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NEIN zum ewigen Flickwerk

Letzte Woche sind die Abstim­mungs­un­ter­la­gen ins Haus geflat­tert. Nebst der Bio­di­ver­si­täts-Initia­tive, wo die Sache so ein­fach wie klar ist – es braucht ein JA zum Schutz und Erhalt unse­rer Lebens­grund­la­gen – stim­men wir auch über eine Vor­lage zur Alters­vor­sorge ab. Einem wich­ti­gen Pfei­ler des eid­ge­nös­si­schen Zusam­men­le­bens und des Aus­gleichs zwi­schen Rei­chen und weni­ger Rei­chen, den mein Urgross­va­ter einst mit­be­grün­den half.

Dies­mal geht es – ein­mal mehr – um die 2. Säule, die soge­nannte «beruf­li­che Vor­sorge». Diese soll, laut Gesetz, als Ergän­zung zur AHV (der soge­nann­ten 1. Säule) Rent­ne­rin­nen und Rent­nern ermög­li­chen, «nach der Pen­sio­nie­rung den gewohn­ten Lebens­stan­dard in ange­mes­se­ner Weise zu halten.»

Im Gegen­satz zur AHV, die staat­lich und lan­des­weit ein­heit­lich orga­ni­siert ist, basiert die beruf­li­che Vor­sorge auf einem Wild­wuchs pri­va­ter Insti­tu­tio­nen: Schweiz­weit gibt es sage und schreibe über 1’300 Pen­si­ons­kas­sen, wel­che die Spar­gut­ha­ben fürs Alter von Arbeit­neh­men­den und Arbeit­ge­ben­den ein­zie­hen und bewirt­schaf­ten. Für unselb­stän­dig Erwer­bende aller­dings ohne Wahl­mög­lich­keit: Die zustän­dige Pen­si­ons­kasse wird von Arbeit­ge­ber­seite diktiert.

Pen­si­ons­kas­sen sind eigent­lich ein Relikt aus alten Zei­ten, als es noch keine AHV gab: In der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts grün­de­ten zuerst Ver­wal­tun­gen von grös­se­ren Gemein­den und Kan­to­nen pri­vat geführte Pen­si­ons­kas­sen, um Poli­zi­sten, Leh­rern oder Beam­ten eine Alters­rente aus­zu­rich­ten. Im Lauf der Zeit wurde die­ses System lau­fend erwei­tert – Bran­chen­ver­bände, Hand­werks­or­ga­ni­sa­tio­nen und auch ein­zelne Unter­neh­men grün­de­ten ihre eige­nen Kassen.

Dank der regel­mäs­sig ein­ge­hen­den Lohn­pro­zente, die sowohl von Arbeit­neh­men­den wie Arbeit­ge­ben­den ein­be­zahlt wur­den, mutier­ten die Pen­si­ons­kas­sen schon bald zu einem poten­ten wirt­schaft­li­chen Fak­tor. Sie ver­füg­ten – wie von Polit­krei­sen aus dem Industrie‑, Ban­ken- und Ver­si­che­rungs­be­reich ein­ge­fä­delt – bald über ein immenses Kapi­tal­pol­ster, das ange­legt sein wollte.

Natür­lich nicht zum Null­ta­rif, son­dern um den Preis von Spe­sen, Bera­tungs­ho­no­ra­ren, Boni und fet­ten Gebüh­ren, die das effek­tive Ren­ten­ver­mö­gen ver­min­dern. Die Lobby der Pen­si­ons­kas­sen und ihrer Pro­mo­to­ren war bereits in den 1970er Jah­ren so stark, dass sie ihre Inter­es­sen beim Aus­bau der Alters­ver­si­che­rung durch­set­zen konn­ten: Bei der Ein­füh­rung des Obli­ga­to­ri­ums für die beruf­li­che Vor­sorge BVG 1985 wurde das System der Viel­zahl an unter­schied­li­chen Pen­si­ons­kas­sen beibehalten.

Zwar wur­den Rah­men­be­din­gun­gen und Grenz­werte fest­ge­legt – gleich­zei­tig blieb und bleibt den ein­zel­nen Kas­sen jedoch gros­ser Spiel­raum, etwa bei der Ver­zin­sung der ange­spar­ten Alters­gut­ha­ben, bei der Höhe der Spar­bei­träge des Arbeit­ge­bers oder bei der Gestal­tung der Umwandlungssätze.

«Pen­si­ons­kasse ist nicht gleich Pen­si­ons­kasse», stellt der Beob­ach­ter in sei­ner Aus­gabe vom 30.8.24 denn auch lako­nisch fest. Die Berech­nung des künf­ti­gen Alters­gut­ha­bens ist eine äus­serst kom­plexe Ange­le­gen­heit, auf wel­che Arbeit­neh­mende kaum Ein­fluss und oft wenig Ein­blick haben. «Wie hoch die eigene Rente aus der zwei­ten Säule sein wird, ist auch Glücks­sa­che», bilan­ziert der Beob­ach­ter und hält wei­ter fest: «Es geht schnell ein­mal um Zehn­tau­sende von Fran­ken mehr oder weni­ger im per­sön­li­chen Altersguthaben.»

«Wie hoch die eigene Rente
aus der zweiten Säule sein wird,
ist auch Glückssache.»

Wäh­rend die Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen bei der AHV für alle gleich sind, füh­ren die mas­si­ven Unter­schiede bei den Pen­si­ons­kas­sen-Ren­ten zu inak­zep­ta­blen Unge­rech­tig­kei­ten. Kommt hinzu, dass das Ein­zah­len in eine Pen­si­ons­kasse erst ab einem Jah­res­ein­kom­men von CHF 22’050 obli­ga­to­risch ist. Damit fal­len aus­ge­rech­net Kleinstverdiener:innen – dar­un­ter über­pro­por­tio­nal viele Frauen – durch die Maschen.

Die aktu­elle BVG-Reform, über die wir am 22. Sep­tem­ber abstim­men, ver­spricht nun, dies ein Stück weit auf­zu­fan­gen: Die Ein­tritts­schwelle soll um beschei­dene CHF 2’205 auf CHF 19’845 gesenkt wer­den. Aller­dings will man gleich­zei­tig auch den gül­ti­gen Min­dest­um­wand­lungs­satz für die Rente von heute 6,8 Pro­zent auf 6,0 Pro­zent sen­ken, was eine mas­sive Kür­zung künf­ti­ger Ren­ten zur Folge hätte. Damit nicht genug. Zusätz­lich sol­len die Lohn­bei­träge für die Mehr­heit der Ver­si­cher­ten erhöht wer­den. Das bedeu­tet unter dem Strich: Höhere Bei­träge für weni­ger Rente…

Ange­sichts der Kom­ple­xi­tät der Vor­lage und der unzäh­li­gen Pen­si­ons­kas­sen­va­ri­an­ten kann jedoch nie­mand mit Bestimmt­heit vor­her­sa­gen, wie genau sich die ange­streb­ten Neue­run­gen auf die ein­zel­nen Spar­gut­ha­ben aus­wir­ken werden.

Was aber mit Sicher­heit zu erwar­ten ist: Schon heute zügeln Ban­ken, Mak­ler, Mana­ger und Exper­ten jähr­lich über CHF 7 Mil­li­ar­den aus unse­ren BVG-Alters­ka­pi­ta­lien ab – mit der Reform würde die­ser Selbst­be­die­nungs-Kuchen noch grös­ser, die Ver­wal­tung der Ver­mö­gen noch kom­ple­xer und teurer.

Es ist an der Zeit, das seit 1985 bestehende BVG-Übel an der Wur­zel anzu­packen: Dem Pen­si­ons­kas­sen-Wild­wuchs muss der Stecker gezo­gen wer­den! Das Flick­werk der pri­vat orga­ni­sier­ten 2. Säule ist in den bald 40 Jah­ren sei­ner Exi­stenz zu einem immer unüber­sicht­li­cher wer­den­den Polit­kom­pro­miss-Flick­werk gewor­den, das sei­ner­seits drin­gend in Pen­sion geschickt wer­den muss.

Ein NEIN am 22. Sep­tem­ber ist ein wich­ti­ger Schritt in Rich­tung Ren­ten­ge­rech­tig­keit. Die immer wie­der erho­bene For­de­rung nach einer Stär­kung der AHV bei gleich­zei­ti­gem Rück­bau der 2. Säule ist aktu­el­ler denn je. Nur so kann sicher­ge­stellt wer­den, dass das Geld, das wir in unsere Alters­vor­sorge stecken und uns nota­bene gehört, mög­lichst unge­schmä­lert in Form von Ren­ten aus­ge­zahlt wird. So wie es die Bun­des­ver­fas­sung vorschreibt.

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