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Kopf in den Sand und ab in die Luft!

Es ist Ferienzeit und die Nerven liegen wieder einmal blank. Statt Enstpannung Stress, statt Entschleunigung Aufregung, statt Erholung Panikattacken. Nicht bei allen, aber offenbar bei vielen. Zu den kilome­ter­langen Staus am Gotthard, die in den tonan­ge­benden Medien unter dem Motto «Alle Jahre Wieder» einmal mehr das sogenannte Sommerloch füllen, mehrten sich in den letzten Tagen Meldungen zu chaoti­schen Zuständen an Flughäfen.

Am 19. Juli war es ein IT-Absturz infolge eines Fehlers beim US-Cybersicherheits-Riesen CrowdStrike, der weltweit und in verschie­densten Branchen für Stillstand und Aufruhr sorgte. Im Flugverkehr mussten Airports von den USA über Asien bis Europa ihren Betrieb vorüber­gehend einstellen. So auch in Zürich-Kloten.

Während die Medien frustrierte Reisende als Augenzeug:innen zu Wort kommen liessen, die stecken­ge­blieben waren und auf juristische Fragen nach Schadenersatzforderungen fokus­sierten, wurde die tatsäch­liche Bedeutung des Vorfalls herun­ter­ge­spielt: Die gewaltige IT-Panne führt deutlich vor Augen, wie verletzlich wir als Teil einer global vernetzten Industrie-Gesellschaft geworden sind – weil letzt­endlich abhängig von uns fernsteu­ernden IT-Systemen…

Kaum war dieser Schreck vorbei, folgte die nächste Hiobsbotschaft für Ferienfliegende: Klimaaktivist:innen – ebenfalls weltweit agierend – behin­derten den Flugverkehr an verschie­denen Flughäfen, darunter etwa die Flughäfen Bonn/​Köln und Frankfurt a.M.

Die Aktionen unter dem Motto «Oil Kills» zielten in verschie­denen Ländern auf Flughäfen, ausge­führt auch von Mitgliedern der «Letzten Generation» in Deutschland. Die Reaktionen sind heftig und empört. Nicht nur in den Sozialen Medien, wo sich die Kurzsichtigkeit einer ferien­trun­kenen Spassgesellschaft in Wutausbrüchen entlädt – das politische Führungspersonal greift in die martia­lische Wortkiste:

So etwa die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die die Pisten-Blockaden als «dumm und kriminell» bezeichnete und monierte, die «Chaoten» würden Familien den «hart erarbei­teten Urlaub vermiesen.» Und der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellte in Aussicht, dass «die Verschärfung der Strafen für solche krimi­nellen Machenschaften» bereits auf den Weg gebracht worden sei.

Auch in den Schweizer Medien dominieren Wut und die Forderung nach harten Strafen. So war im Blick etwa die Rede von «Klima-Kriminellen», 20minuten forderte «höhere Strafen gegen diese Klimachaoten» und der SVP-Nationalrat Mauro Tuena ruft nach «knall­harten Strafen, sollten Klimaaktivisten Flughäfen lahmlegen wollen.»

Viel Rauch und Getöse – das aller­dings am wirklich drängenden Thema vorbei zielt: In Frankfurt a.M. fielen am Donnerstag, 25. Juli laut dem Betreiber Fraport gerade mal 230 von insgesamt 1’400 geplanten Flügen aus. Während Hunderttausende von Flügen Tag für Tag die Klimaerhitzung weiter befeuern und es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass sich dies innert nützlicher Frist ändern wird. Schliesslich geht es um hart erarbeitete Ferien von Burnout bedrohten Schwerarbeiter:innen, am Förderband und im Homeoffice.

Wer sich etwas genauer mit dem Thema befasst, kommt jedoch zum Schluss, dass nicht jene Menschen kriminell und dumm sind, die ihr Leben riskieren, um die zerstö­re­rische Gewalt der fossilen Energien im Flugverkehr zu stoppen, wie Ministerin Faeser behauptet. Vielmehr sind es jene, die die grenzenlose Fliegerei immer noch schön­reden und verharmlosen.

Oder, wie es einer der wenigen die Aktivist:innen unter­stütz­tenden FB-Kommentatoren formu­liert: «Kriminell sind all jene, die die Zukunft der folgenden Generationen zerstören. Diese Täter-Opfer-Verdrehung der verant­wort­lichen Politik kotzt mich wirklich an. Nicht mal die selbst gesteckten Klimaziele halten sie ein, obwohl diese ohnehin schon zu lax sind.»

Ein lärmge­plagter Anwohner des Frankfurter Drehkreuz-Flughafens bedankt sich auf Facebook bei den Aktivist:innen: «Ich weiss ja, das ist nicht euer oberstes Ziel, aber vielen Dank für einen Vormittag im Rhein-Main-Gebiet, an dem mir nicht alle drei Minuten der Himmel auf den Kopf fällt».

«Flughäfen sind ein Ort, an dem deutlich wird: Was früher normal war, können wir uns heute nicht mehr leisten. Öl tötet! Und deshalb brauchen wir jetzt eine gerechte Wende!» begründen die Aktivist:innen der «Oil Kills»-Kampagane die Ortswahl für ihre aktuellen Aktionen.

Denn die Umweltschäden, fallen nicht nur in Flughafennähe und in der Erdatmosphäre an, sondern bereits an der Quelle des Treibstoffübels Flugververkehr: Bei der Ölförderung – fern von den Gärtchen der Ferienreisenden.

Ein Beispiel dafür ist die Region Basra im Süden des Iraks: Die einst fruchtbare Region leidet heute unter akutem Wassermangel und Umweltvergiftungen durch die Erdölförderung. Die Menschen leben in Armut, viele sind krank infolge der Umweltgifte, die durch die Erdölindustrie freige­setzt werden. «Die auslän­di­schen Konzerne wie BP, Exxon Mobile, Shell und andere halten sich hier nicht an die in ihren eigenen Ländern geltenden Gesetze», kriti­siert Dhurgham Al Ajwadi, Vizegouverneur von Basra in einem eindrück­lichen Arte-Dokumentarfilm.

Urlauber:innen, die Ferien zwingend mit Flugreisen verbinden, sind sich zumeist gar nicht bewusst, dass sie zu einer verschwindend kleinen Minderheit gehören, die sich das überhaupt leisten kann: 80 Prozent der Menschen sind noch nie geflogen! Und nur 1 Prozent der Weltbevölkerung verur­sacht etwa die Hälfte der flugbe­dingten Treibhausgasemmissionen.

Diese Tatsache verur­sacht jedoch bei Flugtourist:innen in keinster Art und Weise Gewissensbisse oder gar eine Reduktion der persön­lichen Flugmeilen. Frei nach dem Motto: Was ich nicht wissen will, geht mich nichts an.

Stattdessen setzt man auf eine problem­freie Vielfliegerzukunft und vertraut auf den techni­schen «Fortschritt». So stirbt auch bei der Weltbank, welche die Bedeutung der Fliegerei für die Klimaerhitzung erkannt hat, die Hoffnung zuletzt:

«In terms of sustaina­bility, the greatest challenge for air transport is addressing climate change. Since the signing of the Paris Agreement in 2015, global awareness of the climate challenge has risen signi­fi­cantly, and climate news and forecasts have become more alarming. The inter­na­tional air transport sectors commitment to net-zero CO2 emissions in 2050 is of existential importance to the industry. The currently most promising measure for the industry is the intro­duction of sustainable aviation fuels (SAF), which requires signi­ficant invest­ments in feedstocks and infras­tructure and a conducive policy regime to finance production.» (Weltbank Jahresbericht 2022)

Im Klartext: Die Folgen der Klimaerhitzung sind alarmierend. Trotzdem soll laut Weltbank mit ungebremstem Wachstum weiter­ge­macht werden wie bisher – künftig einfach statt mit herkömm­lichem Kerosin mit wunder­samen nachhal­tigen Flugtreibstoffen. Zeithorizont: 2050. 

Es geht aber auch anders. Schneller und effizienter.

So schlagen etwa die Scientists4future eine Massnahme vor, die sofort wirksam wäre – und die Emissionen aus der kommer­zi­ellen Fliegerei drastisch vermindern könnte:

«Da eine geringe Zahl von sehr wohlha­benden Konsument*innen für den Großteil der Flugreisen verant­wortlich ist, würden sich mässige Preiserhöhungen kaum auswirken. Würde man dagegen die Flugaktivität des einen Prozent mit den meisten Flügen halbieren, so würde das die Emissionen aus dem kommer­zi­ellen Passagiertransport um über 25 Prozent senken.»

Es ist an der Zeit zu handeln, statt zu hoffen. Freiwillig oder aufgezwungen.

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