Bunte Bilder, grosse Kinderaugen, herzige Geschichten – die Entwicklungsorganisation Helvetas weiss, wie man Menschen berührt. Das hat im Geschäftsjahr 2022 über 40 Millionen Schweizer Franken eingebracht. Überwiesen von Spenderinnen und Spendern, die mit ihrem Geld Helvetas’ Engagement für die Ärmsten dieser Welt unterstützen.
Ein beachtlicher Betrag – der allerdings gerade mal einem Viertel der Gesamteinnahmen von Helvetas entspricht, wie dem neuesten Jahresbericht zu entnehmen ist. Längst hat sich die einstige von ihren Mitgliedern und Unterstützer:innen getragene Wohltätigkeitsorganisation zu einem NGO-Konzern gemausert, der im Geschäft mit Entwicklung und Armut ganz vorne mitmischt. Das Unternehmen ist so erfolgreich, dass es mittlerweile über Tochtergesellschaften in den USA und in Deutschland verfügt. Was einst als «Hilfe für die Ärmsten» begonnen hat, ist zum Business geworden. Heute verkauft Helvetas seine Dienstleistungen für teures Geld an UN-Organisationen, Staaten und Unternehmen.
Helvetas agiert dort, wo Elend herrscht und westliche Hilfsorganisationen mit- und gegeneinander ihre Fäden ziehen. Die agile PR-Abteilung am Hauptsitz in Zürich operiert nach dem Motto «tue Gutes und lass die Medien darüber berichten».
So war es nicht weiter erstaunlich, dass nach dem Putsch in Niger Ende Juli 2023 der Helvetas-Mitarbeiter Bétou Bizou aus Niamey auf Schweizer Kanälen quasi flächendeckend seine Einschätzungen zur Situation vor Ort verbreiten durfte.
Laut der Helvetas-Website unterhält das Entwicklungsunternehmen in Niger ein Landesprogramm mit Schwerpunkt Wasser und Hygiene, das durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA mitfinanziert wird. Wo und was genau für Projekte Helvetas in Niger umsetzt und wieviele Mittel dort investiert werden, ist online genauso wenig in Erfahrung zu bringen, wie die genaue Funktion des gelernten Soziologen Bétou Bizou.
Man darf jedoch davon ausgehen, dass das Engagement von Helvetas in eine ähnliche Richtung zielt wie jenes von weiteren Schweizer Entwicklungsorganisationen, die ebenfalls in Niger tätig sind, etwa Swisscontact oder Swissaid.
Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Menschen leiden seit Jahren unter extremer Trockenheit, Misswirtschaft, Gewalt und politischer Instabilität. Die ehemalige französische Kolonie ist gleichzeitig Sorgen- wie auch Lieblingskind der westlichen (auch der schweizerischen) Entwicklungspolitik. Seit sich die Nachbarländer Mali und Burkina Faso vom Westen abgewandt haben, blieb – bis zum Putsch vom Juli – Niger als letzte Bastion mit einer «demokratisch gewählten» Regierung.
Die DEZA ist mit einem eigenen Kooperationsbüro in Niger präsent. Im Sommer 2022 stattete der damalige Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis dem armen westafrikanischen Land einen Blitzbesuch ab – in Begleitung der Schweizer Illustrierten.
In seltener Offenheit tat er damals kund, wo das Hauptinteresse der Schweiz für die Unterstützung eines der ärmsten Länder dieser Welt liege: «Niger ist entscheidend für die Stabilität Afrikas, aber auch für Europa», lässt sich Cassis in der SI zitieren. «Migranten aus Staaten wie Mali, Burkina Faso oder Nigeria durchqueren das Land, um nach Libyen zu kommen und von dort das Mittelmeer zu überqueren. Darum möchten wir die Beziehungen zu Niger stärken.»
Mit anderen Worten: Die Hilfsgelder, die nach Niger fliessen, sind Teil einer politischen Strategie und ein Druckmittel, um die Regierung von Niger zur Kooperation bei der «Eindämmung der Migrationsströme» zu zwingen. Doch die Interessen des Westens gehen noch weiter:
Dank der Berichterstattung in der Nachfolge des Putschs vom Juli kennen wir mittlerweile weitere Gründe, weshalb Niger so wichtig ist für den Westen. So war zuvor kaum jemandem bekannt, dass nebst französischen auch deutsche Soldaten in Niger stationiert sind, und die USA dort eine Militärbasis unterhalten.
Niger gehört nämlich zu den weltweit wichtigsten Uranlieferanten. Das Geschäft mit dem umwelt- und gesundheitsschädigenden Erzabbau wird bis heute von Frankreich aus gelenkt. Und dient in erster Linie der französischen Atomwirtschaft.
Da schliesst sich der Kreis- – Zurück zu Helvetas: Diesen Sommer haben Schweizer Energieunternehmen mit Frankreich erneut einen Vertrag unterzeichnet, wonach die Schweiz jährlich bis zu 1500 Gigawattstunden billigen Strom aus Frankreich beziehen kann. Atomstrom, der seit Jahrzehnten und auch in Zukunft mit Uran aus Niger produziert wird. Vorausgesetzt, das Land bleibt abhängig vom Westen und den westlichen Bergbaukonzernen, die dafür sorgen, dass der atomare Brennstoff nach Frankreich geliefert wird.
Die von Akteuren wie Helvetas und der DEZA organisierte Stabilität in Niger hat letztendlich zum Ziel, dass hierzulande weiterhin der stabile Bezug von billigem Atomstrom gesichert ist. Die Entsorgung der Abfälle überlassen wir grosszügig den Franzosen. Lieber spenden wir für die Armen in Niger, auf dass weiterhin Uran für unseren Wohlstand gefördert werde.