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Angstmacherei – wider besseres Fachwissen

Die Abstim­mung über den 5‑Milliardenkredit für sechs Auto­bahn­aus­bau­pro­jekte ist zu einer Pro­pa­gan­da­schlacht ver­kom­men, bei dem die Aus­bau­be­für­wor­ter Gra­ben­kämpfe und Äng­ste schü­ren, was das Zeug hält.

An vor­der­ster Front Bun­des­rat Albert Rösti, der ein­stige Auto­lob­by­ist, der sein Amt als Bun­des­rat als logi­schen Kar­rie­re­schritt im Dien­ste sei­ner frü­he­ren Auf­trag­ge­ber ver­steht. Statt sach­lich und unauf­ge­regt über die Vor­lage zu infor­mie­ren, legt er sich für den 5‑Milliardenkredit ins Zeug und scheut dabei auch vor Falsch­mel­dun­gen und Ver­zer­run­gen nicht zurück.

Sekun­diert wird er dabei in gros­sem Stil von den Leit­me­dien hier­zu­lande: Kein Blatt, kein Sen­der, der ihm nicht eine Platt­form für seine Pro­pa­ganda gebo­ten hat. Unwi­der­spro­chen wie­der­holt er immer wie­der, der Auto­bahn­bau sei in den 1960er Jah­ren ste­hen geblie­ben. Fakt ist jedoch, dass das Strecken­netz seit 1995 um 30 Pro­zent ver­län­gert wor­den ist.

Wei­ter behaup­tet er, mit den zur Debatte ste­hen­den Pro­jek­ten würde es eine kurz­fri­stig wirk­same Lösung für das viel­be­klagte «Stau­pro­blem» auf Schwei­zer Auto­bah­nen geben. Er weiss aber ganz klar, dass da kurz­fri­stig gar nichts gelöst wird, weil es rund 20 Jahre dau­ern würde, bis die Tun­nel und Spur­er­wei­te­run­gen fer­tig­ge­stellt wären. Kurz­fri­stig gäbe es mit dem Auf­fah­ren der ersten Bau­ma­schi­nen den berüch­tig­ten Bau­stel­len­stau, also noch mehr Stau als bisher.

Schliess­lich ver­ga­lop­piert sich Rösti mit den Aus­sa­gen, es brau­che den Aus­bau, damit unsere Stras­sen­in­fra­struk­tur nicht ver­gam­melt, um den Ver­kehr aus den Dör­fern zu ent­fer­nen und für mehr Sicher­heit auf den Stras­sen… Alles Slo­gans, die von Verkehrsexpert:innen viel­fach wider­legt wurden.

Und doch tobt der Abstim­mungs­kampf prak­tisch aus­schliess­lich auf der von Rösti + Co vor­ge­spur­ten emo­tio­na­len Fahr­spur. Weil Jour­na­li­stin­nen und Jour­na­li­sten sich von Rösti in sei­ner Bun­des­rats­li­mou­sine chauf­fie­ren las­sen und seine Sprü­che wei­ter­ver­brei­ten, statt ihn mit Fak­ten zu konfrontieren.

Die aktu­elle Abstim­mungs­kam­pa­gne ist ein Lehr­stück, wie Lob­by­isten mit Macht und Geld die Demo­kra­tie für ihre Zwecke instru­men­ta­li­sie­ren. Die Mit­glie­der des Komi­tees «Ja zur Siche­rung der Natio­nal­stras­sen» haben sich ihre Des­in­for­ma­ti­ons-Stra­te­gie denn auch eine Stange Geld kosten las­sen. Ein aktu­el­les Bei­spiel dafür ist einer der immer häu­fi­ger vor­kom­men­den Publi­re­por­ta­ge­ar­ti­kel, die auf den ersten Blick vom redak­tio­nel­len Teil auf «Nau» kaum zu unter­schei­den sind. Titel: «Weni­ger Ver­kehr in den Dör­fern – das hilft allen» — rein­ste Pro-Auto­bahn­aus­bau Propaganda.

Doch nicht nur das pri­vate Ja-Komi­tee rund um den Gewer­be­ver­band + Co hat Geld in die Hand genom­men. Eine ganze Bri­gade von Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Agen­tu­ren pro­fi­tiert regel­mäs­sig von lukra­ti­ven Staats­auf­trä­gen. So hat das Bun­des­amt für Stras­sen (Astra) bei der Ber­ner Agen­tur Infra­kom AG für eine Vier­tel­mil­lion Fran­ken ein gan­zes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­se­nal bestellt, um bei der Auto­bahn­ab­stim­mung die Geg­ner­schaft zu schlagen.

Im Klar­text: Wir Bür­ge­rin­nen und Bür­ger finan­zie­ren mit unse­ren Steu­er­fran­ken Agen­tu­ren mit, die ver­spre­chen, Rösti und dem Astra das gewünschte Abstim­mungs­re­sul­tat her­bei­zu­zau­bern. Es geht dabei in kein­ster Weise darum, Fak­ten zu ver­mit­teln und Pro und Con­tras auf­zu­li­sten. Offen­bar trauen die Bun­des­häus­ler dies­be­züg­lich ihrem roten Abstim­mungs­büch­lein zu wenig.

Was Infra­kom und Co prak­ti­zie­ren ist eine lupen­reine Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gne. Dies geht soweit, dass sogar fach­lich fun­dierte Stu­dien und wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nisse, die nicht im Ein­klang mit den Inter­es­sen des Astra ste­hen, als Ideo­lo­gie abge­tan und unter den Tisch gekehrt wer­den. Daten, die unbe­quem sind, wer­den im Gift­schrank zurück­ge­hal­ten, bis nach der Abstimmung.

Das Strick­mu­ster ist immer das Glei­che: Man hängt der Gegen­seite die Ideo­lo­gie-Eti­kette an. Wer sich gegen Auto­bahn­aus­bau stellt, ist ent­we­der ein Träu­mer, ewig-gest­rig oder Autohasser:in. Auf alle Fälle: links-grün versifft.

So unter­stellt etwa FDP-Natio­nal­rat Thierry Burk­hart im Blick-Inter­view vom 13. Novem­ber 2024 der Grü­nen-Prä­si­den­tin Lisa Maz­zone, wenn es nach ihr gegan­gen wäre, hätte man schon vor 60 Jah­ren keine Auto­bah­nen gebaut. Und wie­der­holt die Mär von der wun­der­sa­men Staubeseitigung.

Eine Mär, die bestens funk­tio­niert, weil die Medien, von den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tu­ren gefüt­tert, nicht ein­ord­nen und ana­ly­sie­ren, wie es ihre Auf­gabe wäre, son­dern Ver­laut­ba­run­gen eins zu eins verbreiten.

Eine fatale Ent­wick­lung. Die so weit geht, dass die Schaff­hau­ser Nach­rich­ten eine von der Stadt­re­gie­rung in Auf­trag gege­bene Ver­kehrs-Stu­die infrage stel­len, weil einige Expert:innen, die den Aus­bau des Fäsenstaub­tun­nels kri­tisch bewer­te­ten, einen Appell für die Ableh­nung der eid­ge­nös­si­schen Auto­bahn­vor­lage unter­schrie­ben haben.

Die Methode der Eti­ket­tie­rung funk­tio­niert offen­bar auch um nörd­lich­sten Zip­fel der Schweiz: «Gut­ach­ter outen sich als Auto­bahn­geg­ner» titeln die Schaff­hau­ser Nach­rich­ten markt­schreie­risch und brü­sten sich damit, fal­sche, ideo­lo­gie­ge­trie­bene Expert:innen auf­ge­deckt zu haben.

In Tat und Wahr­heit decken sie jedoch zu. Indem sie Argu­mente, die nicht erwünscht sind, ein­fach falsch eti­ket­tie­ren. Kol­por­tiert wird schliess­lich nur noch, was drauf­steht, nicht mehr, was drin ist. So wie es die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agen­tu­ren empfehlen.

Wer, wenn nicht die Fach­per­so­nen, die sich tag­täg­lich mit Mobi­li­täts­fra­gen befas­sen, kann fun­dierte Aus­sa­gen dar­über machen, wie sich der geplante Aus­bau – in Schaff­hau­sen und anderswo – auf das gesamte System und seine Umge­bung aus­wirkt? Fak­ten­ba­siert, nicht ideologie-getrieben…

End­lich scheint aber doch Sand ins bis­lang gut geschmierte Auto­bahn-Pro­pa­ganda-Getriebe gekom­men zu sein: Die neu­sten Umfra­ge­werte zei­gen, dass die Argu­mente gegen die zur Debatte ste­hen­den sechs Aus­bau­pro­jekte vom Stimm­volk doch gehört werden.

So blöd, wie es Rösti und Co. gerne hät­ten, ist der Sou­ve­rän eben doch nicht. Diese Erfah­rung haben wir in der Ver­gan­gen­heit schon mehr­fach gemacht.

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