«Wovor haben die Bauern eigentlich Angst?» fragte kürzlich eine Freundin in die Runde, als wir über die Biodiversitäts-Initiative diskutierten. Eine gute Frage, auf die wir auch nach langer Diskussion keine Antwort finden konnten.
Was sich in den letzten Wochen bereits abzeichnete, ist jetzt Gewissheit: Die Verleumdungs- und Angstkampagne der Biodiversitäts-Gegnerschaft unter Anführung des Schweizer Bauernverbands war erfolgreich. Dies, obschon sie von A bis Z auf nachweislich falschen Behauptungen basierte.
Die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» – ein sehr allgemein gehaltener Verfassungszusatz – hätte weder «die halbe Schweiz zum Biotop» werden lassen, wie der Blick letzte Woche suggerierte, noch die Lebensmittel- oder Stromversorgung in unserem Land gefährdet, wie die Nein-Kampagne behauptete.
Im Gegenteil: Die Annahme der Initiative hätte die Basis geschaffen, das Wirtschaften in unserem Land nachhaltiger und damit auch sicherer, zukunftsfähig zu gestalten. Keine extreme Forderung, wie von der Gegnerschaft ins Feld geführt, sondern eine Frage der Vernunft – die Forderung nach einer Politik, die sich aktuellen Herausforderungen stellt.
Mit Lügen, Angstmacherei und dem Zurückhalten von Fakten, wie es das UVEK unter Bundesrat Rösti im Vorfeld der Abstimmung praktizierte, kann man offenbar Abstimmungen gewinnen. Haushoch sogar, wie sich heute einmal mehr gezeigt hat.
Letztendlich ist es aber nicht mehr als ein Pyrrhussieg: Die heutige Absage an die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» hat zur Folge, dass sich jene Kräfte in unserem Land bestärkt fühlen, die sich um einen umsichtigen Umgang mit unseren Ressourcen foutieren und nichts anderes wollen als weitermachen wie bisher.
Dies gilt auch für die immer noch «konventionell» wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern. Wie in früheren Kampagnen hetzte deren Präsident Markus Ritter gegen Umweltverbände, Wissenschaft, Behörden oder Stadtbewohner:innen und behauptete, sie alle hätten keine Ahnung von Biodiversität – im Gegensatz zu den Landwirt:innen, die sich ja tagtäglich damit befassen würden.
Leider entspricht auch dies nicht der Wahrheit. Zwar beweisen Biobäuerinnen und ‑bauern mit ihrer Arbeit hierzulande Tag für Tag, dass Biodiversität und Landwirtschaft keine Gegensätze darstellen, sondern Hand in Hand gehen können. Doch ausgerechnet sie werden vom mächtigen Bauernverband und ihren Berufskolleg:innen an die Wand gedrängt, angefeindet, mitunter auch bedroht.
Ein JA zur Biodiversitäts-Initiative hätte ihnen den Rücken gestärkt. Das Gegenteil ist eingetroffen. Nicht nur zum Nachteil der Biolandwirtschaft. Der Zustand der Biodiversität und des Klimas in unserem Land wird sich nach diesem Abstimmungssonntag weiter verschlechtern. Das Stimmvolk lässt sich durch Angstmacherei und Lügengeschichten beeinflussen – die Natur nicht.