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Cassis’ Absage und die Medien

Als erstes ver­brei­tete die NZZ die Mel­dung: Am Diens­tag, 19. Novem­ber sagte Bun­des­rat Cas­sis ein von der Stu­den­ten­schaft orga­ni­sier­tes Podium an der Uni Fri­bourg kurz­fri­stig ab. Zusam­men mit sei­nem slo­wa­ki­schen Amts­kol­le­gen Juraj Blanár, der auf Staats­be­such weilte, hätte er über das Thema «Eine pola­ri­sierte Welt: Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen für Rechts­staat­lich­keit und Demo­kra­tie» debat­tie­ren sollen.

Dar­aus wurde nichts. Angeb­lich, so die Ver­laut­ba­rung des Eid­ge­nös­si­schen Depar­te­ments für aus­wär­tige Ange­le­gen­hei­ten EDA, weil das Kol­lek­tiv CEP Fri­bourg (Coör­di­na­tion étu­di­ante pour la Pal­e­stine) zu einer Kund­ge­bung auf­ge­ru­fen hatte, um anläss­lich des Cas­sis-Besuchs gegen des­sen ein­sei­tig isra­el­freund­li­che Poli­tik zu demonstrieren.

Dadurch seien die Vor­aus­set­zun­gen für einen rei­bungs­lo­sen Ablauf nicht gege­ben, zitierte die NZZ das EDA. «Man erachte es als nicht ange­bracht, einen aus­län­di­schen Gast einem sol­chen uner­freu­li­chen Anlass aus­zu­set­zen und dar­über hin­aus all­fäl­lige Sicher­heits­ri­si­ken einzugehen.»

Die Mel­dung ging wie ein Lauf­feuer durch die Medien: Zuerst nahm der Blick den Faden auf und ver­kün­dete sei­ner­seits, dass das Kol­lek­tiv CEP auf Insta­gram dazu auf­ge­ru­fen habe, die Ver­an­stal­tung in der Aula zu stö­ren, um «ihren Unmut über die angeb­lich zu isra­el­freund­li­che Poli­tik des Bun­des­rats auszudrücken.»

All diese Mel­dun­gen hat­ten einen gemein­sa­men Tenor: Pro-palä­sti­nen­si­sche Demonstrant:innen sind heut­zu­tage ein der­ar­ti­ges Sicher­heits­ri­siko, dass Uni­ver­an­stal­tun­gen abge­sagt wer­den müs­sen! Im Gegen­satz zum stu­den­ti­schen Orga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tee der Podi­ums­ver­an­stal­tung, täten sich, so die NZZ, «andere Stu­den­ten­kreise offen­kun­dig schwer mit Rechts­staat­lich­keit und Demo­kra­tie und der freien Rede.»

Fakt ist: Die Orga­ni­sa­tion, wel­che zur Kund­ge­bung auf­rief, hat auf Insta­gram gerade mal 1353 Fol­lower. Aus ihrem Post geht klar her­vor, dass man VOR der Aula demon­strie­ren wollte – von Stö­rung der Ver­an­stal­tung im Innern der Uni kein Wort. Sie woll­ten also nichts ande­res, als von ihrem Demon­stra­ti­ons­recht Gebrauch zu machen…

Kommt hinzu, dass keine 200 Men­schen auf den Insta-Post reagiert hat­ten. Auch wenn der Auf­ruf noch in wei­te­ren Krei­sen der Region geteilt wurde, konnte man davon aus­ge­hen, dass der Auf­marsch nicht beson­ders gross gewe­sen wäre. – Wurde die Ver­an­stal­tung wirk­lich wegen die­sem Auf­ruf abgesagt?

Falls dies tat­säch­lich der Fall sein sollte, wäre dies die abso­lute Bank­rott­erklä­rung unse­rer Demo­kra­tie. Wo bleibt die viel­ge­rühmte Mei­nungs- und Demon­stra­ti­ons­frei­heit im Vor­zei­ge­land Schweiz?

Sicher­heits­be­den­ken vor­zu­schie­ben, ange­sichts einer mehr als berech­tig­ten Stu­die­ren­den­de­mon­stra­tion ist plump und bil­lig. Wäh­rend man Wochen­ende für Wochen­ende für Poli­zei­ein­sätze Mil­lio­nen zum Fen­ster raus­wirft, um ran­da­lie­rende Fuss­ball­fans in Schach zu halten…

Aber viel­leicht war ja alles ganz anders? War der Auf­ruf des CEP mög­li­cher­weise bloss ein Vor­wand? Den Cas­sis dank­bar auf­ge­nom­men hat, um das Podium abzu­sa­gen? Nicht, weil er die Demo fürch­tete, son­dern berech­tigte, kri­ti­sche Fra­gen anläss­lich der Veranstaltung.

Viel­leicht sogar von Sei­ten sei­nes Besu­chers Juraj Blanár? Die­ser hat sich näm­lich in den letz­ten Wochen deut­lich poin­tier­ter gegen die israe­li­sche Kriegs­füh­rung in Gaza und im Liba­non geäus­sert als unser Aus­sen­mi­ni­ster und dies­be­züg­lich von einer «Ero­sion des inter­na­tio­na­len Rechts» gesprochen.

Wie eine Mehr­heit der euro­päi­schen Län­der, plä­diert auch die Slo­wa­kei für eine wei­tere Zusam­men­ar­beit mit der UNRWA und deren finan­zi­elle Unter­stüt­zung. Gegen­über slo­wa­ki­schen Medien wies Blanár kürz­lich dar­auf hin, dass nur die UNRWA in der Lage sei, in Gaza huma­ni­täre Hilfe zu leisten.

Auch in Bezug auf die Ukraine dürfte der slo­wa­ki­sche Aus­sen­mi­ni­ster mit sei­nem Amts­kol­le­gen Cas­sis nicht auf glei­cher Linie sein: Die Slo­wa­kei beschränkt ihre Unter­stüt­zung expli­zit auf huma­ni­täre Hilfe und lehnt jeg­li­che Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine ab.

Der Ver­dacht liegt nahe, dass der Demo­auf­ruf des CEP für Bun­des­rat Cas­sis und seine Entou­rage ein mehr als will­kom­me­ner Anlass war, das Podium abzu­sa­gen. Nicht, weil man sich vor Demon­strie­ren­den fürch­tete, son­dern vor unlieb­sa­men Fra­gen und einer Dis­kus­sion, bei wel­cher der Gast mög­li­cher­weise mehr Applaus geern­tet hätte als Gast­ge­ber Cassis.

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