Handelbar, erneuerbar, wunderbar?

Die Ener­gie­wirt­schaft schürt immer lau­ter die Angst vor Black­outs und Strom­man­gel – und die Politiker:innenzunft rotiert erschrocken – nicht erst seit dem 2022er Krieg in der Ukraine. Bereits im Som­mer 2021 zei­tigte der Alar­mis­mus erste Erfolge, so dass Ener­gie­mi­ni­ste­rin Som­ma­ruga in der Schweiz eine Erleich­te­rung für die Bewil­li­gung von neuen Was­ser­kraft­wer­ken, Wind­tur­bi­nen und Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen in Aus­sicht stellte.

Schon damals galt das Prin­zip: För­de­rung der inlän­di­schen Strom­in­fra­struk­tur um jeden Preis – auch auf Kosten von Natur und Nach­hal­tig­keit. Der aktu­elle Gas­man­gel in Europa hat die­sen Bestre­bun­gen wei­te­ren Auf­wind gege­ben: Lob­by­isten wie der Ber­ner SVP-Natio­nal­rat und Bun­des­rats­kan­di­dat Albert Rösti scham­los aus­nutz­ten. So hat er im Natio­nal­rat etwa erreicht, dass die jah­re­lang bekämpfte Erhö­hung der Stau­mauer am Grim­s­elstau­see in das eilig gezim­merte «Bun­des­ge­setz über dring­li­che Mass­nah­men zur kurz­fri­sti­gen Bereit­stel­lung einer siche­ren Strom­ver­sor­gung im Win­ter» auf­ge­nom­men wurde.

Das Gesetz erleich­tert auch die Bewil­li­gung für Gross-Solar­an­la­gen in den Ber­gen, wie sie alt SP-Poli­ti­ker Peter Boden­mann im Wal­lis bauen will. Ganz all­ge­mein fällt auf, wie sich Politiker:innen von rechts bis links ins Zeug legen, um die Kapa­zi­tä­ten der «Erneu­er­ba­ren» zu stei­gern. Dafür wird auch in Kauf genom­men, dass demo­kra­ti­sche Rechte beschnit­ten und die Mit­spra­che von Betrof­fe­nen und Schutz­ver­bän­den aus­ge­he­belt wird.

So will etwa der grüne Zür­cher Bau­di­rek­tor Mar­tin Neu­kom mit einer Revi­sion des Pla­nungs- und Bau­ge­set­zes in sei­nem Kan­ton eine «Wind­ener­gie-Offen­sive» lan­cie­ren. Mit 120 neuen Wind­tur­bi­nen an 46 Stand­or­ten – vor allem im Osten des Kan­tons – sol­len künf­tig jähr­lich 800 Giga­watt­stun­den Strom pro­du­ziert wer­den. Dies ent­spricht acht Pro­zent des aktu­el­len Jah­res­be­darfs an Elek­tri­zi­tät im Kan­ton Zürich. Um dro­hende Blocka­den durch Ein­spra­chen zu mini­mie­ren, soll das Mit­spra­che­recht der Gemein­den und der direkt Betrof­fe­nen mas­siv ein­ge­schränkt werden.

Gleich­zei­tig schies­sen im Kan­ton Zürich ener­gie­fres­sende Rechen­zen­tren wie Pilze aus dem Boden. So hat etwa der US-Ame­ri­ka­ni­sche RZ-Betrei­ber Van­tage Data Cen­ters in Win­ter­thur im Dezem­ber 2021 eine erste Gross-Anlage in Betrieb genom­men – drei wei­tere sol­len fol­gen. Im End­aus­bau wer­den sie einen jähr­li­chen Ener­gie­be­darf von 245 Giga­watt­stun­den auf­wei­sen – mehr als ein Vier­tel des­sen, was Neu­kom mit dem Puschen von Wind­ener­gie gewin­nen will. Und Van­tage ist nur einer von meh­re­ren neuen Daten­zen­tren­be­trei­bern in der Nordostschweiz…

Domi­niert wird das Geschäft mit Daten­spei­che­rung und ‑wei­ter­lei­tung welt­weit von den drei Rie­sen Ama­zon, Google und Micro­soft. AWS – die Web-Ser­vices Abtei­lung von Ama­zon – gilt als der Markt­füh­rer im Public-Cloud-Geschäft. Auch Ama­zon hat sich in der Region Zürich nie­der­ge­las­sen, wo der Netz­werk­gi­gant ein regio­na­les Zen­trum betreibt. Wo genau, soll aus Sicher­heits­grün­den mög­lichst geheim­ge­hal­ten wer­den. Denn Rechen­zen­tren sind Hochsicherheitsbetriebe.

Um die Gefahr von Sabo­tage zu mini­mie­ren, wer­den sie mit Sta­chel­draht und Sicher­heits­per­so­nal abge­schirmt. Grosse Hal­len mit gigan­ti­schen Kühl­lüf­tun­gen, ohne Fir­men­be­zeich­nung. Ihren Strom bezie­hen sie von den regio­na­len Strom­pro­du­zen­ten. Win­ter­thur kas­siert von Van­tage allein CHF 60’000 pro Monat. Wahr­lich ein gutes Geschäft…

…dem die Pro­fi­teure und Politiker:innen bereit­wil­lig die demo­kra­ti­schen Rechte der Bürger:innen und die Schön­hei­ten unse­rer Land­schaft opfern. Ohne wirk­li­che Not: Mit dem Ver­zicht auf die Ansied­lung von immer mehr Rechen­zen­tren, wel­che Unmen­gen von Ener­gie ver­brau­chen, könnte auch auf die Ver­schan­de­lung von Land­schaft in den Ber­gen oder in der Zür­cher Land­schaft ver­zich­tet werden.

Es ist nicht ein­zu­se­hen, wes­halb wir unsere Land­schaft opfern sol­len, um die sinn­lose Strom­ver­geu­dung wei­ter zu beför­dern. Der Goo­g­le­dienst gmail​.com jagt sei­nen Daten­ver­kehr, um eine hohe Über­tra­gungs­ge­schwin­dig­keit zu erzie­len, gleich 6fach durch seine Dat­a­cen­ters. Bit­coin-Mining, die unsin­nig­ste Erfin­dung der Mensch­heit nebst dem Krieg und eine wei­tere Ener­gie­ver­schleu­de­rungs-Instal­la­tion, gehört nun wirk­lich nicht mit Erneu­er­ba­ren geför­dert, son­dern verboten.

Aller­dings ist zuzu­ge­ben, dass unsere hoch­au­to­ma­ti­sierte Gesell­schaft schon heute nicht mehr ohne den Betrieb von Rechen­zen­tren und Daten­clouds funk­tio­niert. Wir hän­gen an weni­gen Gross-Kabeln und Pipe­lines wie Jun­kies, die sich nicht vor­stel­len mögen, was pas­siert, wenn der Dea­ler eines Tages kei­nen Stoff mehr lie­fert. So tor­keln wir von einer (Ener­gie-) Abhän­gig­keit in die näch­ste – aber das ist eine andere Geschichte.

Fort­set­zung folgt.

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