Das Ende der Museen

Längst haben die Errungenschaften der mul­ti­me­dia­len Welt die Museumshallen erobert. Am Eingang jeder Ausstellung, die etwas auf sich hält, wird dem geneig­ten Besucher, der geneig­ten Besucherin heu­te ein Audioguide ausgehändigt.

Gelenkt von der Stimme im Ohr, pil­gert das Publikum im Kunstmuseum von Objekt zu Objekt. Andächtig lau­schend und stets im Rhythmus des Erzählers, erfährt es, was es zu wis­sen und zu sehen gibt. Um ja nichts zu ver­pas­sen, ist der Blick stets auf das Gerät in der Hand gerich­tet, wo der beschrie­be­ne Gegenstand auf dem Display abge­bil­det erscheint. Das Original an der Wand gerät dabei schnell in Vergessenheit.

Angesichts des stän­dig wach­sen­den Vergnügungsangebots, haben Museen einen schwe­ren Stand. Sie müs­sen immer wie­der Neues bie­ten, um das Publikum bei der Stange zu hal­ten. Im Wettkampf um hohe Besucherzahlen beson­ders beliebt sind inter­ak­ti­ve Tools, die alle Sinne bedie­nen. Da wird gespürt, gedrückt, gelauscht, gezappt und geflippt was das Zeug hält. Nicht nur Kinder lie­ben es, auf Knöpfe zu drü­cken – egal was damit aus­ge­löst wird. Hauptsache es rat­tert, knat­tert und blinkt.

Neu ist das nicht, und wenn gut gemacht, ein pures Vergnügen. Der bes­te Beweis dafür ist das Technorama in Winterthur, wo mit inter­ak­ti­ven Experimenten spie­le­risch erlebt wer­den kann, was theo­re­tisch schwie­rig zu erklä­ren ist. Allerdings eig­net sich nicht jedes Thema, nicht jedes Objekt glei­cher­mas­sen für eine Publikumsanimation. Und manch­mal wäre weni­ger mehr.

Dies gilt ins­be­son­de­re fürs Verkehrshaus Luzern mit sei­nen ein­drück­li­chen Ausstellungsobjekten. Ungebrochen ist die Faszination der alten Kutschen, Lokomotiven und Eisenbahnen, mit denen man frü­her gereist ist. Die Besichtigung des Swissairflugzeugs aus den 1960er Jahren begeis­tert eben­so, wie die Bandbreite der in der Flughalle ver­sam­mel­ten Objekte. «Dieser Satellit hier war wirk­lich im Weltall», staunt mein neun­jä­ri­ger Begleiter und kann sei­nen Blick kaum davon lösen, wäh­rend der älte­re Bruder hart­nä­ckig um einen Platz im Flugsimulator kämpft.

Endlich hat er es geschafft und hebt ab. Das ech­te Fluggerät, des­sen vir­tu­el­les Pendant er nun per Computer steu­ert, wird nicht beach­tet – das Geschehen auf dem Bildschirm bean­sprucht ihn voll und ganz. — Immer mehr sol­che elek­tro­ni­schen Stationen mit Flugsimulatoren, Spielen und com­pu­ter­ani­mier­ten Erklärungen, vie­le mit Hinweisen auf wei­te­re Hinweise im Internet, kon­kur­rie­ren neu­er­dings die Ausstellungsobjekte in Luzern. Ein Magnet, ins­be­son­de­re für die Generation der Digital Natives.

Allerdings birgt die­se Entwicklung die Gefahr eines Eigentors: Computerspiele (und erst noch bes­se­re) kann sich jeder daheim her­un­ter­la­den. Und für Informationen, wie ich sie mir per Internet beschaf­fen kann, brau­che ich nicht ins Museum.

Nur dort aber gibt es eine hun­dert­jäh­ri­ge Dampflokomotive zu sehen, eine Swissairmaschine zu bestei­gen und einen ech­ten Satelliten aus der Nähe zu bestau­nen. Genauso, wie ich mich nur in einem Museum der Betrachtung von Originalgemälden von Gaugin oder Picasso hin­ge­ben kann.

Aller media­len Verlockungen zum Trotz, müs­sen Museen des­halb in ers­ter Linie auf die Faszination ihrer Ausstellungsobjekte bau­en und deren Wirkung vertrauen.

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