ziert wer­den. Dies ent­spricht acht Prozent des aktu­el­len Jahresbedarfs an Elektrizität im Kanton Zürich. Um dro­hen­de Blockaden durch Einsprachen zu mini­mie­ren, soll das Mitspracherecht der Gemeinden und der direkt Betroffenen mas­siv ein­ge­schränkt werden.

Gleichzeitig schies­sen im Kanton Zürich ener­gie­fres­sen­de Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden. So hat etwa der US-Amerikanische RZ-Betreiber Vantage Data Centers in Winterthur im Dezember 2021 eine ers­te Gross-Anlage in Betrieb genom­men – drei wei­te­re sol­len fol­gen. Im Endausbau wer­den sie einen jähr­li­chen Energiebedarf von 245 Gigawattstunden auf­wei­sen – mehr als ein Viertel des­sen, was Neukom mit dem Puschen von Windenergie gewin­nen will. Und Vantage ist nur einer von meh­re­ren neu­en Datenzentrenbetreibern in der Nordostschweiz…

Dominiert wird das Geschäft mit Datenspeicherung und ‑wei­ter­lei­tung welt­weit von den drei Riesen Amazon, Google und Microsoft. AWS – die Web-Services Abteilung von Amazon – gilt als der Marktführer im Public-Cloud-Geschäft. Auch Amazon hat sich in der Region Zürich nie­der­ge­las­sen, wo der Netzwerkgigant ein regio­na­les Zentrum betreibt. Wo genau, soll aus Sicherheitsgründen mög­lichst geheim­ge­hal­ten wer­den. Denn Rechenzentren sind Hochsicherheitsbetriebe.

Um die Gefahr von Sabotage zu mini­mie­ren, wer­den sie mit Stacheldraht und Sicherheitspersonal abge­schirmt. Grosse Hallen mit gigan­ti­schen Kühllüftungen, ohne Firmenbezeichnung. Ihren Strom bezie­hen sie von den regio­na­len Stromproduzenten. Winterthur kas­siert von Vantage allein CHF 60’000 pro Monat. Wahrlich ein gutes Geschäft…

…dem die Profiteure und Politiker:innen bereit­wil­lig die demo­kra­ti­schen Rechte der Bürger:innen und die Schönheiten unse­rer Landschaft opfern. Ohne wirk­li­che Not: Mit dem Verzicht auf die Ansiedlung von immer mehr Rechenzentren, wel­che Unmengen von Energie ver­brau­chen, könn­te auch auf die Verschandelung von Landschaft in den Bergen oder in der Zürcher Landschaft ver­zich­tet werden.

Es ist nicht ein­zu­se­hen, wes­halb wir unse­re Landschaft opfern sol­len, um die sinn­lo­se Stromvergeudung wei­ter zu beför­dern. Der Googledienst gmail.com jagt sei­nen Datenverkehr, um eine hohe Übertragungsgeschwindigkeit zu erzie­len, gleich 6fach durch sei­ne Datacenters. Bitcoin-Mining, die unsin­nigs­te Erfindung der Menschheit nebst dem Krieg und eine wei­te­re Energieverschleuderungs-Installation, gehört nun wirk­lich nicht mit Erneuerbaren geför­dert, son­dern  verboten.

Allerdings ist zuzu­ge­ben, dass unse­re hoch­au­to­ma­ti­sier­te Gesellschaft schon heu­te nicht mehr ohne den Betrieb von Rechenzentren und Datenclouds funk­tio­niert. Wir hän­gen an weni­gen Gross-Kabeln und Pipelines wie Junkies, die sich nicht vor­stel­len mögen, was pas­siert, wenn der Dealer eines Tages kei­nen Stoff mehr lie­fert. So tor­keln wir von einer (Energie-) Abhängigkeit in die nächs­te – aber das ist eine ande­re Geschichte.

Fortsetzung folgt.

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