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Buffer Zone – heute vor 20 Jahren

Der 26. Dezem­ber 2004 ging in die Geschichte ein als Tag der gros­sen Tsu­nami-Kata­stro­phe in Süd­ost­asien. – Die­ser Tage sind prak­tisch in allen Medien Berichte erschie­nen, in wel­chen sich Men­schen aus unse­ren Brei­ten­gra­den an die dama­li­gen Ereig­nisse erin­nern, zurück­blicken, noch ein­mal Bilanz ziehen.

Agenda-Jour­na­lis­mus – eine bil­lige Form, Sen­de­zeit und Zei­tungs­spal­ten zu fül­len. In der Regel lasse ich die Fin­ger davon. Und doch hat diese Jah­res­tags-Unkul­tur auch ihre posi­ti­ven Sei­ten: Wer inter­es­siert sich in unse­ren Brei­ten­gra­den heute für Län­der wie Sri Lanka, Thai­land oder Indonesien? 

Was küm­mern die poli­ti­schen, sozia­len und wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in Welt­ge­gen­den, fernab vom trau­ten Zuhause und den per­sön­li­chen bevor­zug­ten Feri­en­de­sti­na­tio­nen? Was uns schon vor über zehn Jah­ren, anläss­lich der Recher­chen und Dreh­ar­bei­ten in Sri Lanka zu unse­rem Dok­film Buf­fer Zone schmerz­lich bewusst gewor­den ist, gilt heute immer noch.

Mit unse­rem Doku­men­tar­film zeig­ten wir, dass der auf die Natur­ka­ta­stro­phe fol­gende gewal­tige Spen­den-Tsu­nami für die Mehr­heit der betrof­fe­nen Men­schen vor Ort nicht die erhoff­ten und ver­spro­che­nen Ver­bes­se­run­gen brachte. Im Gegen­teil: Viele arme Küstenbewohner:innen wur­den damals, auf Betrei­ben der sri-lan­ki­schen Regie­rung und mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung der inter­na­tio­na­len Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen ins Hin­ter­land verbannt.

Ein Gross­teil der mit Spen­den­gel­dern aus aller Welt errich­te­ten Sied­lun­gen funk­tio­nierte zehn Jahre nach dem «Wie­der­auf­bau» nicht wirk­lich. Statt­des­sen wurde, ganz nach dem Gusto der sri-lan­ki­schen Regie­rung, die Tou­ris­mus­in­du­strie in den Küsten­re­gio­nen auf Kosten der loka­len Bevöl­ke­rung gepusht.

Und heute? Die poli­ti­sche und soziale Situa­tion in Sri Lanka hat sich in den letz­ten zehn Jah­ren nicht wirk­lich ver­bes­sert: Auch 15 Jahre nach dem offi­zi­el­len Ende des Bür­ger­kriegs unter­drückt die sin­gha­le­sisch-bud­dhi­sti­sche Regie­rung die tami­li­schen und mus­li­mi­schen Min­der­hei­ten im Nor­den und Osten des Landes.

2022 löste ein Staats­bank­rott eine schwere wirt­schaft­li­che Krise aus, Sri Lanka ist und bleibt ein Migra­ti­ons­land – Tau­sende Auswander:innen ver­die­nen den Lebens­un­ter­halt für ihre Fami­lien im Aus­land – die über­wie­gende Mehr­heit von ihnen in den Golf­staa­ten. Rund ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung in Sri Lanka lebt in Armut.

Die aus­län­di­schen Orga­ni­sa­tio­nen, die vor 20 Jahre die Wie­der­auf­bau- und Umsied­lungs­po­li­tik mit ihren Hilfs­gel­dern finan­ziert haben, sind längst wei­ter­ge­zo­gen und haben neue Betä­ti­gungs­fel­der gefun­den. Auch die Direk­tion für Ent­wick­lung und Zusam­men­ar­beit DEZA hat ihre Pro­jekte zum Wie­der­auf­bau nach Tsu­nami und Bür­ger­krieg im tami­li­schen Nor­den des Lan­des 2015 abgeschlossen.

2014 rela­ti­vierte der dama­lige DEZA-Pro­jekt­ver­ant­wort­li­che Mar­tin Stu­der die Per­spek­ti­ven für die neuen Sied­lun­gen in Jaffna: «Wenn hier mit­tel­fri­stig keine Arbeits­plätze kre­iert wer­den, und auch län­ger­fri­stig inve­stiert wird, sehe ich das nicht so opti­mi­stisch, dass die Leute dann auch wirk­lich hier oben (im Nor­den der Insel) bleiben.»

Ange­sichts der anhal­ten­den Mar­gi­na­li­sie­rung der tami­li­schen Regio­nen sowie der pre­kä­ren wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung hat sich die Hoff­nung auf eine pro­spe­rie­rende Zukunft im Nor­den bis­lang nicht erfüllt.

Ähn­lich dürfte es aber auch in ande­ren Lan­des­tei­len aus­se­hen: Das von der deut­schen Dia­ko­nie Kata­stro­phen­hilfe gebaute öko­lo­gi­sche Muster­dorf «Ger­man Hari­tha Gama» hatte vor 10 Jah­ren immer wie­der weder Strom noch Was­ser, weil die Infra­struk­tur nicht funk­tio­nierte: Die Trink­was­ser­lei­tung war falsch berech­net, und die Solar­pa­nels waren gut gemeint, aber nicht zu gebrauchen.

Viele der ins­ge­samt 91 Häu­ser stan­den leer, weil die umge­sie­del­ten Küstenbewohner:innen im Hin­ter­land kein Aus­kom­men fan­den und der Bus nur unre­gel­mäs­sig fuhr. Viele ver­such­ten des­halb, ihr «geschenk­tes Haus» zu ver­kau­fen und wie­der in Küsten­nähe zu zie­hen. Das Fazit des sri-lan­ki­schen Sozio­lo­gen Nis­hara Fer­nando anläss­lich unse­res Besuchs 2014: Die deut­schen Geber sind mit dem Pro­jekt geschei­tert, weil sie an den Bedürf­nis­sen der Leute vor­bei­ge­plant haben.

Fer­nando und seine For­schungs­gruppe der Uni­ver­si­tät Colombo ver­fol­gen die Ent­wick­lung von Hari­tha Gama bis heute. Nach lan­gem Hin und Her ist das Dorf nun end­lich an die öffent­li­che Was­ser- und Strom­ver­sor­gung ange­schlos­sen, schreibt er auf meine Anfrage.

Viele Häu­ser ste­hen immer noch leer – und damit zer­fal­len sie wei­ter . Mehr als die Hälfte der Bewohner:innen seien an die Küste zurück­ge­kehrt oder hät­ten sich in der Stadt­re­gion von Galle nie­der­ge­las­sen, so Fer­nando weiter.

Seine Unter­su­chun­gen sind Teil einer inter­na­tio­na­len Stu­die über die lang­fri­sti­gen Aus­wir­kun­gen der Umsied­lun­gen nach dem Tsu­nami – die For­sche­rin­nen und For­scher vor Ort zumin­dest bemü­hen sich darum, aus den Feh­lern, die beim Wie­der­auf­bau nach dem Tsu­nami von 2004 began­gen wur­den, zu lernen.

Ob das die west­li­chen Hilfs­werke auch tun? – Wer weiss…

BUFFER ZONE – unser Dok­film von 2014 – auch 20 Jahre nach dem Tsu­nami noch von bren­nen­der Aktualität:

click und schau – die Originalversion! 

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