Der Boom ist nicht neu: Seit die Lebensmittelindustrie Blaubeeren zum Superfood erklärt hat, geht das Geschäft mit den kleinen blauen Früchten durch die Decke. Längst vorbei sind die Zeiten, als man die kleinen, schmackhaften Heidelbeeren im Wald selber pflückte und sich so sein doppelt köstlich schmeckendes Heiti-Dessert mit eigenen Händen verdient hat…
Heute gehören Heidel- oder Blaubeeren zum Grundsortiment im Supermarkt. Und das rund ums Jahr. Sogar Krankenkassen werben für deren Konsum. «Mehr Sehkraft in Sicht: Heidelbeere», titelt etwa Helsana. «Heidelbeeren sind das heimische Superfood schlechthin» heisst es bei der CSS. Was sie allerdings verschweigt: Die meisten Heidelbeeren, die bei uns über den Ladentisch gehen, haben mit «einheimisch» nichts am Hut.
Schon gar nicht im Winter: Bei uns reifen die Beeren zwischen Juli und September. 2023 stammten nicht einmal sieben Prozent der über 9000 Tonnen Heidelbeeren, die in der Schweiz verzehrt wurden, aus heimischer Produktion.
Aktuell kommen die Beeren, die uns eingeschweisst in Plastikgebinden auf den Supermarkt-Regalen anlocken, aus Peru. Einem Land, wo Blaubeeren noch vor wenigen Jahren kaum bekannt waren.
Heute ist Peru der grösste Heidelbeer-Exporteur der Welt. Dies dank der Weiterentwicklung von aus Nordamerika stammenden Blaubeersorten, die für die Anbau- und Abnahmebedingungen der peruanischen Exportlandwirtschaft optimiert wurden.
Die schwindelerregenden Produktionssteigerungen beim Blaubeeranbau in Peru sind eine wahre Erfolgsgeschichte für die Agroindustrie: Seit 2016 sind jährlich fast 3000 Hektar neue Produktionsflächen hinzugekommen.
In den ersten vier Monaten von 2024 vermeldete das peruanische Agrarministerium bei der Blaubeer-Produktion ein Wachstum von 110 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit hat das «blaue Gold», wie man die kleinen Früchte in Peru heute nennt, andere Agrarexportprodukte wie Avocados, Spargeln oder Mangos längst überflügelt.
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Angebaut werden die Blaubeeren auf riesigen Plantagen, mitten in der Wüste. Weil die Pflanzen im kargen Wüstenboden nicht gedeihen würden, wachsen sie in Plastikbehältern, gefüllt mit Kokos-Substrat, das aus Sri Lanka importiert wird.
Für die Bewässerung der Agro-Industrieplantagen, deren Anbaugebiete laufend erweitert werden, reicht das natürlich anfallende Schmelzwasser aus den Anden längst nicht mehr. Als Folge des Klimawandels ist das Gletschereis in den Anden in den letzten Jahrzehnten um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
Um die Wüste auf Teufel komm raus «fruchtbar» zu machen, investiert Peru, zusammen mit Entwicklungs- und Industriepartnern, in den Bau von riesigen Bewässerungssystemen. Mittels weitläufiger Tunnelsysteme wird ein Teil des Wassers aus dem Amazonas-Einzugsgebiet in Stauseen umgeleitet, die den Landwirtschaftszentren entlang der Küste als Wasserreservoirs dienen.
Angesichts der aktuellen klimatischen Entwicklungen ein mehr als riskantes Unterfangen: Weite Regionen Lateinamerikas leiden unter den Folgen einer langanhaltenden Trockenheit. Im September 2024 verzeichneten die Flüsse im Amazonasgebiet einen Rekordtiefstand. «Peru: Tausende Arbeitsplätze in der Landwirtschaft aufgrund von Dürreperiode in Gefahr», titelte Fruitnet Media International, die Plattform der internationalen Agroindustrie, im Oktober 2024. Dies, weil auch das Wasser in den Stauseen auszugehen drohte…
Vorläufig scheint die Blaubeer-Produktion allerdings wieder auf Hochtouren zu laufen. Peru ist aktuell der einzige Produzent, welcher den Markt auch in den Monaten September bis November beliefert. Damit die Früchte die gut dreiwöchige Schiffsreise nach Europa schadlos überstehen, werden sie in Kühlcontainern transportiert und vorgängig mit Fungiziden besprayt, damit sie nicht schimmlig werden.
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Guten Appetit! Der Superfood vom andern Ende der Welt ist nicht nur für die Umwelt superschädlich: Wie die TV-Sendung Kassensturz schon 2020 aufgedeckt hat, enthalten die Beeren nebst den vielgepriesenen Wirkstoffen fürs Immunsystem, den Darm oder die Augen auch eine ganze Reihe von Giftstoffen…
Deshalb: Finger weg von den Blaubeeren aus der Wüste, die uns in den Regalen unserer Supermärkte vorgesetzt werden! Bald schon ist wieder Sommer – die richtige Zeit, um die Wunderbeere mit all ihren Eigenschaften zu geniessen. Am besten selbstgepflückt, in der Nachbarschaft oder im nahegelegenen Wald… Und um einiges geschmackvoller als die wässerigen, grossen Beeren aus Südamerika.