Es ist Karfreitag und wer kann, entflieht der Stadt. Ab in die blühende Natur — saftiges Grün, wärmende Sonnenstrahlen, erste Segelschiffe auf dem blau funkelnden See. Schritt um Schritt steigen wir hoch, einen steilen Pfad hinauf – auf der Felsenegg ein Cüpli, dann weiter Richtung Albis. Vögel zwitschern, der Wind säuselt sanft in den Blättern. Familien sind unterwegs, Menschen spazieren mit ihren Hunden, Wandererinnen und Wanderer wie wir.</p>
<p>Und plötzlich von hinten ein eigenartiges Rauschen, gefolgt von einem forsch freundlichen «Grüezi». Schnell geben wir den schmalen Weg frei — schon holpern zwei gestylte Gestalten an uns vorbei. Er vorne, sie klebt an seinem Hinterrad. — Kaum sind sie um die nächste Kurve verschwunden (wir befinden uns gerade auf einem leicht abschüssigen Teil des Weges), ertönt in unserem Rücken das nächste «Grüezi».
«Das Klingeln auf Wanderwegen ist zu unterlassen, weil es Hindernisse wie z.B. Fussgänger auf den Trails nicht nur erschrickt, sondern sie u.U. auch erzürnt. Empfohlen wird ein deutliches «Grüezi» – dies verschafft Goodwill und verhilft zur freien Fahrt.» So oder ähnlich muss es in ihrem Leitfaden stehen. Anders ist das hartnäckige Grüssen der Biker, die uns in diesem nicht wirklich fürs Radfahrern geeigneten Gelände begegnen, kaum zu verstehen. Dabei könnten sie sich ihr «Grüezi» eigentlich sparen: Wer mit dem Bike unterwegs ist, hat das Recht des Stärkeren auf seiner Seite. Angesichts des rasanten Tempos, mit dem sie in Downhill-Partien über Wurzeln und Stöcke rasseln, aber auch dort, wo sich der Weg ohne grosse Steigung durch den Wald schlängelt: Der Zusammenprall mit solch einem Stahlross und seinem behelmten Reiter könnte höchst unangenehme Folgen haben – also geben wir den Weg «freiwillig» frei.
Ein wenig tun sie uns ja auch leid – vor allem, wenn jenen, die uns entgegen kommen, das «Grüezi» beim Bergauf-Rackern vor lauter Atemlosigkeit fast im Hals stecken bleibt. Doch auch für uns geht es bald wieder aufwärts — und wir holen jene, die sich vor wenigen Minuten noch die Überholspur frei gegrüsst haben, schnell wieder ein, ziehen sogar an ihnen vorbei. Unsere (Schaden-)Freude ist allerdings nicht von Dauer. — Ein paar Schritte nur, schon schwingen sich die Biker wieder auf ihre Räder, weil eine kurze Abfahrt lockt. «Grüezi» – wir springen zur Seite. Dann aber ist uns das Glück wieder hold. Beim Aufstieg zum Albishorn machen wir Boden gut. Vor uns, ihr Powerbike schiebend, schnauft die Sonntagsfahrerin im engen Raddress, trotz schicker Sonnenbrille und dazu passendem Helm, ganz unelegant. Und der Erschöpfung nahe. Wir bremsen unseren Schritt, wollen sie nicht blamieren – und uns nicht der Gefahr eines erneuten Überholmanövers aussetzen…
Ihre Rettung kommt von oben: Ebenfalls durchgestylt, aber offenbar mit gestählteren Muskeln als sie, hat sich ihr Begleiter längst fahrenderweise den Berg hochgequält und kommt ihr entgegen. Und weil er ihr nun das Rad abnimmt, hat sie die einmalige Chance, auf den letzten Metern des Aufstiegs zu erleben, wie leicht und genussvoll man sich in diesem Gelände fortbewegen kann.