Seit dem 2. März blockiert Israel jegliche humanitäre Hilfe für Gaza. 3000 Lastwagen stehen seit Wochen an der Grenze. Aushungern ist keine Kriegstaktik, sondern ein scheussliches Verbrechen.
Der hauptverantwortliche Täter heisst Netanjahu und ist seit November 2024 zur Verhaftung ausgeschrieben. Israelische Soldat:innen töten und verletzen in seinem Auftrag erneut Tag für Tag Dutzende von Menschen, seit Israel vor sechs Wochen den Waffenstillstand gebrochen hat. Unter ihnen (durch das humanitäre Völkerrecht speziell geschützt) medizinisches Personal, geflüchtete Familien, Journalisten – in Spitälern, Schulen, Zelten.
Hat Israel eigentlich einen Freipass zum Morden? Zwar wächst die Kritik auf diplomatischer Ebene – doch viel mehr als Ermahnungen und Appelle hat es bislang nicht gegeben. Im Gegenteil: Die USA und ihre Verbündeten beliefern Israel nach wie vor mit Waffen, und rühren keinen Finger für die gemarterten Menschen in Gaza.
Die UNO versucht zwar, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, Israel in die Schranken zu weisen. Doch sie ist weitgehend handlungsunfähig – nicht zuletzt, weil sich die USA weiterhin ohne Wenn und Aber hinter Israel stellen.
Einziger Lichtblick ist die Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag, die Netanjahu vor die Schranken des Welt-Gerichts bringen will.
Die UNO-Generalversammlung hat den IGH mit einem Gutachten beauftragt, zur Klärung, ob Israel dazu verpflichtet ist, humanitäre Hilfe zuzulassen und ob es mit dem seit Anfang Jahr geltenden UNRWA-Verbot humanitäres Völkerrecht gebrochen hat.
Über 40 Länder waren diese Woche aufgerufen, vor dem 15köpfigen Richtergremium ihre Sicht der Dinge darzulegen. Israel verweigerte eine Aussage vor dem Gericht und blieb der Anhörung fern, was kein gutes Licht auf den angeklagten Staat wirft. Stattdessen wies die israelische Regierung in einem Schreiben pauschal auf die prekäre Sicherheitslage Israels hin, die ihrer Meinung nach ihre Kriegsführung in Gaza rechtfertige.
Die anderen Staaten waren mit einer Delegation an den Verhandlungen in Den Haag vertreten. Aus ihren Statements ging klar hervor, dass Israel mit seinem Krieg in Gaza das humanitäre Völkerrecht und die Charta der Menschenrechte gleich mehrfach bricht.
Für Schlagzeilen sorgten einzig die Ausführungen von Joshua Simmons, dem Vertreter der USA. Im Gegensatz zu den anderen Sprecher:innen agierte er als Verteidiger Israels und behauptete, dass das Verbieten und Behindern von UNRWA-Hilfsaktivitäten aufgrund israelischer Sicherheitsbedürfnisse legitim sei und nicht gegen die Genfer Konvention verstosse.
Eine etwas andere Perspektive vertrat der Delegierte aus der Schweiz, der in seinen Ausführungen ebenfalls auf die Sicherheitsinteressen von Israel einging. Diese müssten jedoch im Rahmen des geltenden Völkerrechts gewährt werden, so die Forderung der Schweiz. Genauso, wie die Palästinenser das ihnen zustehende Selbstbestimmungsrecht nur im Rahmen des geltenden internationalen Rechts einfordern können.
Israel als Mitglied der UNO und Besatzungsmacht müsse mit sämtlichen UN-Organisationen kooperieren auch mit der UNRWA. Diese spiele eine zentrale Rolle in Gaza und habe mittlerweile den Nachweis erbracht, dass sie sich konform verhalte, so das Statement der Schweiz.
Der Schweizer Vertreter räumte jedoch ein, dass es durchaus mögliche Friktionen zwischen der Tätigkeit der UNRWA und Israels Sicherheitsbedürfnis gebe. In diesen Fällen müsse gemeinsam mit der UNO nach Lösungen gesucht werden. Ausnahmen zum geltenden humanitären Völkerrecht setzten voraus, dass der kriegführende Staat die Gefahr konkret benennen könne, dass diese Gefahr einen kriegerischen Eingriff legitimiere und dass und es einen direkten Kausalzusammenhang gebe zwischen dem Eingriff und der Gewährung von Sicherheit…
Die Anhörungen vor dem IGH sind öffentlich und werden gestreamt. Weil ich mir das Schweizer Statement anhören wollte, habe ich mich gestern Vormittag ins UN-WebTV eingeloggt.
Als erster Redner war der Vertreter Chinas an der Reihe. Er stellte gleich am Anfang klar: «China unterstützt die gerechte Sache der Palästinenser.» Es folgte eine eindrückliche Lektion über humanitäres Völkerrecht, die Menschenrechte und die zentrale Rolle der UNO, die rundum zu respektieren sei.
Ein Plädoyer, wie aus einer Völkerrechtsvorlesung, das ich so von China nicht erwartet hatte. Mit der klaren, auf internationales Recht gestützten Forderung an Israel, die Kriegsopfer in Gaza zu unterstützen, statt ihnen Hilfe zu verwehren. Als UNO-Mitglied deren Gesetze zu respektieren und der Feststellung: Mit der Blockade wie auch mit dem UNRWA-Verbot verletze Israel klar internationales Recht.
Angesichts der aktuellen Situation drängte er auf entschiedenes Handeln, damit nicht «die Säule der Zivilisation vor dem Gesetz des Dschungels zurückweicht» und kam zum Schluss: «Nur wenn Fairness und Gerechtigkeit durch Gesetze gewährleistet sind, können wir für die Menschheit eine gemeinsame Zukunft aufbauen.»
Während die Schweiz mit ihrem Statement unüberhörbar darum bemüht war, einmal mehr «Neutralität» zu demonstrieren und Israel mit Samthandschuhen anzufassen, stellten sich die anderen Redner:innen an diesem Vormittag des 2. Mai auf die Seite der Palästinenser:innen und forderten laut und deutlich ein Ende des Mordens. Der Sprecher der Komoren, wie der Vertreter der Schweiz mit dezent roter Krawatte und dunklem Anzug, trug über seinem Kittel gar eine Kufiya. Da staunt das Schweizer Diplomat:innenkorps…
Ich bin gespannt, wie das Gutachten des IGH ausfallen wird, nach all den Argumenten, die Israels Kriegsstrategie scharf verurteilten. Das Fazit der Anhörungen ist eigentlich klar. Ob die Argumente des Vertreters der Komoren gleich gewichtet werden wie die amerikanischen, werden wir bald erfahren. Bis dahin, und wahrscheinlich bis zum jüngsten Gericht wird Israel weiter machen, wenn es nicht bald mit scharfen Sanktionen belegt und zur Vernunft gezwungen wird.
Aktuelle Meldung vom 3. Mai 2025 der Schweizerischen Depeschenagentur SDA:
https://www.bluewin.ch/en/news/international/usa-and-israel-want-to-bypass-hamas-in-delivering-aid-to-gaza-2677841.html
Zahlreiche Tote bei israelischen Luftangriffen
Nach palästinensischen Angaben sind bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen erneut mehrere Menschen getötet worden. Allein zehn Opfer – darunter auch Minderjährige – wurden gemeldet, als das Haus einer Familie in Al-Bureij im Zentrum des Gebiets getroffen wurde, wie das Personal des nahen gelegenen Al-Aksa-Krankenhauses in Deir al-Balah mitteilte. Weitere sechs Palästinenser wurden nach Angaben aus medizinischen Kreisen bei einem israelischen Angriff auf eine Suppenküche in der Stadt Gaza getötet. Die Angaben konnten zunächst nicht verifiziert werden.