Bild: © BKW
Das sogenannte Stromgesetz wird unser Land in eine grüne, nachhaltige Zukunft mit gesicherter Stromversorgung führen. So steht es im aktuellen Bulletin «meines Energieversorgers», so lautet das Mantra, das grüne Politiker:innen, Seite an Seite mit Wirtschaftsvertreter:innen und den Stromkonzernen dieser Tage unermüdlich herunterbeten.
Ein JA zum Stromgesetz sei zwingend – wer das hinterfrage oder gar ablehne, gefährde die dringend notwendige Energiewende. Eine Stromlücke drohe, heisst es. Und ein NEIN zum Stromgesetz könne gar den Bau neuer AKWs nach sich ziehen, lauten die Schreckensszenarien, die uns aufgetischt werden.
Mit Verlaub, das ist Nonsens. Erstens, weil das neue Stromgesetz eine nachhaltige, zukunftsfähige Energiewende eher verhindert als befördert. Und zweitens, weil neue AKWs schlicht nicht finanzierbar sind – auch wenn der langjährige Kernenergie-Promotor Prof. Züttel an der ETH-Lausanne das Gegenteil behauptet und Prognoserechnungen anstellt, dass sich die Balken biegen.
Fakt ist: Die neuen Bestimmungen, die mit dem Stromgesetz eingeführt werden sollen, sind das Resultat eines erfolgreichen Powerplays der Energiewirtschaft. Dass diese, nach ihrem fruchtbaren Lobbying im Bundesparlament, nun alles daransetzt, das für sie so vorteilhaft ausgefallene Gesetz bei der Abstimmung vom 9. Juni in trockene Tücher zu bringen, ist nicht weiter erstaunlich.
Stromkonzerne, Demoskopen und Umweltschutz im gleichen Boot
Nachvollziehbar ist auch, dass die Energiekonzerne viel Geld in die Hand nehmen, um ihr Image grün zu tünchen. Auf dass ihr bislang so erfolgreiches Geschäftsmodell auch in der postfossilen Welt weiterhin prosperiert. Das heisst in erster Linie Geld verdienen — und erst mit zweiter Priorität das Land zuverlässig mit eigenem Strom zu versorgen.
Verstörend hingegen ist, wer sich von der Propagandamaschine der Elektrizitätswirtschaft alles alles über den Tisch ziehen lässt. Oder ist auch das nachvollziehbar? Angesichts der Tatsache, dass wir dieser Tage auf praktisch allen Kanälen auf ein JA eingestimmt werden. Wobei alle Mittel erlaubt zu sein scheinen, auch unlautere, die einmal mehr an der mit Geld manipulierten, realen Demokratie zweifeln lassen.
So werden etwa Stromgesetz-Kritiker:innen wie Vera Weber oder Elias Vogt in den Medien gezielt als Ewiggestrige und Verschwörungstheoretiker hingestellt und lächerlich gemacht — ihre Sachkenntnis und Argumente hingegen werden unter den Tisch gekehrt. Andere Kritiker wie Staatsrechtsprofessor Alain Griffel oder Landschaftsschutz-Pionier Hans Weiss kommen in den Medien schon gar nicht zu Wort.
Dabei sind sie nicht allein: So hat zum Beispiel Köbi Gantenbein, langjähriger Journalist und unermüdlicher Kämpfer für eine landschaftsverträgliche Planung, in seiner Kolumne in der Südostschweiz Stellung gegen das Stromgesetz bezogen. Und Rahel Marti fordert in ihrem Leitartikel im Hochparterre «Mehr Dächer, weniger Täler» und plädiert ebenfalls für ein NEIN.
Wichtige Stimmen, die in der aktuellen Medienlandschaft wenig Echo finden. Stattdessen erhalten Grünen-Politikerinnen wie Aline Trede oder Lobby-Vertreter wie Nils Epprecht von der Schweizerischen Energiestiftung SES Plattformen ohne Ende, wo sie ihre Propaganda unhinterfragt verbreiten dürfen. So etwa diese Woche in der Club-Sendung auf SRF oder anlässlich der diesjährigen Lobbyveranstaltung «Spirit of Bern» im Berner Kursaal, die dem Thema «Energiezukunft Schweiz» gewidmet war.
Ein Blick ins Programmheft lässt keine Zweifel aufkommen: Es handelte sich dabei um eine reine Promo-Veranstaltung für das Stromgesetz. Sämtliche «Expert:innen» aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die aufgetreten sind, vertraten Positionen und Projekte, die Wirtschaft, Wachstum und Energieproduktion ins Zentrum stellen. Ganz im Geist des neuen Gesetzes: Energieversorgung über alles!
Das Eröffnungsreferat zum Thema ««Energiezukunft Schweiz – überall, nur nicht bei mir!» hielt der Politgeograf Michael Hermann. Der Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo ist ein gern gesehener Gast an Politveranstaltungen und in den Medien. Sein Spezialgebiet: Wahlbefragungen im Auftrag der SRG. Seine Analysen der Schweizer Befindlichkeit, basierend auf Umfragen, die sein Institut durchführt, werden dem Publikum als Wissenschaft verkauft, seine Position wird als «neutral» wahrgenommen.
Doch weit gefehlt! Politologe Hermann steht nämlich auf der Paylist der Strombarone.
«Alpiner Lebensraum» lautet der Titel seiner jüngsten «Studie», die er im Auftrag des Stromkonzerns BKW durchgeführt hat. Das Fazit der Umfrage – angesichts der einschlägigen Interessen der Auftraggeberin nicht weiter erstaunlich: «73 Prozent der Befragten befürworten erneuerbare Energieprojekte im Alpenraum.»
Das Vorgehen ist bekannt: Stelle die richtigen Fragen und du bekommst die Antwort, die deinem Auftraggeber gefällt. Sollte eine Umfrage einmal doch nicht das gewünschte Resultat erbringen, wird sie diskret im Papierkorb des Unternehmens entsorgt.
Von der Wirtschaft in Auftrag gegebene Studien verfolgen immer einen bestimmten Zweck. Sie sind der Zuckerguss auf der PR-Torte. Im vorliegenden Fall erteilt die Sotomo-Umfrage der BKW-Geschäftspolitik scheindemokratisch die Legitimation, gleichzeitig ist sie natürlich ein willkommener Baustein der Werbekapagne für das Stromgesetz.
Demoskopie und Interessenkollision
Das Problem der Interessenkollision im Demoskopie-Business ist seit Jahren bekannt. So kritisierte etwa Thomas Wind, Geschäftsführer des Instituts für Zielgruppenkommunikation in Heidelberg in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, zwischen den drei Systemen Medien, Politik und politische Meinungsforschung gebe es mittlerweile ein über Jahrzehnte gewachsenes und damit auch zementiertes Beziehungsgeflecht.
«Hinzu kommt», so Wind weiter, «dass Demoskopen nicht nur neutrale Forscher sind, sondern auch Parteien beraten, in strategischen Fragen. Eine Einschränkung der Unabhängigkeit und nicht gerade ein Garant für Objektivität.»
Publikation Thomas Wind: Demoskopie, Medien und Politik. Ein Schulterschluss mit Risiken und Nebenwirkungen.
Arbeitspapier der Otto-Brenner-Stiftung. Frankfurt/Main 2018
Sie alle kämpfen Seite an Seite mit der Elektrizitätswirtschaft für das neue Stromgesetz… Obschon dieses eine nachhaltige, zukunftsfähige Energiewende eher behindert als befördert – HIER gibt es dazu weitere Infos