Inszenierungen

Das Stück war makel­los: Von lan­ger Hand minu­ti­ös vor­be­rei­tet, mehr­fach geprobt und schliess­lich detail­ge­treu auf­ge­führt. Alle in die­sen schwe­ren Zeiten nach Romantik dürs­ten­den Seelen kamen voll auf ihre Rechnung, inklu­si­ve Happyend. — Ein Livespektakel wie zu Cäsars Zeiten. Das Motto Brot und Spiele funk­tio­niert auch im 21. Jahrhundert.

Schon Shakespeare wuss­te: Die gan­ze Welt ist eine Bühne – aller­dings sind die heu­ti­gen Frauen und Männer längst kei­ne Schaupieler mehr – zu sehr sind wir mit zuschau­en und stau­nen beschäf­tigt. Kaum waren die Hochzeitsglocken ver­klun­gen, folg­te schon das nächs­te Stück. Ob es sich dabei um eine Tragödie, ein Märchen oder gar eine Komödie han­delt, ist noch ungewiss.

Für Drehbuch und Regie der Inszenierung, die unter dem Namen «Die Tötung des Osama bin Laden» in die Geschichte ein­ge­hen dürf­te, zeich­nen die Vereinigten Staaten von Amerika ver­ant­wort­lich. Neidlos muss man der Crew um Shootingstar Barrack Obama zuge­ste­hen: eine sol­che Meisterleistung schaff­te bis­her nicht ein­mal Hollywood.
Noch sel­ten wur­den dra­ma­tur­gi­sche Mittel so raf­fi­niert ein­ge­setzt: Immer neue wun­der­li­che Enthüllungen hal­ten das Publikum welt­weit bei der Stange. Kolportiert wird alles, was nützt. Ohne Rücksicht auf Plausibilität.

So berich­ten ver­schie­de­ne Zeitungen, gestützt auf Quellen aus Washington, der Aufenthaltsort Osamas sei dank einem Tipp aus Guantanamo auf­ge­flo­gen. Elegant, wie dem Publikum auf die­se Art und Weise klar gemacht wird, dass die Sache mit dem umstrit­te­nen Gefangenenlager eben doch sei­ne Berechtigung hat.

Doch auch das Melodramatische hat sei­nen Platz: Definitiv erken­nen die ame­ri­ka­ni­schen Helden den meist­ge­such­ten Mann der Welt, als ihn eine Frau beim Namen ruft. Dieser dra­ma­ti­sche Höhepunkt des Geschehens wird wei­ter zuge­spitzt: Nun ver­steckt sich der Bedrohte fei­ge hin­ter sei­ner jüngs­ten Ehefrau. Diese stürzt sich, dies die (vor­läu­fig) letz­te Version des Drehbuchs, mit blos­sen Händen auf die schwer bewaff­ne­ten Elitesoldaten. Vergeblich, wie wir wissen.

Oder zu wis­sen glau­ben. Was hier Fiktion, was Tatsachenbericht, scheint kaum jeman­den zu inter­es­sie­ren. Das Weisse Haus ver­öf­fent­licht Bilder, die sug­ge­rie­ren, dass Hillary Clinton und Obama die Liquidierung ihres ärgs­ten Feindes live am Bildschirm mit­ver­fol­gen. Nur, um Stunden spä­ter zu dementieren.

Derweil stürmt die Meute der Sonderkorrespondenten den angeb­li­chen Originalschauplatz der Geschichte. Allerdings hat ihnen die Regie dies­mal nur eine Statistenrolle zuge­dacht: Ein paar Bilder von Stacheldraht und dem Wohnhaus – aus ange­mes­se­ner Distanz. Erstaunte Stadtbewohner und die Jugend aus der Nachbarschaft. Ein zwölf­jäh­ri­ger Junge zeigt sei­ne her­zi­gen Kaninchen, die er von den Bewohnerinnen des Bunkers geschenkt bekom­men habe. Und die nun über die Weltbühne hop­peln. Quasi als Intermezzo — weil das Stück in vol­lem Gang ist und Washington die vor­ge­se­he­ne Sequenz mit den Bildern des Toten vor­erst mal zen­su­riert hat.

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