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Das VBS und seine Verunsicherungspolitik

Warum spricht aktu­ell eigent­lich nie­mand über die Abschaf­fung der Schwei­zer Armee? Der Moment wäre ideal. Das ging mir schon vor Wochen durch den Kopf, als sämt­li­che mög­li­chen Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für eine Nach­folge von Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin Viola Amherd abge­sagt haben.

Statt in der Not den macht­lü­ster­nen Bau­ern­lob­by­isten Mar­kus Rit­ter oder den weit­ge­hend unbe­kann­ten Zuger Regie­rungs­rat Mar­tin Pfi­ster in den Bun­des­rat zu wäh­len, wäre es ziel­füh­ren­der, das Depar­te­ment für «Ver­tei­di­gung, Bevöl­ke­rungs­schutz und Sport VBS» aufzuheben.

Damit könn­ten gleich eine Reihe von Pro­ble­men auf einen Schlag gelöst wer­den: Nicht nur die müh­same Suche nach einer Bundesrätin/​einem Bun­des­rat, die das VBS mit Kön­nen und Weit­sicht füh­ren könn­ten, wäre damit hin­fäl­lig. Auch die gan­zen Skan­dale rund um Soft­ware­be­schaf­fun­gen oder Rüstungs­be­stel­lun­gen – von Flug­zeu­gen bis zur Muni­tion – hät­ten damit ein Ende.

Kommt hinzu, dass dem VBS auch das Per­so­nal davon­läuft: Nach­dem Bun­des­rä­tin Viola Amherd, ange­sichts der ver­track­ten Lage sowie auf Druck der SVP bereits Anfang Jahr das Hand­tuch gewor­fen hatte, kün­dig­ten der Kom­man­dant der Luft­waffe und dazu der Pro­gramm­lei­ter des Beschaf­fungs­pro­jekts für die beschränkt flug­taug­li­chen US-ame­ri­ka­ni­schen F35-Kampf­flug­zeuge eben­falls ihren bal­di­gen Abgang an.

Heute schliess­lich ist publik gewor­den, dass auch Armee­chef Tho­mas Süssli und Chri­stian Dus­sey, der Chef des Nach­rich­ten­dien­stes des Bun­des auf Ende Jahr, resp. bis März 2026 das VBS ver­las­sen wer­den. Kurzum: Der Kapi­tän und seine Chef­ma­tro­sen ver­las­sen das sin­kende Schiff.

Jene, die wohl den besten Ein­blick in den tat­säch­li­chen Zustand des VBS und der Schwei­zer Armee haben, geben auf – und gehen. Was liegt da näher als der Schluss, die Dau­er­bau­stelle VBS ein für alle Mal zu schliessen?

Die Idee ist weder abwe­gig noch neu: Bald sind es 36 Jahre, dass wir über die Volks­in­itia­tive «für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfas­sende Frie­dens­po­li­tik» abge­stimmt haben. Beacht­li­che 35,6 Pro­zent der Schwei­zer Stimm­be­rech­tig­ten – mehr als ein Drit­tel der Abstim­men­den – spra­chen sich damals für die Abschaf­fung der Schwei­zer Armee aus!

Lei­der haben mitt­ler­weile viele der dama­li­gen Befürworter:innen der Armee­ab­schaf­fung ihre pazi­fi­sti­schen Über­zeu­gun­gen ver­ra­ten. Sogar aus Krei­sen der GSoA, wel­che die Initia­tive damals lan­ciert hatte, wurde in den letz­ten drei Jah­ren der Ruf nach Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine immer lau­ter. Zur Ver­tei­di­gung unse­rer Frei­heit und Demo­kra­tie, wie es immer wie­der heisst. Und als Bei­trag zu unse­rer Sicherheit.

So zitiert etwa die Sonn­tags-Zei­tung vom 23. Februar die Ex-SP-Bun­des­rä­tin Miche­line Calmy-Rey mit den Wor­ten, der Schwei­zer Bei­trag zur euro­päi­schen Sicher­heit bestehe in deren Fähig­keit, sich selbst zu ver­tei­di­gen. Auf die Nach­frage des Jour­na­li­sten betref­fend das Mili­tär­bud­get stellte sie klar: «Wenn die Mit­tel nicht aus­rei­chen, um einer Aggres­sion eines Dritt­lan­des ent­ge­gen­hal­ten zu kön­nen, bin ich nicht gegen eine Aufstockung.»

Im Ren­dez-vous am Mit­tag vom 25. Februar wird das Thema «Sicher­heit» gleich in zwei Bei­trä­gen mit Armee und Waf­fen­ge­walt gleich­ge­setzt: Zum einen beton­ten sowohl die befrag­ten Politiker:innen wie auch der Bun­des­haus­jour­na­list uni­sono, dass es für die «Sicher­heit der Schweiz» eine schlag­kräf­tige, starke Armee brauche.

Beim Zuhö­ren stellte sich mir die Frage: Was genau und wie kann denn eine sol­che Armee unsere «Sicher­heit» ver­tei­di­gen? Oder anders gefragt: Was für eine «Sicher­heit» steht da auf dem Spiel? Ange­sichts der immer grös­ser wer­den­den Kluft zwi­schen Arm und Reich, des um sich grei­fen­den Faschis­mus und der wach­sen­den Fru­stra­tion und des Has­ses in unse­ren Gesell­schaf­ten braucht es doch viel eher Inve­sti­tio­nen in ganz andere Berei­che, um künf­tig Sicher­heit und Lebens­qua­li­tät auf­recht zu erhalten.

Das Glei­che gilt für die «Sicher­heit von Europa», die man nun, als Folge der soge­nann­ten Neu­aus­rich­tung der US-ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik, plötz­lich bedroht sieht. Hier bringt der «Diplo­ma­ti­sche Kor­re­spon­dent» von Radio SRF allen Ern­stes die (not­wen­dige) Mög­lich­keit einer zusätz­li­chen ato­ma­ren Auf­rü­stung von Europa ins Spiel – mehr Atom­bom­ben, meint er, gleich mehr «Sicher­heit».

Ganz abge­se­hen davon, dass es absurd ist, die Sicher­heit durch ato­mare Auf­rü­stung ver­bes­sern zu wol­len, gehen sol­che Vor­ha­ben immer und über­all auf Kosten von not­wen­di­gen Inve­sti­tio­nen in Infra­struk­tur und Sozialstaat.

Eine fatale Ent­wick­lung: Die Wah­len vom letz­ten Wochen­ende in Deutsch­land haben ein­mal mehr deut­lich gemacht, wer und was unsere Sicher­heit tat­säch­lich bedroht: Weder Putin noch Trump, son­dern die innere Zer­set­zung unse­rer Gesell­schaf­ten durch Neid, Hass und die Angst vor sozia­lem Abstieg. Faschis­mus woll­ten wir eigent­lich «nie wie­der» – nun haben wir ihn schon wie­der im Haus.

Vor die­sem Hin­ter­grund könnte die Abschaf­fung des VBS in der Schweiz ein Zei­chen set­zen, dass das kleine Land, das so gerne von den gros­sen Geschäf­ten der ande­ren pro­fi­tiert, einen neuen, krea­ti­ven Weg vor­schlägt. Und künf­tig als Bei­trag zur Sicher­heit in Europa und auf der gan­zen Welt vor­macht, wie Inve­sti­tio­nen, statt in die Armee, in Bil­dung, Kli­ma­schutz und Kul­tur­pro­jekte unsere Gesell­schaft festi­gen und von innen her­aus stärken.

Die Sport­ab­tei­lung aus dem VBS übri­gens, könnte man wie­der ins Eid­ge­nös­si­sche Depar­te­ment des Innern (EDI) zurück­ver­le­gen, wo sie bis 1998 schon war, und wo sie auch hin­ge­hört – mit einem zivi­len Lei­stungs­zen­trum in Magg­lin­gen, statt einer über­di­men­sio­nier­ten, unat­trak­ti­ven Spitzen-sportler:innenkaserne.

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