Die SP wurde mit dem Rücktritt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga vor einem Monat sichtlich auf dem falschen Fuss erwischt. Trotzdem reagierte die Parteileitung schnell und prägnant: Sofort gab sie die Order durch, für die Nachfolge komme nur eine Frau infrage. Dabei liess sie nichts verlauten über deren politische Positionierung, Erfahrung und Zukunftsvision: im Moment unwichtig, zweitrangig. Das Profil der Wunschkandidatin lautete schlicht und einfach: eine junge Mutter.
Damit wollte die SP-Spitze wohl zeigen, wie aufgeschlossen und à jour sie ist. Und merkte nicht, dass sie ausgerechnet mit dieser Fokussierung einmal mehr alte Clichés bedient und sich in die trüben Fahrwasser der Gender-Diskriminierung verirrt hat.
Die meisten Menschen hierzulande würden den Vorwurf, Frauen auf ihre Kleidung, Frisur oder das Muttersein zu reduzieren weit von sich weisen. Zu recht. Gleichzeitig ist es aber eine Tatsache, dass diese Attribute je nach Gender-Status einer Person unterschiedlich gewichtet werden.
Oder kann sich jemand erinnern, dass je ein männlicher Politiker zum Bundesratskandidaten gekürt wurde, weil er «ein junger Vater» war? – Was wissen wir überhaupt über das Vatersein unserer Bundesräte? Müssen wir darüber etwas wissen? Und: Welche Rolle darf – oder soll – der Familienstatus eines Politikers, einer Politikerin spielen?
Bei der Suche nach einer «jungen Mutter» für den Bundesrat durfte natürlich der Hinweis auf Vorbilder im Ausland nicht fehlen. Dazu gehört etwa die Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern. Die profilierte Politikerin, die sich insbesondere für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz engagiert, wurde 2017 zur Premierministerin gewählt – wegen ihres Parteiprogramms. Dieses dürfte sich mit der Geburt ihrer Tochter 2018 kaum verändert haben. Zumindest nicht, wegen dem Kind.
Obschon uns die SP und die Medien in den letzten Wochen das Gegenteil weismachen wollten: Muttersein ist weder ein Gütesiegel noch ein Programm. Aber sehr wohl ein Unique Selling Point im heutigen Politikgeschäft. Nachdem eine Mutterpolitikerin nach der anderen abgewunken hatte, blieb schliesslich Evi Allemann als einzige «junge Mutter» übrig.
Die Berner Regierungsrätin ist 44 Jahre alt und hat zwei schulpflichtige Kinder im Alter von 7 und 11 Jahren. Eine junge Mutter? Echt jetzt? — Ob diese Etikette ein Etikettenschwindel war, spielt aber letztendlich keine Rolle. Fakt ist: Evi Allemann wurde während der gesamten Kandidatinnenkür auf ihr Muttersein reduziert. Das hat sie nicht verdient – auch wenn sie am rechten Rand der SP politisiert und für mich nie und nimmer eine Wunschkandidatin gewesen wäre. Kinder hin oder her.