Mitte Januar 2025 halten sich die Schneemengen in den Schweizer Alpen in Grenzen. Die Rede ist hier selbstverständlich nicht von den mit viel Wasser und Energie künstlich produzierten kostbaren Schneekristallen. Beschneit wurde und wird nämlich, wo immer es geht, auf Teufel komm raus.
Trotzdem blieben in den letzten Wochen einige Pisten in höheren Lagen geschlossen. Weil die mickrige Schneedecke im felsigen Hochgebirgsgelände nicht ausreichte, und künstliche Beschneiung halt doch nicht ganz überall funktioniert…
Ein Beispiel dafür ist die Lagalb ob Pontresina, wo es vom 9. bis 26. Januar viel Sonnenschein, aber keine Niederschläge gab. Der obere Teil der Pisten könne nicht beschneit werden, hiess es von Seiten der Betreibergesellschaft, weil der Boden im Permafrostgebiet liegt und die für die Beschneiung notwendigen Wasserleitungen dort gesprengt würden.
Während des «Januarlochs» war der Ausfall der Lagalb-Pisten offenbar verkraftbar. In dieser Zeit blieb man allerdings nicht untätig: Die Schneekanonen in den unteren Lagen liefen auf Hochtouren und produzierten, was das Zeug hielt. Mit Pistenfahrzeugen wurde der Kunstschnee dann den Berg hinaufgeschoben – ein Riesenaufwand mit einer Energie- und Wasserverschwendung ohnegleichen. Für eine Tourismus-Industrie, deren Ausbau immer absurdere Formen annimmt.
Immerhin: Auf der Lagalb schaffte man es, trotz fehlender Niederschläge und einem frühlingshaften Föhneinbruch das Skigebiet pünktlich auf das letzte Januarwochenende und den Beginn der ersten Sportwochen im Unterland in Betrieb zu nehmen. Auf dass die anspruchsvollen Kund:innen beim Pistenvergnügen auf ihre Kosten kommen – und der Wintertourismus weiterhin brummt.
Die Lagalb ist kein Einzelfall. Schweizweit produzieren Beschneiungsanlagen, wann immer es die Temperaturen erlauben, Tag für Tag Tonnen von Schnee. Ohne Kunstschneeproduktion könnte heutzutage längst kein Skigebiet mehr aufmachen, liess Markus Moser, Chef der Betreibergesellschaft im Engadin gegenüber TA-Media verlauten.
Damit nicht genug. Der Aufwand, den die Wintersportorte betreiben, um ihre Kund:innen bei Laune zu halten, ist immens: Jeweils am späten Nachmittag, sobald der Bahnbetrieb eingestellt ist und die letzten Skifahrer:innen die Pisten verlassen haben, rückt eine Armada von Pistenfahrzeugen aus, um in nächtlicher Schwerarbeit die Pisten wieder auf Vordermann zu bringen, auf dass am nächsten Tag wieder auf tadellosem Untergrund geglitten und gerast werden kann.
Zugegeben: Auch ich gehöre noch zur Gilde der Skifahrer:innen und geniesse am Morgen jeweils die frisch präparierten Pisten, wo sich Schwung an Schwung reiht, ohne dass man viel dazu beitragen muss. Gleichzeitig denke ich voller Nostalgie an die Buckelpisten zurück, an welchen wir uns einst abgerackert haben; an die Fahrten über Stock und Stein, in unpräpariertem Gelände…
Dieser Tage sind es 70 Jahre, dass sich meine Eltern beim Skifahren in Arosa kennengelernt haben. Ein Leben lang haben sie von ihren damaligen Erlebnissen geschwärmt und uns ihre Liebe zu Bergen und Schnee weitergegeben.
Allerdings war es eine andere Zeit – nichts ist mehr vergleichbar. Damals gab es in Arosa gerade mal vier Skilifte – die Gondelbahn aufs Weisshorn nahm ihren Betrieb erst zwei Jahre später auf. Um auf den Gipfel zu gelangen, schnallte man sich damals noch Felle unter die Skier.
Auch präparierte Pisten, wie sie heute gang und gäbe sind, gab es nicht. Die Skifahrer:innen sorgten mit ihren eigenen Brettern dafür, dass mit der Zeit so etwas wie eine Piste entstand. Und wenn es geschneit hatte, legten sie frische Spuren in den Schnee – ein ganz besonderes Vergnügen.
Natürlich waren es damals nicht diese Massen an Skifahrenden, wie wir sie heute kennen und auch brauchen, damit sich das Ganze rechnet und die Tourismusindustrie weiterhin floriert. Damit allerdings, ist im Vergleich zu Anno dazumal auch viel verloren gegangen. Oder, wie es mein damals 90jähriger Vater vor ein paar Jahren formuliert hat : «Man war einfach draussen, in der Natur. Fröhlich und ausgelassen. Dieser ganze Kommerz – den gab es damals noch nicht. Der spielte keine Rolle.»
Schaue ich heute dem Treiben auf den Skipisten zu, komme ich zum Schluss: Die Menschen können immer noch fröhlich und ausgelassen sein – der Kommerz ist dabei kein Hindernis. Allerdings verdrängen wir dabei allzu gerne, dass auch die Zeit des aktuellen Skirummels bald abgelaufen ist.
Auch wenn die Touristiker:innen in unseren Alpendestinationen nach altbekannter Vogelstrausspolitik den Kopf in den Sand stecken und ihre Resorts ständig weiter ausbauen: Der Tag wird kommen, an dem das Wasser zu knapp, die Temperaturen zu hoch sein werden, um den Skitourismus länger am Leben zu halten,.
Möglicherweise schon bald: Je mehr Energie in die fehlgeleitete Tourismusmaschine gesteckt wird, desto schneller schaufelt sie sich ihr eigenes Grab.
PS:
Aktuell meldet Bergfex für das Skigebiet Diavolezza – Lagalb eine Schneehöhe von 95 Zentimeter – das ist fast ein halber Meter mehr als noch letzte Woche. Trotzdem sind die Pisten heute geschlossen, die Bahn transportiert nur Fussgänger:innen. Der Grund: Lawinengefahr…