Lukratives Kirgistan

Seit unse­rer ers­ten Kirgistan-Reise anno 1998 hat mich die­ses schö­ne Land mit sei­ner beweg­ten Geschichte nicht mehr los­ge­las­sen. Entsprechend die Vorfreude auf einen kir­gi­si­schen Kinoabend: Svet-Ake, der «Licht-Dieb» – der aktu­el­le Film aus dem kri­sen­ge­schüt­tel­ten Kirgistan, über einen Elektriker in einem abge­le­ge­nen Dorf. Der Regisseur Aktan Abdikalikow spielt gleich sel­ber die Hauptrolle – Vorankündigung und Kritiken tönen viel versprechend.

Wir freu­en uns auf einen Abend, der uns ins heu­ti­ge Kirgistan ent­führt. Den Hauptdarsteller schlies­se ich von der ers­ten Einstellung weg ins Herz. Wie er die Stromzähler ver­kehrt her­um mon­tiert, damit sie rück­wärts lau­fen, ver­führt bereits zum ers­ten Schmunzeln.  Wie er sich daheim eine eige­ne Stromversorgung bas­telt, sein Traum vom gros­sen Windpark, die Beziehung zu sei­ner Frau, die ihn nicht ganz ernst nimmt und doch heiss liebt – Wohlfühlkino.

Leichtfüssig kommt der Film daher, mit ein wenig Sozialkritik und vie­len Klischees sowie einem Schuss Folklore. Eine wohl­be­kann­te Mischung, wie wir sie aus der Küche der euro­päi­schen Ko-Produktionen bes­tens ken­nen: Seit zahl­rei­che Institutionen gross­zü­gig Fördermittel zur Unterstützung der Filmindustrie in armen Ländern wie Kirgistan zur Verfügung stel­len, ren­tiert sich für hie­si­ge Produzenten die Zusammenarbeit mit Filmemachern aus dem Süden und dem Osten. Der Abspann bestä­tigt den Verdacht: Produziert wur­de Svet-Ake nament­lich von fran­zö­si­schen und deut­schen Produktionsfirmen, die in ihren Ländern zusätz­li­che Fördermittel locker gemacht und auch ARTE/ZDF mit an Bord geholt haben.

Logisch, dass das Drehbuch unter sol­chen Voraussetzungen für ein euro­päi­sches Publikum zurecht­ge­schnei­dert wer­den muss­te. Inklusive tra­di­tio­nel­lem kir­gi­si­schem Schaf-Polo und Bauchtänzerin in der Jurte — eine idea­le Projektionsfläche für hie­si­ge Sozialromantik. Wer zahlt, befiehlt. Das gilt auch in der Filmindustrie. Wie die Geschichte aus­se­hen wür­de, hät­te der Regisseur freie Hand gehabt, wis­sen wir nicht. Aber irgend­wie wer­de ich das Gefühl nicht los, dass es Aktan Abdikalikow mit den deut­schen und fran­zö­si­schen Ko-Produzenten so ergan­gen ist, wie sei­nem Elektriker im Film mit dem Traum vom Windpark und den chi­ne­si­schen Investoren…

Zumindest kann man davon aus­ge­hen, dass der Auftrag für die Filmmusik, die so  «echt» kir­gi­sisch flö­tet, dass dem euro­päi­schen Publikum das Herz schmilzt, ohne Ko-Produktions-Auflagen nicht an den Deutschen Andre Matthias gegan­gen wäre. In einem Land wie Kirgistan, das einst eine blü­hen­de Filmindustrie hat­te, wäre mit Sicherheit ein fähi­ger Komponist zu fin­den gewe­sen, wie auch ein ein­hei­mi­scher Cutter.

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