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Nein, Selenski ist kein Held

Die Sze­nen, die sich letz­ten Frei­tag vor lau­fen­den Kame­ras im Weis­sen Haus in Washing­ton abge­spielt haben, waren unge­heu­er­lich. Keine Frage: Einen der­ar­ti­gen Schlag­ab­tausch zwi­schen zwei Staats­prä­si­den­ten vor den Augen der Welt­öf­fent­lich­keit, ein Novum. Trump hat es mit sei­nem Schluss­kom­men­tar auf den Punkt gebracht: «Gros­ses Fern­se­hen». Live aus dem Oval Office.

Das kommt nicht von unge­fähr. Schliess­lich ver­dan­ken beide Haupt­dar­stel­ler ihre Kar­riere dem Fern­se­hen. Der eine wurde als Come­dian in einer von einem ukrai­ni­schen Olig­ar­chen gespon­ser­ten Fern­seh­se­rie berühmt, der andere als Mode­ra­tor der ame­ri­ka­ni­schen TV-Rea­li­tiy-Show «The App­ren­tice». Sowohl Selen­ski wie Trump sind als Staats­prä­si­den­ten Schau­spie­ler geblie­ben: Diplo­ma­tie ist nicht ihr Ding, son­dern Showbusiness.

Bis­lang mit Erfolg. Wolo­di­mir Selen­ski, der mit Auf­trit­ten vor Par­la­men­ten und bei Staats­emp­fän­gen seit drei Jah­ren den hel­den­haf­ten Frei­heits­kämp­fer mimt und sich gerne beim Hand­shaking ablich­ten lässt, erkämpfte sich damit von sei­nen «Ver­bün­de­ten» – allen voran von den USA, aber auch von euro­päi­schen Län­dern wie Frank­reich, Eng­land oder Deutsch­land – mehr und immer noch mehr Kriegsmaterial. 

Und Donald Trump, der mit unge­schmink­tem Power­play bereits zum zwei­ten Mal die Wahl zum US-ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten schaffte, hält die Welt seit sei­nem Amts­an­tritt mit einem Dau­er­feuer von Ansa­gen und Macht­de­mon­stra­tio­nen in Atem. Sein jüng­ster Coup in Bezug auf die Ukraine: Ein Ver­trag sollte den USA Zugriff auf die rei­chen Res­sour­cen an sel­te­nen Erden brin­gen. Damit lag end­lich die Wahr­heit auf dem Tisch, worum es in der Ukraine wirk­lich geht: Um Res­sour­cen und Geld. Für die USA, wie für Russ­land und Europa.

Nach einem ersten Auf­schrei von Sei­ten der euro­päi­schen Ukraine-Unter­stüt­zer («wir wol­len auch ein Stück vom Kuchen»), schien der Deal aber tat­säch­lich zustande zu kom­men: Die Stoss­rich­tung, die Trump auf­zeigte, ent­hielt auch die urplötz­li­che Mög­lich­keit auf ein Ende des Krie­ges. Am Frei­tag war Selen­ski des­halb nach Washing­ton gereist, um den Ver­trag über die Aus­beu­tung der sel­te­nen ukrai­ni­schen Erden mit den USA zu unter­zeich­nen. Doch dann kam alles anders, als sich das Shake­hands mit Foto­ter­min im Oval Office, an wel­chem auch von Trump aus­ge­wählte Medienvertreter:innen anwe­send waren, in die Länge zog.

Statt es wie üblich beim Foto­ter­min zu belas­sen, um dann rasch mög­lichst hin­ter ver­schlos­se­nen Türen das von den Ver­hand­lungs­par­teien vor­ver­han­delte Papier zu unter­zeich­nen, schien ins­be­son­dere Selen­ski die Gele­gen­heit nut­zen zu wol­len, den Ame­ri­ka­nern gross­spu­rig den den Tarif durch­zu­ge­ben und die Annä­he­rung von Trump an Putin zwecks Waf­fen­still­stand und Frie­dens­ver­hand­lun­gen zu sabotieren.

Nach rund sechs Minu­ten prä­sen­tierte er Fotos von ukrai­ni­schen Kriegs­op­fern den lau­fen­den TV-Kame­ras, bevor er sie Trump über­reichte. Und die­sen total undi­plo­ma­tisch in Zug­zwang brachte. «Das ist schlimm», mur­melte Trump und reichte die Fotos wei­ter. Der Krieg müsse jetzt ein Ende haben, bekräf­tigte dar­auf­hin der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent. Des­halb habe er mit Putin gespro­chen, des­halb wolle man nun das Abkom­men, um in die Aus­beu­tung der Boden­schätze zu inve­stie­ren. Das bringe Frie­den, und dafür brau­che es auch Frieden.

Für sol­che Töne hatte Selen­ski aller­dings kein Musik­ge­hör. Er for­derte unver­än­dert mehr­mals wei­ter­ge­hende «Sicher­heits­ga­ran­tien für die Ukraine» – im Klar­text noch mehr Waf­fen und Geld. Wie schon in der Ver­gan­gen­heit, lehnte der ukrai­ni­sche Prä­si­dent zudem Ver­hand­lun­gen für einen Waf­fen­still­stand ab und for­derte von Trump die ein­sei­tige Par­tei­nahme für die Ukraine.

Nach gut 40 Minu­ten platzte den Ame­ri­ka­nern der Kra­gen. Das Gespräch eska­lierte. Die Fol­gen sind bekannt. Die letz­ten zehn Minu­ten des Tref­fens gin­gen viral. Auch SRF hat nur die letzte Phase des Tref­fens online gestellt, mit der fal­schen Beschrif­tung «Der denk­wür­dige Trump-Selen­ski-Auf­tritt in vol­ler Länge» – die vor­an­ge­hen­den 40 Minu­ten hat man ein­fach weggelassen.

Die Reak­tio­nen auf das kurze Video fie­len denn auch ent­spre­chend aus: Der Putin-Freund Trump habe den stand­haf­ten Selen­ski aufs grau­sam­ste miss­han­delt, so der Tenor hier­zu­lande, sowohl aus Redak­tio­nen wie in einer Flut von Kom­men­ta­ren in den sozia­len Medien.

Wer sich aller­dings Zeit und Mühe nimmt und sich den gesam­ten Gesprächs­ver­lauf auf­merk­sam anschaut, kommt zu einem dif­fe­ren­zier­te­ren Schluss: Selen­ski ist nicht das Opfer – viel­mehr hat er zu hoch gepo­kert und seine Gegen­spie­ler unterschätzt.

Letzt­end­lich machte Selenskis Starr­sinn mit der Fixie­rung auf einen Sieg-Frie­den, der erst ein­tre­ten kann, wenn Putin auf­gibt, dem Power­play von Donald Trump einen (vor­läu­fi­gen) Strich durch die Rech­nung. Die Leid­tra­gen­den sind die Men­schen in der Ukraine und in Russ­land: Der Krieg und die Zer­stö­rung gehen wei­ter. Täg­lich ver­lie­ren Hun­derte Men­schen ihr Leben in einem sinn­lo­sen Kampf. Zurück blei­ben die Hin­ter­blie­be­nen in Trauer – Ver­zweif­lung, aber auch Rache- und Hass­ge­fühle wer­den immer aufs Neue geschürt…

Die unver­bes­ser­li­chen Ukraine-Romantiker:innen, die immer noch daran glau­ben, dass Putin die grösste Gefahr für Europa sei und die ukrai­ni­schen Soldat:innen «unsere Frei­heit» ver­tei­di­gen wür­den, über­schwem­men seit dem Eklat in Washing­ton alle Kanäle mit gelb-blauen Ukraine-Soli­da­ri­täts­be­zeu­gun­gen – mehr noch: Auch SP- und Grüne in der Schweiz sehen sich seit dem Oval-Office-Schar­müt­zel dazu beru­fen, lau­ter denn je nach Auf­rü­stung zu rufen.

Wie recht hatte doch der Maler Fran­cisco Goya, der den Kriegs­gei­len eine Gra­fik ent­ge­gen hielt, deren Titel heute aktu­el­ler ist denn je: «El sueño della razòn pro­duce mon­struos». Ob die Ver­nunft in Europa in den näch­sten Wochen wie­der erwacht?

9 Antworten auf „Nein, Selenski ist kein Held“

  1. Salü Gabi … da bin ich für ein­mal auch nicht ganz Dei­ner Mei­nung… dass der Krieg und das sinn­lose Ster­ben auf­hö­ren muss – das ist nun weiss Gott jedem ver­nünf­ti­gen Men­schen klar… es von Putin (und Selen­sky) zu for­dern aber reich­lich naiv… wieso sollte Putin plötz­lich von sei­nem Ziel abrücken??? Ich finde Selen­sky war recht mutig die­sen Waden­beis­sern im White House ein biss­chen die Stange zu hal­ten – bevor er seine Boden­schätze dem Voll­idio­ten über­ge­ben muss … was Vance und Trump da machen ist Erpres­sung und wer sich nun herz­haft ins Fäust­chen lacht ist Putin… SCHLIMM! Würde mir wün­schen, dass Europa (zusam­men mit der Schweiz) nun end­lich auf­wa­chen und den Ukrai­nern rich­tig bei­ste­hen würde…

  2. Fol­gen­des möchte ich noch nachtragen:
    1. Auch ich habe – bei aller Abnei­gung – auf Trump gehofft, dass er die­sem Krieg ein rasches Ende set­zen möge (immer­hin hat er Net­an­y­ahu subito zu einem Waf­fen­still­stand genötigt).
    Punkto Ukraine hin­ge­gen hat Trump bis­her aus­schliess­lich das ange­grif­fene Opfer drang­sa­liert, wäh­rend Russ­land die Ukraine unge­hemmt wei­ter bom­bar­diert und Gelän­de­ge­winne rafft. Man kann gespannt sein, ob Trump auch von Putin Kon­zes­sio­nen ver­langt und durch­setzt. Ein aktu­el­ler O‑Ton von des­sen Scharf­ma­cher Med­we­dew lässt Böses ahnen:
    “Dem Feind ‹vor Ort› eine maxi­male Nie­der­lage zuzu­fü­gen, bleibt heute unsere Haupt­auf­gabe.” (SRF online)
    2. Die Fest­stel­lung, dass (auch) der Westen in der Ukraine öko­no­mi­sche Vor­teile sucht, führt nicht wei­ter. Ich sag’s mal so: Wenn schon zwei impe­ria­li­sti­sche Mächte sich um ukrai­ni­sche Res­sour­cen bal­gen, dann soll wenig­stens die­je­nige obsie­gen, die dem Land dabei mög­lichst viel Demo­kra­tie und Frei­heit belässt. Auf wel­che Macht dies zutrifft, dürfte klar sein.

  3. Hallo Gabi,
    Ziem­lich putinesk, die­ses Ver­ächt­lich­ma­chen von Selen­ski! Fehlt bloss noch, ihn einen Nazi zu zu nennen …
    Selen­ski ver­tritt bekannt­lich ein Land, das von Russ­land bru­tal über­fal­len wurde – offen­sicht­lich zwecks Ein­glie­de­rung in ein post­so­wje­ti­sches Impe­rium. Des­we­gen benö­tigt jeder Friedens-“Deal” eine Sicher­heits­ga­ran­tie (ohne Anfüh­rungs­zei­chen!), um Putins wei­ter­rei­chende Gelü­ste zu stop­pen. Kein Wun­der, dass Putin jede sol­che Garan­tie (Trup­pen­prä­senz) ablehnt!
    Dass Selen­ski Trump und des­sen aggres­si­vem Hilfs­zwerg JD Vance ohne Bück­linge begeg­net ist, gereicht ihm zur Ehre (auch wenn die Bück­lings­frei­heit stel­len­weise etwas diplo­ma­ti­scher hätte sein kön­nen). Van­ces Ein­for­dern von “Dank­bar­keit” war jeden­falls pure Pro­vo­ka­tion: Selen­ski hat sich gemäss CNN-Recher­ché bereits 33 Mal öffent­lich bei den USA bedankt.
    Noch­mals: Der Schul­dige an die­sem Krieg heisst Vla­di­mir Putin – das könnte viel­leicht hier auch mal erwähnt wer­den. Dass die­ser reak­tio­näre, expan­si­ons­lü­sterne Dik­ta­tor ein Risiko für Europa dar­stellt, begrei­fen inzwi­schen nicht nur deine soge­nann­ten “Ukraine-Romantiker:innen”.
    Lie­ber Gruss -
    Toni

    1. Ich habe Selen­ski kei­nes­wegs ver­ächt­lich gemacht, im Gegen­teil – ich habe dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er durch­aus auch Ver­ant­wor­tung trägt, für die Eska­la­tion der Situation.
      Mit dem stän­di­gen Hin­weis dar­auf, dass Putin die­sen Krieg ange­fan­gen habe, kom­men wir nicht wei­ter. Es braucht ein Ende von Gewalt und Zer­stö­rung – frag mal die Men­schen in der Ukraine, und auch die Fami­lien der rus­si­schen Sol­da­ten… Das sinn­lose Ster­ben und Lei­den geht mit der end­lo­sen For­de­rung nach Auf­rü­stung und «Sicher­heits­ga­ran­tien» (doch, solange Sicher­heit durch Waf­fen garan­tiert wird, nur mit Anfüh­rungs­zei­chen!) end­los wei­ter, die Wun­den, der Hass wer­den immer grös­ser… Das gilt übri­gens nicht nur für die Ukraine, son­dern ganz beson­ders auch für Palä­stina. Warum hört man dazu von dir und dei­nen Gesinnungsgenoss:innen eigent­lich nichts?

      1. … naja, die Aus­sage über Selen­ski, “der mit Auf­trit­ten vor Par­la­men­ten und bei Staats­emp­fän­gen seit drei Jah­ren den hel­den­haf­ten Frei­heits­kämp­fer mimt und sich gerne beim Hand­shaking ablich­ten lässt”, macht Selen­ski nun mal ver­ächt­lich. Das schliesst seine Dämo­ni­sie­rung spä­ter im Text ja nicht aus.
        Deine Ein­schät­zun­gen zu Nah­ost teile ich weitgehend.
        Aber Ukraine ist dum­mer­weise eine andere Geschichte. Hier gilt: Agres­sor Russ­land hört auf mit Krieg und Zer­stö­rung –> Friede! (Von Trump­schem Druck in diese Rich­tung hört man bis­her aller­dings nichts. Im Gegen­teil: gestoppte US-Waf­fen­lie­fe­rung an die Ukraine. Im Kreml knal­len schon die Krimsektkorken.)
        Ukraine hört auf, sich zu ver­tei­di­gen –> Kapi­tu­la­tion – Russ­land holt sich unter Trumps Applaus bequem den Rest des Lan­des, ermu­tigt zum Über­griff auf wer weiss who is next. So ein­fach ist das.
        Beim Auf­tritt krie­ge­ri­scher impe­ria­li­sti­scher Mächte lie­gen Friedens-“Romantiker:innen” (um dei­nen Begriff zu zitie­ren) lei­der dane­ben. Das wis­sen wir spä­te­stens seit Adolf Hit­lers Reich, oder nicht?
        Trotz allem geo­po­li­ti­schen Geschwur­bel: Der rus­si­sche Herr­scher fürch­tet nicht die NATO (denn er weiss: die wird Russ­land eh nie angrei­fen). Was Dik­ta­tor Putin am mei­sten fürch­tet, sind demo­kra­tisch pro­spe­rie­rende Nach­bar­län­der – sie könn­ten den gekne­bel­ten Russ:innen Lust auf Ähn­li­ches machen.
        Also: Es lebe eine (den Umstän­den ent­spre­chend mög­lichst) freie, demo­kra­ti­sche und eigen­stän­dige Ukraine! Auch wenn sich diese Hoff­nung wegen Trump, dem Putin-Bewun­de­rer, gerade schwertut.

  4. Was ist denn an die­sem Text so «voll dane­ben»? Bitte Argu­mente. Und ja, es geht in der Tat auch im Wis­sen, und wis­sen wol­len… Täg­lich ster­ben im Krieg in der Ukraine Hun­derte von Men­schen. Das muss ein Ende haben! Um das geht es. Genau darum.

  5. Liebe Gabi
    Nach mei­nem Wis­sen hast Du hier voll danebengetroffen.
    Schade.

    Herz­li­che Grüsse
    Christoph

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