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Das Ende von Skype – das Ende einer Ära

Dumdudum–dudum-dumdudum-dudum… tönt es durch die Woh­nung. Ein Klin­gel­ton, weder schrill noch beson­ders laut oder ori­gi­nell – und trotz­dem von magi­scher Kraft. Wie oft hat mich ein Dum­du­dum – dum­du­dum von mei­ner Sofa­lek­türe, vom Koch­herd oder sonst irgend­ei­ner Tätig­keit weg­ge­scheucht. Wie oft habe ich alles ste­hen und lie­gen­ge­las­sen und bin dem Dum­du­dum-dum­du­dum gefolgt. Im Eil­schritt zum Com­pu­ter, um den Anruf ja nicht zu verpassen…

Skype hat mein Leben nicht nur berei­chert, son­dern buch­stäb­lich revo­lu­tio­niert. Unmög­lich, die Anzahl Stun­den zu ermit­teln, die ich in den letz­ten Jah­ren «auf Skype» ver­bracht habe und all die vir­tu­el­len Begeg­nun­gen und Besu­che, Gesprä­che, Dis­kus­sio­nen, Inter­views auf­zu­zäh­len, die mir Skype ermög­licht hat.

Dank Skype war Tele­fo­nie­ren plötz­lich «gra­tis», was vor allem bei Aus­land­ge­sprä­chen schnell ins Gewicht fällt. Doch Skype ist viel mehr als bloss kosten­gün­stig tele­fo­nie­ren, da man dank Com­pu­ter­ka­mera und Bild­schirm das Gegen­über nicht nur hören, son­dern auch sehen kann. Das ver­än­derte die Kom­mu­ni­ka­tion auf Distanz grundlegend.

Heute gehö­ren – Smart­phone sei dank – Video­calls per Whats­app, Threema, Face­time und wie sie alle heis­sen nicht nur zum All­tag, sie sind zu einer wah­ren Seu­che gewor­den. Egal ob beim Spa­zie­ren, im Bus oder in einem Laden – die vir­tu­ell zuge­schal­te­ten Begleiter:innen sind stets dabei, und zuwei­len prä­sen­ter als die reale Welt, in der sich die fern­kom­mu­ni­zie­rende Per­son bewegt.

Spä­te­stens seit Corona gehö­ren auch vir­tu­elle Sit­zun­gen am Com­pu­ter zum Cou­rant nor­male. Mitt­ler­weile hat man sich so sehr daran gewöhnt, dass wir uns eine Kom­mu­ni­ka­tion ganz ohne Video­calls gar nicht mehr vor­stel­len wol­len. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass wir für den fern­münd­li­chen Aus­tausch mit Interviewpartner:innen, Freund:innen und Ver­wand­ten zum Tele­fon­hö­rer gegrif­fen haben. 

Ich erin­nere mich, als ob es gestern gewe­sen wäre, wie A. eines Tages von einem Dreh bei der Firma Skype nach­hause kam und von einem neuen, bahn­bre­chen­den Tool schwärmte. Wir haben uns dann gleich nach dem Nacht­es­sen vor unse­ren Büro­com­pu­ter gesetzt und das Pro­gramm run­ter­ge­la­den, um es zu testen.

Doch sky­pen geht nur mit Leu­ten, die sel­ber auch über ein Skype-Konto ver­fü­gen. Das waren damals noch nicht so viele. Also began­nen wir auf gut Glück mit der Suche, gaben die­sen und jenen Namen in der Such­funk­tion ein und scroll­ten uns durch das Skype-Verzeichnis.

Eigent­lich hatte ich mei­nen Nach­na­men bloss zum Jux ein­ge­tippt, da ploppte unver­hofft der Ein­trag mei­ner Eltern auf. Ich konnte es kaum glau­ben: Mein Vater – damals schon weit über 80 Jahre alt – war uns mit der Instal­la­tion von Skype zuvorgekommen!

Das war nicht bloss ein Tref­fer, son­dern ein Voll­tref­fer. Also nichts wie los und den ersten Ver­such star­ten. Und siehe da: Schon nach kur­zem Läu­ten blickte uns tat­säch­lich mein Vater aus dem Com­pu­ter ent­ge­gen. Und lachte herz­haft über unsere Frage, wie um Him­mels­wil­len er denn auf Skype gekom­men sei… Seit Wochen schon, klärte er uns auf, würde er mit mei­nem Bru­der und des­sen Fami­lie in Kanada nicht mehr tele­fo­nie­ren, son­dern sky­pen. Das sei nicht nur bil­li­ger, son­dern auch sehr viel schöner…

Das war unser Start ins Skype-Zeit­al­ter. Bald schon traf auch ich mich öfter auf einen Com­pu­ter­schwatz mit mei­nem Bru­der in Kanada. Ein Novum, tele­fo­niert hat­ten wir zuvor näm­lich höchst sel­ten. Auch mit ver­schie­de­nen Freund:innen wie Jenny in Lon­don oder Susan in Den­ver tauschte ich mich fortan regel­mäs­sig per Skype aus.

Und dann die Fami­li­en­tref­fen: Immer mal wie­der haben wir uns aus allen Him­mels­rich­tun­gen zu einem vir­tu­el­len Tref­fen zusam­men­ge­schal­tet und so einen gemein­sa­men Abend (resp. Mor­gen, für jene in Kanada und den USA) am Com­pu­ter ver­bracht. Oder das wohl­be­kannte Dumdudum–dudum-dumdudum-dudum ertönte, wenn wir gemüt­lich mit mei­nen Eltern am Tisch sas­sen. Das war dann das Zei­chen für alle Anwe­sen­den, den gemüt­li­chen Platz am Tisch mit einem Steh­platz vor dem Com­pu­ter zu ver­tau­schen, auf dass die aus der Ferne zuge­schal­te­ten auch dabei sein konnten.

Irgend­ein­mal ent­deckte ich dann Skype auch für meine Arbeit. Zum einen, weil es durch­aus ange­nehm ist, beson­ders bei län­ge­ren Inter­views, sein Gegen­über im Auge zu behal­ten. Vor allem aber, weil das Auf­neh­men von Gesprä­chen mit Skype wesent­lich ein­fa­cher war als beim Telefonieren.

Die weit­aus wich­tig­ste Rolle in mei­nem Leben hat Skype aber wäh­rend Corona gespielt. In einer Zeit, da wir unse­ren Vater nicht besu­chen durf­ten, konn­ten wir uns trotz­dem täg­lich sehen. Jeden Abend haben wir uns damals nicht nur gespro­chen, son­dern für ein paar Momente getrof­fen. Wenn auch bloss vir­tu­ell, waren es beson­ders kost­bare Momente. Die ein­zi­gen, die uns blieben.

Damals hat mein Vater sich mit Erfolg dafür ein­ge­setzt, dass die Lei­tung auch den ande­ren Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern das Sky­pen mit ihren Lieb­sten ermög­lichte. Weil er aus eige­ner Erfah­rung wusste, wie wich­tig es für die von der Aus­sen­welt abge­schirm­ten, ein­ge­sperr­ten Men­schen war, wenig­stens auf die­sem Weg mit ihren Fami­lien in Kon­takt zu bleiben.

Auf Skype hat denn auch unser letz­tes Fami­li­en­tref­fen statt­ge­fun­den. Ende Mai 2020 plan­ten meine Schwe­ster, unser Vater und ich gemein­sam unser erstes Wie­der­se­hen nach Corona «im rich­ti­gen Leben». 23 Minu­ten und 23 Sekun­den dau­erte unser Gespräch, wie dem Skype-Archiv zu ent­neh­men ist. Ich erin­nere mich, wie wir alles bespro­chen und geplant, und uns dann vol­ler Vor­freude ver­ab­schie­det haben. Zwei Stun­den spä­ter war er tot.

Seit­her ertönt das Dumdudum–dudum-dumdudum-dudum bei mir nicht mehr so oft wie einst. Und bald wird es gänz­lich ver­stum­men: Der Micro­soft­kon­zern, der Skype 2011 gekauft hat, kün­digt schon seit Wochen des­sen Ende an: «Ab Anfang Mai ist Skype nicht mehr ver­füg­bar», lau­tet die Mit­tei­lung auf der Start­seite, gepaart mit der Auf­for­de­rung: «Set­zen Sie ihre Anrufe und Chats in Teams fort.»

Damit geht eine Aera zu Ende. Auch wenn die Errun­gen­schaf­ten der Video­calls und Online-Tele­fo­nie erhal­ten blei­ben und sich wei­ter ent­wickeln wer­den: Skype ist und bleibt für mich ein ganz beson­de­res Tool. Das Dumdudum–dudum-dumdudum-dudum wird mir fehlen.

Klimawandel – keine Priorität für die SNB

Frei­tag­mor­gen, 25. April. Reise nach Bern, wo die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank SNB im Kur­saal ihre Gene­ral­ver­samm­lung abhält. Wir gehö­ren zu einer Gruppe von Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­ren, die sich dafür ein­setzt, dass die Natio­nal­bank bei ihrer Anla­ge­po­li­tik den Schutz von Klima und Bio­di­ver­si­tät mit­be­rück­sich­tigt. Kon­kret: Die SNB soll keine Aktien und Anlei­hen von Fir­men in ihrem Port­fo­lio hal­ten, deren Geschäfte nach­weis­lich die Umwelt schädigen.

Ange­sichts von Kli­ma­er­hit­zung und Bio­di­ver­si­täts­ver­lust eine wich­tige, drin­gende For­de­rung, die wir anläss­lich der GV erneut vor­brin­gen wol­len. Eine Dis­kus­sion über das Thema hat die Spitze der SNB aber bereits im Vor­feld abge­schmet­tert: Wie schon im Vor­jahr, wei­ger­ten sich Bank­rat und Direk­to­rium, die von über hun­dert Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­ren unter­zeich­ne­ten Anträge zu trak­tan­die­ren, wel­che die Berück­sich­ti­gung von Klima- und Umwelt­kri­te­rien in der Anla­ge­po­li­tik der SNB fordern. 

Nach wie vor behaup­tet die SNB-Füh­rung steif und fest, dass ihr gesetz­li­cher Auf­trag PREISSTABILITÄT! heisse, und nichts ande­res als PREISSTABILITÄT! Ein Begriff, der von Vertreter:innen des Bank­rats und des Direk­to­ri­ums an der Gene­ral­ver­samm­lung gleich dut­zend­fach wie­der­holt wird. Kli­ma­fra­gen, so die SNB-Spitze, hät­ten nichts mit der Erfül­lung die­ses Auf­trags zu tun.

Wir erfah­ren vom SNB-Podium, dass man dort allen Ern­stes glaubt, die Schwei­zer PREISSTABILITÄT! auch bei zuneh­men­den Natur­ka­ta­stro­phen wie ein Fels in der Braun­dung erhal­ten zu kön­nen – durch Weg­schauen und Nichtstun.

Wei­ter wie bisher
Man aner­kennt zwar, dass der Kli­ma­wan­del ein wich­ti­ges Pro­blem sei und ange­gan­gen wer­den müsse, ver­steckt sich aber gleich­zei­tig hin­ter der Behaup­tung, dass der Hebel zur Umset­zung von Umwelt­an­lie­gen anderswo grös­ser sei als bei der Nationalbank. 

Was dabei unter den Tisch gekehrt wird: Mit ihren Inve­sti­tio­nen etwa in Gas- und Oel-Kon­zerne wie Exxon Mobil oder Total­Ener­gies* trägt die Natio­nal­bank direkt zur wei­te­ren Kli­ma­er­hit­zung bei. Mehr noch: Laut Recher­chen der Klima-Alli­anz ent­hält das Port­fo­lio der SNB etli­che Gross­kon­zerne, die mit fos­si­ler Ener­gie Gewinne erzie­len und/​oder nach­weis­lich in Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­skan­dale ver­wickelt sind.

Sol­che Inve­sti­tio­nen ste­hen in kras­sem Wider­spruch zu den eige­nen Anla­ge­richt­li­nien der SNB, die ver­lan­gen: «Die SNB erwirbt keine Aktien oder Anlei­hen von Unter­neh­men, die in die Pro­duk­tion inter­na­tio­nal geäch­te­ter Waf­fen invol­viert sind, grund­le­gende Men­schen­rechte mas­siv ver­letz­ten oder syste­ma­tisch gra­vie­rende Umwelt­schä­den verursachen.»

Ob und wie die SNB diese Richt­li­nien umsetzt und deren Ein­hal­tung kon­trol­liert, bleibt geheim. Nicht ein­mal an der Gene­ral­ver­samm­lung will man dies­be­züg­li­che Fra­gen der eige­nen Aktionär:innen beant­wor­ten. Damit alles nach Pro­gramm und wie am SNB-Schnür­chen abläuft, ist das Abwehr- und Sicher­heits­dis­po­si­tiv im und um den Kur­saal herum gewal­tig – und gewaltbereit.

Macht­de­mon­stra­tion GV
Das bekom­men wir schon vor der eigent­li­chen Ver­an­stal­tung zu spü­ren: Auf öffent­li­chem Boden vor dem Kur­saal wer­den wir 30 aus der gan­zen Schweiz ange­rei­sten Klima-Aktionär:innen von Poli­zei­kräf­ten auf das gegen­über­lie­gende Trot­toir ver­trie­ben. Statt unter dem schüt­zen­den Kur­saal-Vor­dach, ste­hen wir wäh­rend unse­rer kur­zen fried­li­chen Kund­ge­bung buch­stäb­lich im Regen.

Der Zutritt zur GV ist streng bewacht: Sicher­heits­kon­trolle mit Durch­leuch­tung von Hand­ta­sche und Gang durch den Detek­tor­bo­gen. Sobald das geschafft ist, lässt man sich, gegen Vor­wei­sen von ID und Zutritts­karte, an einem Desk das Stimm­ge­rät aushändigen.

Geschafft! Zur Stär­kung gibt’s Kaf­fee und Gebäck auf dem Weg in den Saal. Dort ange­kom­men, ein­schrei­ben als Red­ne­rin – der Platz wird mir von einer Secu­rity-Frau zuge­wie­sen. Sie ach­tet streng dar­auf, dass all jene, die sich für ein Votum wäh­rend der GV anmel­den, sich auch in den für die Redner:innen vor­ge­se­he­nen Sek­tor set­zen. Rund­herum fin­ster schau­en­des Sicher­heits­per­so­nal, breit­bei­nig und mit Knopf­hö­rer im Ohr.

Um 10.10 Uhr – mit zehn Minu­ten Ver­spä­tung, eröff­net dann Bank­rats-Prä­si­den­tin Bar­bara Janom Stei­ner die 117. Gene­ral­ver­samm­lung der Schwei­ze­ri­schen Nationalbank.

Auf räto­ro­ma­nisch eine kurze Begrüs­sung aller Anwe­sen­den – danach ein spe­zi­el­les Will­kom­men auf deutsch an die Vertreter:innen von Bank­rat und Direk­to­rium, die auf dem Podium sit­zen. Dann zählt die Prä­si­den­tin ihre Bankrats-Kolleg:innen im Saal nament­lich auf, freut sich über die «zahl­reich anwe­sen­den Finanzdirektor:innen der Kan­tone», begrüsst die Vertreter:innen vom Bund, die ehe­ma­li­gen Bank­rats­mit­glie­der, die regio­na­len Bei­räte der SNB sowie die Stimm­rechts­ver­tre­te­rin, den Revi­sor von KPMG und zwei Schul­klas­sen aus Thun und Brig, die der GV als Gäste beiwohnen.

Ich höre und warte – warte ver­ge­bens: Eine spe­zi­elle Erwäh­nung der 368 im Saal anwe­sen­den Aktio­nä­rin­nen und Aktio­näre bleibt aus. Die Bot­schaft ist klar und unmiss­ver­ständ­lich: Ich bin hier nur gedul­det, und hätte eigent­lich zuhause blei­ben kön­nen. Frau Janom Stei­ner geht es in erster Linie um das insti­tu­tio­nelle Aktio­na­riat, das dem Bank­rat und dem Direk­to­rium spä­ter in cor­pore und ohne lästige Rück­fra­gen mit fast 100 Pro­zent Zustim­mung die Ent­la­stung ertei­len wird. Wir, die pri­va­ten Aktionär:innen sind bloss Publi­kum und für die SNB ganz offen­sicht­lich eine Quan­tité négligeable.

So nimmt die GV ihren Lauf. Bank­rats­prä­si­den­tin Bar­bara Janom führt als eiserne Lady und Show­ma­ste­rin durch den Vor­mit­tag. Das offen dekla­rierte Ziel: Die sta­tua­ri­schen Geschäfte sol­len schlank und stö­rungs­frei abge­wickelt wer­den, damit man um 13 Uhr zum Steh­buf­fet schrei­ten kann.

In ihrer Prä­si­di­al­rede kommt sie kurz auf unsere abge­schmet­ter­ten Anträge zu spre­chen und wie­der­holt noch ein­mal ihre durch­aus anfecht­bare Begrün­dung, wes­halb man die Trak­tan­den nicht zuge­las­sen habe. Anschlies­send erklärt SNB-Direk­tor Mar­tin Schle­gel in sei­ner Anspra­che, wes­halb die Anla­ge­po­li­tik der SNB auf PREISSTABILITÄT! fokus­siere und fokus­sie­ren müsse, und wes­halb das Klima dabei nicht berück­sich­tigt wer­den könne.

Ver­letzt die SNB ihre eige­nen Vorgaben?
Aller­dings ver­kün­det der glei­che Dr. Mar­tin Schle­gel im Lauf der GV dann auch: «Die SNB hat eine Aus­schluss­po­li­tik von Aktien. Wir basie­ren uns auf all­ge­mein aner­kannte Werte und Nor­men der Schweiz. Und wir hal­ten keine Anteile von Unter­neh­men, die eben diese Werte ver­let­zen. Die Werte sind: Die Ver­let­zung von grund­le­gen­den Men­schen­rech­ten, oder auch Fir­men, die syste­ma­tisch gra­vie­rende Umwelt­schä­den ver­ur­sa­chen; Fir­men, die inter­na­tio­nal geäch­tete Waf­fen her­stel­len oder auch För­de­rer von ther­mi­scher Kohle.»

Bekannt­lich hat die SNB in ihrem Port­fo­lio aber Aktien von Kon­zer­nen, die die­sen Kri­te­rien nicht stand­hal­ten, weil sie tat­säch­lich gra­vie­rende Umwelt­schä­den ver­ur­sa­chen und Men­schen­rechte ver­let­zen, indem sie Erdöl för­dern oder am Kahl­schlag der Ama­zo­nas­wäl­der betei­ligt sind. Da stellt sich die Frage: Kennt der Bank-Chef sein Port­fo­lio nicht, oder nimmt er es mit der Wahr­heit nicht so genau? Dar­auf gibt die Gene­ral­ver­samm­lung keine Antwort.

Wie sehr so eine GV eine pseudo-demo­kra­ti­sche Ver­an­stal­tung ist, wird ins­be­son­dere auch bei den Abstim­mun­gen deut­lich: Ob die Geneh­mi­gung des Finanz­be­richts, die Fest­set­zung der Divi­dende oder die Ent­la­stung des Bank­rats: Prak­tisch alle Geschäfte erhal­ten eine Zustim­mung von über 95 Prozent.

Dis­kus­sion fin­det keine statt. Die Voten der Aktionär:innen sind auf drei Minu­ten beschränkt und wer­den nicht ein­zeln beant­wor­tet. Lau­nig kom­men­tiert Janom Stei­ner die eine oder andere Aus­sage: Man nehme dies zur Kennt­nis, könne jenes lei­der nicht ändern, man würde ja gerne, aber, aber, aber…

Die zahl­rei­chen Wort­mel­dun­gen mit Bezug auf Klima und Bio­di­ver­si­tät wer­den zum Schluss pau­schal von SNB-Direk­tor Schle­gel erle­digt, mit einer offen­sicht­lich vor­be­rei­te­ten, vom Tele­promp­ter abge­le­se­nen Ant­wort. Wenig über­ra­schend fasst er dabei noch ein­mal zusam­men, wes­halb sich die SNB in ihrer Anla­ge­po­li­tik keine Umwelt­kri­te­rien auf­er­le­gen will und betont erneut, dass das gesetz­li­che Man­dat der SNB die Gewähr­lei­stung der PREISSTABILITÄT! sei, und dass dies der aus­schliess­li­che Bei­trag der SNB an eine nach­hal­tige Ent­wick­lung sein könne.

Auf ver­schie­dene kon­krete Punkte geht Schle­gel nicht ein, so auch nicht auf meine Frage betref­fend die man­gelnde Trans­pa­renz der SNB-Bericht­erstat­tung in Bezug auf Umwelt und Bio­di­ver­si­tät, womit sie mei­nes Erach­tens gegen inter­na­tio­nale Ver­träge verstösst.

Das Ange­bot
Doch völ­lig uner­war­tet, lässt der Natio­nal­bank­di­rek­tor zum Schluss dann doch noch eine kleine Katz aus dem Sack: Er betont, die SNB würde ihr «Akti­en­uni­ver­sum von meh­re­ren 1000 Aktien» nach bestem Wis­sen und Gewis­sen dahin­ge­hend prü­fen, dass es den in den SNB-Richt­li­nien auf­ge­führ­ten Anfor­de­run­gen ent­spre­che und schliesst seine Aus­füh­run­gen mit den Wor­ten: «Wir sind aller­dings auch offen für Anre­gun­gen. – Wenn Sie Fir­men wis­sen, von denen Sie den­ken, sie soll­ten nicht bei uns im Anla­ge­uni­ver­sum sein, dann kön­nen Sie sich gerne an uns rich­ten, und wir wer­den das gerne natür­lich auch prüfen.»

Dann ist Schluss. Wir ver­las­sen den Saal unter Beob­ach­tung und Beglei­tung von zahl­rei­chen Body­guards mit Knopf­hö­rer im Ohr. Die bren­nende Frage im Gespräch mit unse­ren Mitaktionär:innen im Foyer: Wie gross ist die Offen­heit für Anre­gun­gen tat­säch­lich? Und wird die SNB sol­che Prü­fungs­er­geb­nisse 2026 (oder schon vor­her) veröffentlichen?

Die Skep­sis bleibt gross. Die Erkennt­nis aus der heu­ti­gen GV: Die ein­zige Spra­che, die Bank­rats­prä­si­den­tin Janom Stei­ner und ihre Leute ver­ste­hen, ist die juri­sti­sche. Wenn es nicht anders geht, muss die SNB auf die­sem Weg dazu gebracht wer­den, sich an ihre Ver­pflich­tun­gen zu halten.


*Der Ener­gie­kon­zern Total­Ener­gies rühmt sich auf sei­ner Web­site, seine CO2-Emis­sio­nen bis 2050 auf Net­to­Null zu redu­zie­ren – und fei­erte am 21. April die Eröff­nung eines neuen Off­shore-Oel­felds in den USA:

IM PORTFOLIO DER SNB:


Eine Zusam­men­fas­sung der Klima-Voten an der SNB-GV 2025:


Mein Votum an der GV, betref­fend feh­lende Trans­pa­renz und Auskunftsverweigerung:


Nach voll­brach­ter GV – vor dem Steh­lunch: Streng bewacht posiert die SNB-Crew fürs Familienalbum…

Wer hat Angst vor Pazifist:innen?

Gerade in der heu­ti­gen Zeit, wo Mel­dun­gen über Kriegs­gräuel und Auf­rü­stungs-Debat­ten die Schlag­zei­len in unse­ren Medien domi­nie­ren, hätte man sich gewünscht, dass wenig­stens anläss­lich der Bericht­erstat­tung rund um die tra­di­tio­nel­len Oster­mär­sche über Alter­na­ti­ven zur aktu­el­len Poli­tik und Frie­den berich­tet würde.

Doch weit gefehlt! Die mehr als 2000 Men­schen, die anläss­lich des Oster­marschs in Bern und dem Boden­see-Frie­dens­weg in Bre­genz am Oster­mon­tag für «Frie­dens­fä­hig statt kriegs­tüch­tig» plä­dier­ten, waren den mei­sten Medien keine Zeile wert. Dies, obschon in Bern mit Swis­speace-Direk­tor Lau­rent Goet­schel eine wich­tige Stimme der Schwei­zer Frie­dens­for­schung zu den Red­nern zählte.

In Bre­genz zeigte die aus Wien ange­rei­ste Kli­ma­pio­nie­rin Helga Kromp-Kolb in ihrem ein­drück­li­chen Refe­rat auf, wie eng die fort­schrei­tende Kli­ma­ka­ta­stro­phe mit Krieg und Auf­rü­stung ver­knüpft ist – und wel­che Lösungs­an­sätze drin­gend not­wen­dig sind, um diese töd­li­che Eska­la­ti­ons­spi­rale zu stoppen.

Die Organisator:innen des Boden­see-Frie­dens­wegs hat­ten ein viel­sei­ti­ges Pro­gramm auf die Beine gestellt, das die Zusam­men­hänge zwi­schen Auf­rü­stung, Kriegs­trei­be­rei, Kli­ma­er­hit­zung und Res­sour­cen­ver­schwen­dung vor Augen führte. Inter­dis­zi­pli­nä­res Den­ken und Wis­sen, die es kaum je in unsere Main­stream-Medien schaffen.

Diese ver­zich­te­ten denn auch weit­ge­hend auf eine Bericht­erstat­tung über den Anlass*. Statt­des­sen miss­brauchte der Mode­ra­tor der SRF-Tages­schau das Bild einer Oster­demo und den aktu­el­len pazi­fi­sti­schen Slo­gan «Frie­dens­fä­hig statt kriegs­tüch­tig» als Hin­ter­grund für die Anmo­de­ra­tion eines  Berichts über eine Promo-Ver­an­stal­tung der deut­schen Bundeswehr. 

Und in den TA-Medien im Raum Bern erhielt Ex-GSoA-Vor­stands­mit­glied und Vor-vie­len-Jah­ren-ein­mal-Pazi­fist Peter Sige­rist eine fast ganz­sei­tige Platt­form, um zu erklä­ren, warum er sich von der Frie­dens­be­we­gung abge­setzt hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der pen­sio­nierte Gewerk­schafts­se­kre­tär und ein­stige Mit­be­grün­der des Grü­nen Bünd­nis Bern medial mit sei­nem Gesin­nungs­wan­del brü­stet und sich her­ab­las­send über sein frü­he­res Umfeld äus­sert, das sich wei­ter­hin für Frie­den und Abrü­stung engagiert.

Sige­rist, der für das Pres­se­bild vor der ukrai­ni­schen Bot­schaft posierte, macht sich für die Auf­rü­stung der Schwei­zer Armee «im Bereich von Droh­nen, Flie­ger­ab­wehr und Cyber­krieg» stark, wohin­ge­gen schwere Waf­fen in die Ukraine zu lie­fern seien, «dort­hin, wo die Demo­kra­tie ver­tei­digt wird.» – Heuch­le­ri­scher geht es nim­mer. Im Klar­text heisst das näm­lich nichts ande­res, als dass die ukrai­ni­schen Sol­da­ten und die dor­tige Zivil­be­völ­ke­rung wei­ter­hin als Kano­nen­fut­ter zur Ver­tei­di­gung «unse­rer» Demo­kra­tie geop­fert wer­den sollen…

Damit nicht genug. «Die regel­ba­sierte Welt­ord­nung fällt aus­ein­an­der», stellt Sige­rist im Inter­view wei­ter fest und fol­gert dar­aus, dass der von der UNO ver­ab­schie­dete Atom­waf­fen­ver­bots­ver­trag Maku­la­tur sei. Das Enga­ge­ment für die von der SP, den Grü­nen und einer brei­ten Koali­tion wei­te­rer Orga­ni­sa­tio­nen lan­cier­ten die Atom­waf­fen­ver­bots­in­itia­tive, die den Bun­des­rat zur Unter­zeich­nung des Atom­waf­fen­ver­bots­ver­trags ver­pflich­ten will, bezeich­net er denn auch als «ver­geb­li­che Liebesmüh».

Es ist abso­lut unver­ständ­lich und ärger­lich, dass Sige­rist seine The­sen unwi­der­spro­chen und ohne Nach­frage von Sei­ten des Jour­na­li­sten medial ver­brei­ten kann. Ihn mit der Frage zu kon­fron­tie­ren, wie denn sei­ner Mei­nung nach ein Atom­krieg zu ver­hin­dern ist, wäre ange­sichts der aktu­el­len Situa­tion jour­na­li­sti­sche Pflicht gewesen.

Fakt ist näm­lich: Gerade weil die Welt­ord­nung aus­ein­an­der­zu­fal­len droht, braucht es die Stär­kung der UNO und inter­na­tio­na­ler Ver­trags­werke. Das ist heute nicht anders als es in den 1950er Jah­ren war, als sich Wissenschaftler:innen und Friedenspolitiker:innen welt­weit der Auf­rü­stungs­spi­rale wider­setz­ten. Die­ser Wider­stand ist heute genauso nötig und gerecht­fer­tigt wie damals.

Die gute Nach­richt: Die­sen Wider­stand gibt es, genauso wie viel­fäl­tige Ansätze für einen gewalt­freien Umgang mit Kon­flik­ten. Diese Stim­men wer­den aber von den Main­stream-Medien sowie vie­len Politiker:innen nicht ernst genom­men. Statt dass man ihnen das not­wen­dige Gehör ver­schafft, wer­den sie unter­drückt – und lächer­lich gemacht.

So auch in der mage­ren Bericht­erstat­tung über die gest­rige Demo in Bern, die sich darin gefällt, die Frie­dens­be­we­gung erneut zu dis­qua­li­fi­zie­ren und Teil­neh­me­rin­nen am Oster­marsch mit Sug­ge­stiv­fra­gen dazu zu brin­gen, sich sel­ber der Nai­vi­tät bezich­ti­gen. «Dann bin ich halt naiv, doch ich kann nicht auf­hö­ren, mich für den Frie­den ein­zu­set­zen», wird etwa eine Teil­neh­me­rin vom Ber­ner Oster­marsch in Bund und BZ zitiert.

Viel­leicht ist ja gerade das Gegen­teil der Fall? Genauso gut – oder viel­leicht sogar noch zutref­fen­der — könnte man näm­lich all jene fra­gen, die jetzt wie­der nach Kriegs­tüch­tig­keit, Auf­rü­stung und nuklea­rer Abschreckung rufen, ob ihr Kal­kül nicht auf fal­schen Hoff­nun­gen beruht und es nicht naiv sei, sich davon mehr Sicher­heit zu versprechen.

Fakt ist, dass wir uns die aktu­ell ange­sagte Auf­rü­stung und das end­lose Wei­ter­krie­gen gar nicht lei­sten kön­nen. Weder finan­zi­ell noch öko­lo­gisch. Wir brau­chen andere Wege, um unsere Pro­bleme und Kon­flikte zu lösen. Auch die gegen­wär­ti­gen Freun­din­nen und Freunde der Auf­rü­stung wer­den auf­stöh­nen , wenn es ihnen, ange­sichts der neuen, irr­sin­ni­gen Mili­tär­aus­ga­ben, schon bald ans eigene Porte­mon­naie geht. Erfah­rungs­ge­mäss liegt die­ses näm­lich den mei­sten näher, als «Demo­kra­tie­ver­tei­di­gung», weit weg vom eige­nen Gärtli.

*Eine Aus­nahme gibt es: Auf Infosper­ber hat Hans Stei­ger, ehe­ma­li­ger Zür­cher SP-Kan­tons­rat und bis heute über­zeug­ter Frie­dens­ak­ti­vist, einen ebenso inspi­rie­ren­den wie infor­ma­ti­ven Essay geschrie­ben, über «Oster­ma­ni­fe­sta­tio­nen für den Frie­den: Eine poli­ti­sche Tra­di­tion in schwie­ri­ger Zeit»:

Gegen den ungu­ten Zeitgeist

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