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Klimawandel – keine Priorität für die SNB

Frei­tag­mor­gen, 25. April. Reise nach Bern, wo die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank SNB im Kur­saal ihre Gene­ral­ver­samm­lung abhält. Wir gehö­ren zu einer Gruppe von Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­ren, die sich dafür ein­setzt, dass die Natio­nal­bank bei ihrer Anla­ge­po­li­tik den Schutz von Klima und Bio­di­ver­si­tät mit­be­rück­sich­tigt. Kon­kret: Die SNB soll keine Aktien und Anlei­hen von Fir­men in ihrem Port­fo­lio hal­ten, deren Geschäfte nach­weis­lich die Umwelt schädigen.

Ange­sichts von Kli­ma­er­hit­zung und Bio­di­ver­si­täts­ver­lust eine wich­tige, drin­gende For­de­rung, die wir anläss­lich der GV erneut vor­brin­gen wol­len. Eine Dis­kus­sion über das Thema hat die Spitze der SNB aber bereits im Vor­feld abge­schmet­tert: Wie schon im Vor­jahr, wei­ger­ten sich Bank­rat und Direk­to­rium, die von über hun­dert Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­ren unter­zeich­ne­ten Anträge zu trak­tan­die­ren, wel­che die Berück­sich­ti­gung von Klima- und Umwelt­kri­te­rien in der Anla­ge­po­li­tik der SNB fordern. 

Nach wie vor behaup­tet die SNB-Füh­rung steif und fest, dass ihr gesetz­li­cher Auf­trag PREISSTABILITÄT! heisse, und nichts ande­res als PREISSTABILITÄT! Ein Begriff, der von Vertreter:innen des Bank­rats und des Direk­to­ri­ums an der Gene­ral­ver­samm­lung gleich dut­zend­fach wie­der­holt wird. Kli­ma­fra­gen, so die SNB-Spitze, hät­ten nichts mit der Erfül­lung die­ses Auf­trags zu tun.

Wir erfah­ren vom SNB-Podium, dass man dort allen Ern­stes glaubt, die Schwei­zer PREISSTABILITÄT! auch bei zuneh­men­den Natur­ka­ta­stro­phen wie ein Fels in der Braun­dung erhal­ten zu kön­nen – durch Weg­schauen und Nichtstun.

Wei­ter wie bisher
Man aner­kennt zwar, dass der Kli­ma­wan­del ein wich­ti­ges Pro­blem sei und ange­gan­gen wer­den müsse, ver­steckt sich aber gleich­zei­tig hin­ter der Behaup­tung, dass der Hebel zur Umset­zung von Umwelt­an­lie­gen anderswo grös­ser sei als bei der Nationalbank. 

Was dabei unter den Tisch gekehrt wird: Mit ihren Inve­sti­tio­nen etwa in Gas- und Oel-Kon­zerne wie Exxon Mobil oder Total­Ener­gies* trägt die Natio­nal­bank direkt zur wei­te­ren Kli­ma­er­hit­zung bei. Mehr noch: Laut Recher­chen der Klima-Alli­anz ent­hält das Port­fo­lio der SNB etli­che Gross­kon­zerne, die mit fos­si­ler Ener­gie Gewinne erzie­len und/​oder nach­weis­lich in Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­skan­dale ver­wickelt sind.

Sol­che Inve­sti­tio­nen ste­hen in kras­sem Wider­spruch zu den eige­nen Anla­ge­richt­li­nien der SNB, die ver­lan­gen: «Die SNB erwirbt keine Aktien oder Anlei­hen von Unter­neh­men, die in die Pro­duk­tion inter­na­tio­nal geäch­te­ter Waf­fen invol­viert sind, grund­le­gende Men­schen­rechte mas­siv ver­letz­ten oder syste­ma­tisch gra­vie­rende Umwelt­schä­den verursachen.»

Ob und wie die SNB diese Richt­li­nien umsetzt und deren Ein­hal­tung kon­trol­liert, bleibt geheim. Nicht ein­mal an der Gene­ral­ver­samm­lung will man dies­be­züg­li­che Fra­gen der eige­nen Aktionär:innen beant­wor­ten. Damit alles nach Pro­gramm und wie am SNB-Schnür­chen abläuft, ist das Abwehr- und Sicher­heits­dis­po­si­tiv im und um den Kur­saal herum gewal­tig – und gewaltbereit.

Macht­de­mon­stra­tion GV
Das bekom­men wir schon vor der eigent­li­chen Ver­an­stal­tung zu spü­ren: Auf öffent­li­chem Boden vor dem Kur­saal wer­den wir 30 aus der gan­zen Schweiz ange­rei­sten Klima-Aktionär:innen von Poli­zei­kräf­ten auf das gegen­über­lie­gende Trot­toir ver­trie­ben. Statt unter dem schüt­zen­den Kur­saal-Vor­dach, ste­hen wir wäh­rend unse­rer kur­zen fried­li­chen Kund­ge­bung buch­stäb­lich im Regen.

Der Zutritt zur GV ist streng bewacht: Sicher­heits­kon­trolle mit Durch­leuch­tung von Hand­ta­sche und Gang durch den Detek­tor­bo­gen. Sobald das geschafft ist, lässt man sich, gegen Vor­wei­sen von ID und Zutritts­karte, an einem Desk das Stimm­ge­rät aushändigen.

Geschafft! Zur Stär­kung gibt’s Kaf­fee und Gebäck auf dem Weg in den Saal. Dort ange­kom­men, ein­schrei­ben als Red­ne­rin – der Platz wird mir von einer Secu­rity-Frau zuge­wie­sen. Sie ach­tet streng dar­auf, dass all jene, die sich für ein Votum wäh­rend der GV anmel­den, sich auch in den für die Redner:innen vor­ge­se­he­nen Sek­tor set­zen. Rund­herum fin­ster schau­en­des Sicher­heits­per­so­nal, breit­bei­nig und mit Knopf­hö­rer im Ohr.

Um 10.10 Uhr – mit zehn Minu­ten Ver­spä­tung, eröff­net dann Bank­rats-Prä­si­den­tin Bar­bara Janom Stei­ner die 117. Gene­ral­ver­samm­lung der Schwei­ze­ri­schen Nationalbank.

Auf räto­ro­ma­nisch eine kurze Begrüs­sung aller Anwe­sen­den – danach ein spe­zi­el­les Will­kom­men auf deutsch an die Vertreter:innen von Bank­rat und Direk­to­rium, die auf dem Podium sit­zen. Dann zählt die Prä­si­den­tin ihre Bankrats-Kolleg:innen im Saal nament­lich auf, freut sich über die «zahl­reich anwe­sen­den Finanzdirektor:innen der Kan­tone», begrüsst die Vertreter:innen vom Bund, die ehe­ma­li­gen Bank­rats­mit­glie­der, die regio­na­len Bei­räte der SNB sowie die Stimm­rechts­ver­tre­te­rin, den Revi­sor von KPMG und zwei Schul­klas­sen aus Thun und Brig, die der GV als Gäste beiwohnen.

Ich höre und warte – warte ver­ge­bens: Eine spe­zi­elle Erwäh­nung der 368 im Saal anwe­sen­den Aktio­nä­rin­nen und Aktio­näre bleibt aus. Die Bot­schaft ist klar und unmiss­ver­ständ­lich: Ich bin hier nur gedul­det, und hätte eigent­lich zuhause blei­ben kön­nen. Frau Janom Stei­ner geht es in erster Linie um das insti­tu­tio­nelle Aktio­na­riat, das dem Bank­rat und dem Direk­to­rium spä­ter in cor­pore und ohne lästige Rück­fra­gen mit fast 100 Pro­zent Zustim­mung die Ent­la­stung ertei­len wird. Wir, die pri­va­ten Aktionär:innen sind bloss Publi­kum und für die SNB ganz offen­sicht­lich eine Quan­tité négligeable.

So nimmt die GV ihren Lauf. Bank­rats­prä­si­den­tin Bar­bara Janom führt als eiserne Lady und Show­ma­ste­rin durch den Vor­mit­tag. Das offen dekla­rierte Ziel: Die sta­tua­ri­schen Geschäfte sol­len schlank und stö­rungs­frei abge­wickelt wer­den, damit man um 13 Uhr zum Steh­buf­fet schrei­ten kann.

In ihrer Prä­si­di­al­rede kommt sie kurz auf unsere abge­schmet­ter­ten Anträge zu spre­chen und wie­der­holt noch ein­mal ihre durch­aus anfecht­bare Begrün­dung, wes­halb man die Trak­tan­den nicht zuge­las­sen habe. Anschlies­send erklärt SNB-Direk­tor Mar­tin Schle­gel in sei­ner Anspra­che, wes­halb die Anla­ge­po­li­tik der SNB auf PREISSTABILITÄT! fokus­siere und fokus­sie­ren müsse, und wes­halb das Klima dabei nicht berück­sich­tigt wer­den könne.

Ver­letzt die SNB ihre eige­nen Vorgaben?
Aller­dings ver­kün­det der glei­che Dr. Mar­tin Schle­gel im Lauf der GV dann auch: «Die SNB hat eine Aus­schluss­po­li­tik von Aktien. Wir basie­ren uns auf all­ge­mein aner­kannte Werte und Nor­men der Schweiz. Und wir hal­ten keine Anteile von Unter­neh­men, die eben diese Werte ver­let­zen. Die Werte sind: Die Ver­let­zung von grund­le­gen­den Men­schen­rech­ten, oder auch Fir­men, die syste­ma­tisch gra­vie­rende Umwelt­schä­den ver­ur­sa­chen; Fir­men, die inter­na­tio­nal geäch­tete Waf­fen her­stel­len oder auch För­de­rer von ther­mi­scher Kohle.»

Bekannt­lich hat die SNB in ihrem Port­fo­lio aber Aktien von Kon­zer­nen, die die­sen Kri­te­rien nicht stand­hal­ten, weil sie tat­säch­lich gra­vie­rende Umwelt­schä­den ver­ur­sa­chen und Men­schen­rechte ver­let­zen, indem sie Erdöl för­dern oder am Kahl­schlag der Ama­zo­nas­wäl­der betei­ligt sind. Da stellt sich die Frage: Kennt der Bank-Chef sein Port­fo­lio nicht, oder nimmt er es mit der Wahr­heit nicht so genau? Dar­auf gibt die Gene­ral­ver­samm­lung keine Antwort.

Wie sehr so eine GV eine pseudo-demo­kra­ti­sche Ver­an­stal­tung ist, wird ins­be­son­dere auch bei den Abstim­mun­gen deut­lich: Ob die Geneh­mi­gung des Finanz­be­richts, die Fest­set­zung der Divi­dende oder die Ent­la­stung des Bank­rats: Prak­tisch alle Geschäfte erhal­ten eine Zustim­mung von über 95 Prozent.

Dis­kus­sion fin­det keine statt. Die Voten der Aktionär:innen sind auf drei Minu­ten beschränkt und wer­den nicht ein­zeln beant­wor­tet. Lau­nig kom­men­tiert Janom Stei­ner die eine oder andere Aus­sage: Man nehme dies zur Kennt­nis, könne jenes lei­der nicht ändern, man würde ja gerne, aber, aber, aber…

Die zahl­rei­chen Wort­mel­dun­gen mit Bezug auf Klima und Bio­di­ver­si­tät wer­den zum Schluss pau­schal von SNB-Direk­tor Schle­gel erle­digt, mit einer offen­sicht­lich vor­be­rei­te­ten, vom Tele­promp­ter abge­le­se­nen Ant­wort. Wenig über­ra­schend fasst er dabei noch ein­mal zusam­men, wes­halb sich die SNB in ihrer Anla­ge­po­li­tik keine Umwelt­kri­te­rien auf­er­le­gen will und betont erneut, dass das gesetz­li­che Man­dat der SNB die Gewähr­lei­stung der PREISSTABILITÄT! sei, und dass dies der aus­schliess­li­che Bei­trag der SNB an eine nach­hal­tige Ent­wick­lung sein könne.

Auf ver­schie­dene kon­krete Punkte geht Schle­gel nicht ein, so auch nicht auf meine Frage betref­fend die man­gelnde Trans­pa­renz der SNB-Bericht­erstat­tung in Bezug auf Umwelt und Bio­di­ver­si­tät, womit sie mei­nes Erach­tens gegen inter­na­tio­nale Ver­träge verstösst.

Das Ange­bot
Doch völ­lig uner­war­tet, lässt der Natio­nal­bank­di­rek­tor zum Schluss dann doch noch eine kleine Katz aus dem Sack: Er betont, die SNB würde ihr «Akti­en­uni­ver­sum von meh­re­ren 1000 Aktien» nach bestem Wis­sen und Gewis­sen dahin­ge­hend prü­fen, dass es den in den SNB-Richt­li­nien auf­ge­führ­ten Anfor­de­run­gen ent­spre­che und schliesst seine Aus­füh­run­gen mit den Wor­ten: «Wir sind aller­dings auch offen für Anre­gun­gen. – Wenn Sie Fir­men wis­sen, von denen Sie den­ken, sie soll­ten nicht bei uns im Anla­ge­uni­ver­sum sein, dann kön­nen Sie sich gerne an uns rich­ten, und wir wer­den das gerne natür­lich auch prüfen.»

Dann ist Schluss. Wir ver­las­sen den Saal unter Beob­ach­tung und Beglei­tung von zahl­rei­chen Body­guards mit Knopf­hö­rer im Ohr. Die bren­nende Frage im Gespräch mit unse­ren Mitaktionär:innen im Foyer: Wie gross ist die Offen­heit für Anre­gun­gen tat­säch­lich? Und wird die SNB sol­che Prü­fungs­er­geb­nisse 2026 (oder schon vor­her) veröffentlichen?

Die Skep­sis bleibt gross. Die Erkennt­nis aus der heu­ti­gen GV: Die ein­zige Spra­che, die Bank­rats­prä­si­den­tin Janom Stei­ner und ihre Leute ver­ste­hen, ist die juri­sti­sche. Wenn es nicht anders geht, muss die SNB auf die­sem Weg dazu gebracht wer­den, sich an ihre Ver­pflich­tun­gen zu halten.


*Der Ener­gie­kon­zern Total­Ener­gies rühmt sich auf sei­ner Web­site, seine CO2-Emis­sio­nen bis 2050 auf Net­to­Null zu redu­zie­ren – und fei­erte am 21. April die Eröff­nung eines neuen Off­shore-Oel­felds in den USA:

IM PORTFOLIO DER SNB:


Eine Zusam­men­fas­sung der Klima-Voten an der SNB-GV 2025:


Mein Votum an der GV, betref­fend feh­lende Trans­pa­renz und Auskunftsverweigerung:


Nach voll­brach­ter GV – vor dem Steh­lunch: Streng bewacht posiert die SNB-Crew fürs Familienalbum…

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