Heute ist es einen Monat her, dass die israelische Regierung und ihre Armee die Lieferung von dringend benötigten Hilfsgütern und Nahrungsmitteln nach Gaza blockiert haben. Vor zwei Wochen hat Israel den Waffenstillstand gebrochen, und wieder bombardieren und morden die Soldat:innen der IDF, was das Zeug hält. Rücksichtslos – und mit dem erklärten Ziel, die palästinensische Bevölkerung in Gaza ein für alle Mal zu eliminieren.
Der Genozid geschieht auf offener Bühne vor den Augen der Welt, ohne Heimlichtuerei durch die Besatzungsmacht. Die Kriegsverbrechen in Gaza sind bestens dokumentiert – aber die Lautsprecher der Welt schweigen. Wieder und wieder kommt Israel ungestraft davon. Keine Sanktionen weit und breit, geschweige denn eine Bestrafung durch den Internationalen Gerichtshof.
Jüngstes Beispiel, dessen Eindeutigkeit und Brutalität bei jeder anderen Terrorgruppe zu Sanktionen und Ächtung geführt hätte, ist die Ermordung von 15 Sanitätern und Zivilschützern, die am 23. März bei einem Einsatz zur Bergung von Verletzten und Toten in Gaza von israelischen Soldaten angegriffen und hingerichtet worden sind.
Während Tagen galt der Rothalbmond-Konvoi aus fünf Rettungsfahrzeugen, einem Feuerwehrwagen und einem klar markierten UN-Fahrzeug offiziell als verschollen. Heute ist bekannt, dass es noch Kontakte gab zwischen den Einsatzkräften und der Ambulanzzentrale, die unvermittelt unterbrochen wurden. Vor Ort war schnell klar, dass der Hilfskonvoi wohl unter israelisches Feuer geraten war…
Die israelische Armee gab keinen Kommentar, verhinderte aber vorerst die Suche nach den Vermissten. Als der Suchtrupp, koordiniert von der UN-Organisation OCHA, schliesslich bis zum Ort des Geschehens vordringen konnte, bot sich den Helfern ein Bild des Grauens. «Die Krankenautos, das UN-Fahrzeug und der Feuerwehrwagen waren alle zu Schrott geschossen und teilweise eingegraben. Nach stundenlangem Schaufeln haben wir eine Leiche gefunden – ein Zivildienstmitarbeiter unter seinem Feuerwehrauto», schildert der OCHA-Einsatzleiter Jonathan Whittall das Geschehen.
Das war nur der Anfang: Schliesslich haben die Helfer ein Massengrab ausgehoben, in dem die Leichen der Sanitäter und Zivilschützer verscharrt worden waren. Untersuchungen haben ergeben: Die Männer wurden exekutiert, manche von ihnen hatten Fussfesseln und wurden möglichweise noch lebendig begraben…
Whittall und sein Team haben die Suchaktion sowie die Bergung der getöteten Rettungskräfte akribisch dokumentiert – mit Bild- und Filmmaterial, das unter anderem auf der News-Seite der UNO publiziert worden ist. Mit einer scharfen Verurteilung des Geschehens und der Forderung nach Stellungnahme der israelischen Regierung.
Diese reagierte mit ihrer bereits hundertfach wiederholten zynischen Ausrede, man habe das Feuer auf den Konvoi eröffnet (trotz der klaren Kennzeichnung der UNO- und Rothalbmond-Fahrzeuge), weil sich dieser «verdächtig» bewegt habe. Es überrasche nicht, kolportiert etwa die NZZ unkommentiert den israelischen Armeesprecher, «dass die Hamas erneut medizinische Einrichtungen und Ausrüstung für ihre Zwecke nutze.»
Wenn man sich vor Augen führt, unter welch horrenden, schwierigen Umständen die Rettungskräfte in Gaza immer wieder ihr eigenes Leben riskieren, um den von Israel ausgebombten und immer von Neuem in die Flucht getriebenen Menschen zu helfen, sind solche Sätze purer menschenverachtender Hohn.
Israel schert sich keinen Deut um den Schutz von humanitären Helfer:innen in Gaza. Damit verstösst es eindeutig gegen das Völkerrecht, wonach humanitäres und medizinisches Personal sowie medizinische Einrichtungen und Objekte, die für humanitäre Einsätze genutzt werden, unter spezifischem Schutz stehen. Wer dies missachtet, begeht Kriegsverbrechen. Israel weiss das, und tut es trotzdem. Ohne Konsequenzen.
UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini schrieb denn auch in seiner Reaktion auf das Massaker an den Rettungskräften: «Das Töten von Rettungskräften, Journalisten oder humanitären Helfern ist eine eklatante und schwerwiegende Missachtung des Völkerrechts – in Gaza, sind diese Tötungen zur Routine geworden.» Seit dem 7. Oktober 2023 seien 408 humanitäre Helfer:innen bei ihren Einsätzen in Gaza getötet worden, hält Lazzarini weiter fest und fordert, dass Israel dafür endlich zur Rechenschaft gezogen werde.
Die Menschenrechtsorganisation Euro-Med Human Rights Monitor bezeichnet die Tragödie um die 15 hingerichteten humanitären Retter als «beispiellos in der jüngeren Geschichte» und fordert: «Die Vereinigten Staaten und andere Nationen, die Israel in irgendeiner Weise bei der Begehung seiner ungeheuerlichen Verbrechen unterstützen, einschliesslich der Hilfe und der vertraglichen Beziehungen im militärischen, geheimdienstlichen, politischen, rechtlichen, finanziellen, medialen und sonstigen Bereich, die zur Fortdauer solcher Verbrechen beitragen, müssen zur Rechenschaft gezogen und strafrechtlich verfolgt werden.»
Doch was kümmert das die Schweizer Öffentlichkeit. Während hierzulande in den Medien anlässlich des dritten Jahrestags der «Massaker von Butscha» die russischen Kriegsverbrechen wieder einmal für Schlagzeilen sorgten, hütet man sich nach wie vor davor, Israels vergleichbare Massaker als solche zu benennen und dagegen zu protestieren.
Die starke politische Israel-Lobby in der Schweiz versteht es bis heute, nicht nur unseren Aussenminister und das gesamte politische Bern von einer klaren Stellungnahme gegen Kriegsverbrechen und Völkermord in Israel abzuhalten – mit tatkräftiger Unterstützung durch die Medien schafft sie es auch, gerechtfertigte Kritik und die Forderung nach Sanktionen gegen den Unrechtstaat Israel weitgehend im Keim zu ersticken.