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Asphalt und Beton statt Biodiversität

Ein Monat vor der Abstim­mung über die 5‑Milliardenvorlage für den wei­te­ren Aus­bau der Auto­bah­nen in der Schweiz sind die Posi­tio­nen bezo­gen. Klar ist: Die Auto­lobby inve­stiert Mil­lio­nen in die Pro­pa­ganda, um die Schweiz mit mehr und brei­te­ren Natio­nal­stras­sen zuzupflastern.

Einen Monat vor der Abstim­mung wird in grü­nen Far­ben gross­flä­chig pla­ka­tiert: «Für eine Schweiz, die vor­wärts­kommt». Die Frage stellt sich bloss, vor­wärts – wohin? Und vor­wärts – für wen?

Dem ewi­gen Mythos, dass Auto­fah­ren Frei­heit bedeute, und dass der Aus­bau von Stras­sen Stau ver­hin­dere sowie für unsere Wirt­schaft unver­zicht­bar sei, ist offen­bar mit wis­sen­schaft­li­chen Argu­men­ten und empi­risch beleg­ten Erfah­run­gen, wonach ein Spur­aus­bau an der näch­sten «Eng­stelle» neuen Stau erzeugt, nicht beizukommen.

So ver­steigt sich der Wirt­schafts­dach­ver­band Eco­no­mie­su­isse in sei­ner jüng­sten Stu­die tat­säch­lich zur Behaup­tung «wer Stras­sen schmäht, wird Treib­haus­gase ern­ten.» Dies, weil im Stau zusätz­lich CO2 frei­ge­setzt werde, wes­halb der Auto­bahn­aus­bau not­wen­dig sei, um das Klima zu schützen.

Eine dop­pelt absurde «Beweis­füh­rung», da der Aus­bau von Stras­sen­in­fra­struk­tur nach­ge­wie­se­ner­mas­sen zu Mehr­ver­kehr führt. Kommt hinzu, dass die Auto­bahn­aus­bau­pro­jekte, über deren Finan­zie­rung wir am 24. Novem­ber abstim­men, aller­frü­he­stens in 10 bis 15 Jah­ren in Betrieb gehen dürf­ten. Bis dahin sind die CO2-aus­stos­sen­den Fahr­zeuge auf unse­ren Stras­sen sowieso ein Auslaufmodell.

Was Eco­no­mie­su­isse ebenso ver­schweigt: Wäh­rend der mehr­jäh­ri­gen Bau­zeit ist mit mas­si­ven zusätz­li­chen CO2-Emis­sio­nen zu rech­nen. Dazu tra­gen die von Stras­sen­bau­stel­len pro­vo­zier­ten zusätz­li­chen Staus genauso bei wie der Mehr­ver­kehr durch Bau­ma­schi­nen und die Pro­duk­tion von Mil­lio­nen-Ton­nen an Beton und Asphalt.

Für die sechs Auto­bahn­pro­jekte, die zur Debatte ste­hen, sol­len 40 Hektaren Land geop­fert wer­den. Allein für den Aus­bau der Auto­bahn vom Wank­dorf nach Schön­bühl auf 8 Spu­ren wür­den 13,4 ha Land neu zube­to­niert. Davon 3,7 Hektaren Frucht­fol­ge­flä­chen, also beson­ders wert­vol­les Land­wirt­schafts­land. Noch vor einem Jahr hat sich der Ber­ner Bau­ern­ver­band BEBV denn auch mit einer Beschwerde beim Ver­wal­tungs­ge­richt gegen diese Aus­bau­pläne gewehrt.

«Ich brau­che den Boden als Land­wirt zum Pro­du­zie­ren, er ist unsere Exi­stenz­grund­lage», sagte Chri­stian Salz­mann kürz­lich, anläss­lich eines Orts­ter­mins im Grau­holz. Als direkt betrof­fe­ner Bauer hat er eben­falls Ein­spra­che gegen das Bau­vor­ha­ben und die dro­hende Ent­eig­nung eingereicht.

Schon vor 30 Jah­ren musste die Fami­lie Salz­mann Land her­ge­ben, damals für den 6‑Spur-Aus­bau im Grau­holz. Die Argu­men­ta­tion töne genau heute gleich wie damals, erin­nert sich der Land­wirt – aller­dings gebe es einen gros­sen Unter­schied zur dama­li­gen Dis­kus­sion: «Damals waren alle Befür­wor­ter über­zeugt, dass der Aus­bau eine Pro­blem­lö­sung ist – heute glaubt das nie­mand mehr.»

Wäh­rend Salz­mann sei­nen Kampf gegen die Auto­bahn fort­führt und an der Ein­spra­che fest­hält, hat der Ber­ner Bau­ern­ver­band eine wun­der­same Kehrt­wen­dung voll­zo­gen. Plötz­lich, am 10. Okto­ber 2024, hat er in einer Medi­en­mit­tei­lung seine Unter­stüt­zung für die Auto­bahn­aus­bau­kre­dite ver­kün­det. Seite an Seite mit dem Schwei­zer Bau­ern­ver­band SBV, der eine Woche spä­ter mit der JA-Parole für den 5‑Milliardenkredit in den Abstim­mungs­kampf zog.

Aus­ge­rech­net der Bau­ern­ver­band, der noch vor weni­gen Wochen im Kampf gegen die Bio­di­ver­si­täts-Initia­tive laut­stark kund­tat, die Land­wirt­schaft könne für die künf­tige Ernäh­rungs­si­cher­heit der Schweiz auf kei­nen Qua­drat­me­ter Kul­tur­land verzichten…

Nun also gilt das Gegen­teil. «Wer hätte das gedacht», kom­men­tierte dazu der Grüne Natio­nal­rat und Bau­ern­po­li­ti­ker Kilian Bau­mann. «Das unwie­der­bring­li­che Zer­stö­ren von Kul­tur­land als zen­tra­les Inter­esse eines Bau­ern­ver­ban­des? Wäh­rend im Par­la­ment ins­be­son­dere kon­ser­va­tive Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter bei der Bio­di­ver­si­tät noch laut­stark den Ver­lust von wert­vol­len Flä­chen für die Lebens­mit­tel­pro­duk­tion beklag­ten, sehen die­sel­ben Per­so­nen beim Auto­bahn­aus­bau die­ses Pro­blem plötz­lich nicht mehr.»

Oder, wie es eine Leser­brief­schrei­be­rin im «Schwei­zer Bauer» auf den Punkt brachte: «Hier zeigt sich nun end­lich das wahre Gesicht der Bau­ern­lobby in Bern: Beim Blüem­li­strei­fen NEIN, beim Beton­strei­fen durch das schön­ste Kul­tur­land JA

Die auto­bahn­freund­li­che Kam­pa­gne der Bau­ern­or­ga­ni­sa­tio­nen hat bei der Basis unge­wohnt hef­tige und deut­li­che Reak­tio­nen aus­ge­löst. In den Kom­men­tar­spal­ten und mit Leser­brie­fen kri­ti­sie­ren Bäue­rin­nen und Bau­ern den Ver­band mit kla­ren Wor­ten, einige kün­di­gen gar ihren Aus­tritt aus dem SBV an.

Gut so. Zu hof­fen ist, dass dies­mal die­je­ni­gen, die sich getrauen, den Ver­bands­obe­ren um Mar­kus Rit­ter die Stirn zu bie­ten, die breite Unter­stüt­zung von gleich­ge­sinn­ten Landwirt:innen und dar­über hin­aus erhalten.

Nicht nur, weil wert­vol­les Kul­tur­land für immer ver­lo­ren geht. Der Aus­bau der Auto­bah­nen hat auch eine Zunahme von Lärm‑, Luft- und Was­ser­ver­schmut­zung zur Folge, ganz zu schwei­gen von der Mikro­ver­schmut­zung durch den Abrieb von Rei­fen und Bremsen.

Was die Befür­wor­ter auch noch ver­schwei­gen: Die bud­ge­tier­ten 5 Mil­li­ar­den Aus­bau­ko­sten sind erst der Anfang: Sind diese Pro­jekte erst ein­mal umge­setzt, braucht es jähr­lich wei­tere Mil­lio­nen für deren Unter­halt und Betrieb… Anstelle von Sub­ven­tio­nen für die Land­wirt­schaft? Ein Eigen­tor – Tor­schütze: Mar­kus Ritter.

«Für mich als pensionierter Landwirt ist diese Parole 
des SBV absolut unverständlich und komplett daneben!»
                                    Hans Kneubühler, Schweizer Bauer 18.10.2024
«Ich erkenne nur noch politische Verbandelung mit 
Economiesuisse, dabei verliert der SBV sein Gesicht. 
Völlig unverständlich in Anbetracht des grossen Gezeters 
bei der Biodiversitätsinitiative. Hier geht es jedoch 
um viel mehr, nämlich um 400 000 m2 Kulturland, 
das definitiv verloren geht.»
                                           Beat Mettler, Schweizer Bauer 18.10.2024

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