Wer die jüngste Broschüre des Bundesamts für Strassen ASTRA anschaut, traut seinen Augen kaum: Grün der Titel, grün das Foto mit viel Feld und Wald. Sogar die vierspurige Autobahn, die das Titelbild durchquert, hat einen Grünstich… Hat das Astra endlich die Zeichen der Zeit erkannt? Macht es gar mit Pro Natura oder der Stiftung für Landschaftsschutz gemeinsame Sache?
Bis anhin hat sich das Bundesamt für Strassen weder mit besonderer Rücksichtnahme auf Natur und Umwelt, geschweige denn mit diesbezüglichem Aktivismus hervorgetan. Im Gegenteil: Bei der Güterabwägung hatten stets Strasseninfrastruktur und Kapazitätsausbau Vorrang vor Ökologie und Naturschutz.
Das soll sich nun grundlegend ändern? «Umweltthemen sind im Nationalstrassenwesen von grosser Bedeutung», verlautet das Astra auf seiner Website und zählt auf: «Lärmschutz, Gewässerschutz, Förderung der Biodiversität entlang von Autobahnen, Recycling oder Reduktion des Energiekonsums sind wichtige Beispiele.»
Aha. Das klingt dann doch eher ernüchternd. Was hier als grünes Engagement propagiert wird, ist nämlich nichts anderes als Schadensbegrenzung. Nun sollen also gesetzlich vorgeschriebene Massnahmen zur Milderung der Umweltbelastungen, die in Tat und Wahrheit erst durch den Bau und Betrieb von Autobahnen erzeugt werden, dafür herhalten, dem Astra eine grüne Camouflage-Pelerine umzuhängen…
Nicht einmal der grosszügige Einsatz grüner Farbe in Text und Grafiken der Broschüre kann darüber hinwegtäuschen, dass hier zum Jahresbeginn eine PR-Offensive gestartet wurde. Diese will uns weismachen: Seht her – unser Bock ist ein guter Gärtner! So nennt die Broschüre zum Beispiel verschiedene Massnahmen zur Förderung der Biodiversität wie die «Aufwertung» der Grünflächen entlang der Autobahnen, Querungshilfen für Wildtiere oder das Anbringen von Fledermauskästen, was schon fast zynisch anmutet.
Auch die gesetzlich vorgeschriebenen und zwingend notwendigen Massnahmen zum Grundwasser- und Gewässerschutz oder der «Schutz vor Naturgefahren» haben Eingang in das «grüne» PR-Heft gefunden, genauso wie die Notgrabungen, die im Zusammenhang mit dem Bau neuer Autobahnstrecken notwendig wurden. Hier fragt sich die geneigte Leserin ohnehin, was «Paläontologie und Archäologie» in einer eigentlich dem Umweltengagement gewidmeten Broschüre verloren haben. Vielleicht der Umstand, dass was der Autobahnbau vorsätzlich zerstört, mit Hilfe von «Notgrabungen» und «Restgrünstreifenaufwertungen» kaschiert wird.
Darüber hinaus brüstet sich das Astra auch damit, dank LED-Beleuchtung die Energieeffizienz der Autobahntunnel zu steigern – zu einem Zeitpunkt, da der kostensparende Einsatz von LED schweizweit wirklich keinen Sondereffort mehr darstellt. Auf Autobahnbaustellen sollen zudem die CO2-Emissionen etwa durch Recycling oder den Einsatz neuer Baumaterialien reduziert werden. Nach der Devise: Mit Investitionen in die Strasseninfrastruktur erst einmal den CO2-Ausstoss mächtig ankurbeln, um ihn anschliessend ein wenig zu reduzieren.
Das alles mag gut und recht sein – und ist auch wichtig, solange es darum geht, bestehende Infrastrukturen zu unterhalten. Was aus der Broschüre aber leider nicht hervorgeht ist, wieviel Energieverschleiss und Umweltbeeinträchtigung mit einer echt grünen Verkehrspolitik vermieden werden könnte. Dies würde allerdings einen Paradigmenwechsel voraussetzen.
Davon ist man jedoch noch weit entfernt. Wer sich von der grünen Farbe täuschen liess und einen Moment lang geglaubt hat, das Astra verfolge nun tatsächlich eine neue, nachhaltige Verkehrspolitik, wird spätestens bei der Lektüre des – ebenfalls in besagter Broschüre abgedruckten – Interviews mit Astra-Boss Jürg Röthlisberger eines Besseren belehrt. Auf einer sinnigerweise grau gehaltenen Seite steht dort deutsch und deutlich: «Unser Nachhaltigkeitsbegriff ist umfassend und berücksichtigt die Dimensionen ‘Wirtschaft’, ‘Gesellschaft’ und ‘Umwelt gleichermassen. Aber es ist auch klar, dass unser Pflichtenheft nicht primär ‘grün’ ist.»
So ist es. Grün ist nur das Feigenblättchen.