Die Hiobsbotschaften aus Fukushima reissen nicht ab – doch unseren Medien sind sie längst keine Schlagzeilen mehr wert. Auch erreichen uns kaum Berichte aus der verseuchten Zone, keine Reportagen über das Schicksal der Menschen, die für immer aus ihren Häusern und von ihren Höfen vertrieben worden sind.
Nach einem kurzen Aufschrei, bewegt sich die Energiedebatte hierzulande wieder in altbekannten Bahnen. Zwar stoppte Economiesuisse eine Millionen-teure Vorkampagne, da die Abstimmung über den Bau neuer AKWs vorläufig vom Tisch ist. Doch eine Abkehr von der bisherigen Politik ist kein Thema. Ganz im Gegenteil.
So äusserte sich Axpo-Chef Heinz Karrer zum Beispiel in der Sonntags Zeitung vom 1. Mai – befragt von drei (!) JournalistInnen – zur Energiezukunft der Schweiz. Und plädierte dabei unwidersprochen fürs Aussitzen: «Das Thema Ersatzkernkraftwerke ist für die nächsten Jahre tatsächlich vom Tisch – ich würde die Option Kernenergie aber für die Zukunft offen lassen.»
Real existierende Risiken und Gefahren der Atomtechnologie wurden im Interview nicht thematisiert. Es ging einzig um finanzielle Verluste in jährlich zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe, die laut Karrer entstünden, wenn auf neue AKWs verzichtet, respektive bestehende „vorzeitig abgeschaltet“ würden. Das Problem: Wie alle grossen Konzerne, will auch die Axpo bereits bestehenden Technologien und Anlagen möglichst lange ausreizen. So erzielt man mit einem Minimum an Investitionen ein Maximum an Gewinn. Der Verzicht auf die lukrative Produktion von Atomstrom täte den Besitzern und Aktionären von Axpo und Co entsprechend weh. Dafür profitierten zukunftsträchtigere Unternehmen, die seit einiger Zeit auf den Markt drängen und angesichts der übermächtigen Konzerne mit ihrem (zu) billigen Atomstrom einen schweren Stand haben.
Immer mehr lokale und regionale Elektrizitätswerke wollen nicht länger bloss den von den Energiekonzernen Axpo, Alpiq und BKW angebotenen Strom weiter verkaufen, sondern selber Naturstrom produzieren. «Es ist ein Riesen-Boom», wird Hansueli Bircher, Leiter der Geschäftsstelle des Dachverbands Schweizer Verteilnetzbetreiber DSV in der NZZ am Sonntag vom 1. Mai zitiert.
Ziel ist, einen möglichst grossen Anteil der benötigten Energie lokal zu erzeugen, sei dies durch die Nutzung von Wasserkraft, Sonnen- oder Windenergie oder Biomasse. Dabei setzt man weniger auf Grossanlagen, als auf die Kooperatonsbereitschaft von Kleinunternehmern und Privaten. Wie zum Beispiel in der Region Bern-Solothurn, wo die Genossenschaft Elektra Fraubrunnen künftig als Generalunternehmerin auftreten und so die Installation von Solaranlagen auf Hausdächern vereinfachen und vergünstigen will.
Derweil setzt Axpo-Chef Heinz Karrer weiterhin auf Angstmache, spricht von drohender Stromlücke und massiver Verteuerung des Stroms bei einem Ausstieg aus der Atomenergie. Was er nicht sagt: Dass auch Atomstrom künftig teurer wird. So teuer, dass er bald nicht mehr konkurrenzfähig sein dürfte.
Bei der BKW zumindest wird zurzeit heftig gerechnet – eine baldige Stilllegung des AKWs Mühleberg aus "wirtschaftlichen Gründen" würde niemanden erstaunen. Solang’s noch geht, wird aber fröhlich weiter profitiert: Für das Jahr 2010 schüttet die BKW für 132 Millionen Franken Dividenden aus.