Billiger Populismus

Wir sind das Volk. Und wäh­len unse­re Vertreterinnen und Vertreter ins Parlament, auf dass die­se sich nach bes­tem Wissen und Gewissen für unser Wohl und unse­re Interessen ein­set­zen. So lern­ten wir es im Staatskunde-Unterricht.

Die Atomkatastrophe von Fukushima, kom­bi­niert mit dem Damoklesschwert bevor­ste­hen­der Wahlen, hat uns nun end­gül­tig eines Besseren belehrt. Selten leis­te­ten sich ParlamentarierInnen solch plum­pe Wendemanöver wie in den letz­ten Wochen. Bürgerliche PolitikerInnen setz­ten zu regel­rech­ten Slalomfahrten an: In den ers­ten Tagen nach dem Erdbeben in Japan trot­zi­ges Festhalten an der bis­he­ri­gen Atompolitik, dann die Forderung nach Ausstieg, um gleich wie­der zurückzureisen.

Am schöns­ten insze­nier­te die BDP ihre «Neuausrichtung». Auf den ers­ten Blick ein über­ra­schen­der Entscheid, bei nähe­rem Hinsehen ein all­zu simp­ler Schachzug: Endlich hat­te die Mini-Partei ein Thema, mit dem sie sich von ihren Konkurrenten abset­zen konn­te. Damit hofft man, ange­sichts der aktu­el­len Stimmung im Volk Wähleranteile zu gewin­nen und viel­leicht sogar den Bundesratssitz von Evelyne Widmer-Schlumpf zu retten.

Ein rigi­der Richtungswechsel auch bei der FDP: Keine 48 Stunden nach­dem in Fukushima die Notstromaggregate ver­sagt hat­ten, bezeich­ne­te Nationalrat Christian Wasserfallen die nahe­lie­gen­de Forderung nach der Abschaltung des AKWs Mühleberg als «bil­li­gen Populismus“» sei­ne Parteikollegin Christa Markwalder schimpf­te noch am 14. März im Echo der Zeit auf Radio DRS: «Ich fin­de es total dane­ben, was jetzt ein­zel­ne Parteien ver­su­chen, näm­lich die­se Katastrophe zu ihren Zwecken poli­tisch auszuschlachten.»

Ein eigen­ar­ti­ger Vorwurf an die Adresse jener Politikerinnen und Politiker, die sich seit Jahren kon­se­quent für sau­be­re Energie und einen Ausstieg aus der Atomindustrie ein­set­zen. — Nur zwei Tage nach Markwalders denk­wür­di­gem Radioauftritt ver­kün­de­te dann auch die FDP, sie hal­te den Ausstieg aus der Atomenergie für rich­tig und wol­le ent­spre­chen­de Szenarien prü­fen. Die Begründung: «Es zeich­net sich ab, dass der Ersatz von Kernkraftwerken kaum noch mehr­heits­fä­hig ist.»

Mit ande­ren Worten: Angesichts der anste­hen­den Wahlen auf Kantons- und Bundesebene passt die FDP, die bis anhin stets aktiv für die Atomkraft lob­by­iert hat, ihre Politik der Stimmung im Volk an. Nicht aus Sorge um die Gesundheit der Menschen hier­zu­lan­de, son­dern aus Angst vor Stimmen- und Machtverlust.

Die ein­zi­ge Partei, die sich seit jeher und auch in Zeiten, als nie­mand etwas davon hören woll­te, kon­se­quent und uner­müd­lich für einen Ausstieg aus der Atomenergie stark gemacht hat, sind die Grünen. Traurig genug, dass es die Katastrophe in Japan brauch­te, um die Menschen hier­zu­lan­de, 25 Jahre nach Tschernobyl, wie­der wachzurütteln.

Umso schrä­ger die Behauptung von Markus Häfliger in der NZZaS, die Grünen wür­den nun «dar­auf hof­fen, dank Fukushima qua­si im Schlafwagen zum Wahlsieg zu fah­ren.» — Das Gegenteil ist der Fall: Ein Wahlsieg wäre der Lohn für die grad­li­ni­ge Politik der viel­ge­schmäh­ten und oft belä­chel­ten Grünen Partei.

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