Das Bild eines Vierjährigen mit Spielzeugpistole hat zu Recht für Empörung gesorgt. Weil es als Teaser für einen einseitig recherchierten, rassistischen Hetzartikel auf der Front eines einschlägig bekannten Magazins missbraucht wird.
Die mediale Antwort darauf ist allerdings keinen Deut besser: der gleiche Junge posiert statt mit Revolver nun mit besagtem Blatt, das ihm ein aus der Schweiz angereister Fotograf in die Hand gedrückt hat. Diesmal kommt das Bild als Teaser auf die Front der WOZ. — Wie die Weltwoche, missbraucht auch sie den Roma-Jungen für ihre eigenen Interessen.
Der Weltwoche dient er als „Symbol“ für die Roma-Verbrecherbanden, die unser Land angeblich zunehmend bedrohen. Abgesehen davon, dass der Artikel in bekannter Manier einem billigen und durchsichtigen Thesenjournalismus frönt, ist das Bild auch falsch: Romakinder, die von Banden zum Stehlen und Betteln ausgenützt werden, haben weder Zeit noch Musse, mit Spielzeugpistolen herumzutollen.
Solche Szenen sieht man hierzulande anderswo. So kann es vorkommen, dass man in einer familienfreundlichen Siedlung, wo pädagogische und anthroposophische Werte hoch gehalten werden, von den umsorgten Sprösslingen treu besorgter Eltern schweizerischer und deutscher Provenienz mit vorgehaltener Spielzeugwaffe begrüsst wird.
So gesehen ist es ein «Glücksfall», dass der Bub auf dem Bild tatsächlich ein Romakind ist. Wenn es auch im fernen Kosovo lebt. Von der Schweiz allerdings dürfte er vor zwei Wochen zum ersten Mal gehört haben. Und auf die Idee, ihn hier her zu schicken, um uns zu bestehlen, scheinen seine Eltern bisher auch nicht gekommen zu sein.
Dies berichten die Reporter der WOZ. Schnell hatten sie die Identität des Jungen herausgefunden und reisten in den Kosovo — verführt durch den raschen Recherche-Erfolg und die Zusage der Eltern, dass sie sich für eine Reportage zur Verfügung stellen würden. Allerdings kamen sie bald darauf mit einer allzu einfachen Geschichte nach Hause, die im Wesentlichen besagt: Entwarnung! Den Romas, die wir getroffen haben geht’s zwar hundsmiserabel, aber der kleine Bub und seine Familie bleiben trotzdem dort.
Während die Weltwoche Romas verteufelt und ihre Lebenssituation dabei völlig ausblendet, fokussiert die WOZ in ihrer Gegen-Geschichte einzig auf die prekären und ausweglosen Verhältnisse, in denen der Junge und seine Familie leben. Mehr nicht — leider.
Wenn schon ein durch die Weltwoche provozierter Artikel über das Thema, warum nicht eine gut recherchierte Hintergrundgeschichte, die eine Brücke schlägt und die Zusammenhänge aufzeigt zwischen der Marginalisierung der Roma und der Kriminalisierung eines ganzen Volkes?
Zugegeben, dies wäre aufwändiger gewesen, als die Reportagereise in den Kosovo. Und mit Sicherheit nicht so süffig und gut zu vermarkten wie der kleine herzige Junge mit dem Revolver(Blatt).