Aufbruch

Wäh­rend in Syrien und Libyen die Men­schen beim Kampf um Frei­heit und Zukunfts­per­spek­ti­ven ihr Leben ris­kie­ren, mokiert sich der NZZ-Bericht­erstat­ter über eine kleine Gruppe enga­gier­ter Men­schen, die sich vor dem BKW-Haupt­sitz in Bern zu Demon­stra­ti­ons­zwecken nie­der­ge­las­sen haben. Es sei an der Zeit, meint er, dass «die Sache für alle Sei­ten wür­de­voll» been­det werde.

Die Akti­vi­stIn­nen jedoch haben von Anfang an in Aus­sicht gestellt, dass sie erst wie­der gehen, wenn das AKW-Müh­le­berg abge­schal­tet sei. Denn ohne Druck von der Strasse, befürch­ten sie (wohl zu Recht), dass alles so bleibt, wie es ist. Schon jetzt spie­len bür­ger­li­che Poli­ti­ker und AKW-Betrei­ber auf Zeit und spe­ku­lie­ren dar­auf, dass der «Fuku­shima-Effekt» bald wie­der abflaut.

Dabei ist das Gegen­teil ange­sagt: Dank der WOZ, die ein von der BKW und den Behör­den als geheim taxier­tes Exper­ten-Gut­ach­ten ins Netz gestellt hat, wis­sen wir seit letz­ter Woche nicht nur defi­ni­tiv, dass es um die Sicher­heit in Müh­le­berg noch schlech­ter bestellt ist, als bis­her ange­nom­men. Ebenso schwer wiegt die Tat­sa­che, dass die Betrei­ber Fak­ten, die ihren Inter­es­sen im Weg stan­den, der Öffent­lich­keit bewusst unter­schla­gen haben. Weil ihnen der Pro­fit wich­ti­ger war, als die Sicher­heit der Bevölkerung.

Man kann davon aus­ge­hen, dass es sich hier nicht um einen Ein­zel­fall han­delt. Mit­spra­che, Demo­kra­tie und Trans­pa­renz sind auch hier­zu­lande nur solange erwünscht und tole­riert, als sie die Inter­es­sen von Wirt­schaft und Kapi­tal nicht gefährden.

Das funk­tio­niert, solange eine Mehr­heit davon zu pro­fi­tie­ren glaubt. Die Atom­ka­ta­stro­phe in Japan hat nun aber vie­les, das lange dis­kus­si­ons­los hin­ge­nom­men wurde, wie­der ein­mal in Frage gestellt. Plötz­lich sind viele nicht mehr bereit, ein­fach zu glau­ben, was uns Lob­by­isten und Poli­ti­ker im Inter­esse der Wirt­schaft weis machen wol­len. Dies äus­sert sich vor­erst im noch etwas zag­haf­ten Ruf nach der Abschal­tung von Müllberg.

Je mehr Lügen der Atom­lobby ent­larvt wer­den, so ist zu hof­fen, desto stär­ker wird der Wider­stand. Dar­aus könnte eine Volks­be­we­gung wach­sen, die über die AKW-Debatte hin­aus weist. Denn der Atom­strom ist nur ein Bei­spiel dafür, wie wirt­schaft­li­cher Pro­fit prak­tisch über­all auf der Welt höher gewich­tet wird als Ethik und Men­schen­rechte. Der Essay des alge­ri­schen Schrift­stel­lers Boua­lem San­sal in der letz­ten Aus­gabe des Lettre Inter­na­tio­nal, kann in die­sem Sinn durch­aus als Auf­for­de­rung an uns gele­sen werden:

«Afrika und die ara­bi­sche Welt und alle unter­drück­ten Län­der befreien sich von ihren Dik­ta­to­ren erst, wenn es den west­li­chen Völ­kern gelingt, sich ihrer­seits von den Lügen ihrer Regie­run­gen zu befreien, die sich in der gan­zen Welt aus­brei­ten wie töd­li­che Viren. Sie müs­sen auf die Strasse gehen und Bar­ri­ka­den gegen Poli­zei­über­griffe errich­ten. In ihren Auf­stän­den wer­den sie eine wahre Demo­kra­tie for­dern, sie wer­den den Rück­zug ihrer Staats­chefs anmah­nen, nicht weil sie die Macht ille­gal über­nom­men, son­dern, weil sie sie ent­ehrt haben: Ein demo­kra­tisch gewähl­ter Prä­si­dent, der Dik­ta­to­ren unter­stützt, ist des Hoch­ver­rats an sei­nem Volke schul­dig und schul­dig des Ver­bre­chens gegen die Mensch­lich­keit in den Dik­ta­tu­ren, die er unterstützt.»

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.