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«Es wird keinen gerechten Frieden geben»

Die am Nato-Jubiläumsgipfel in Washington verab­schiedete Marschrichtung zeigt unmiss­ver­ständlich Richtung Aufrüstung und Krieg. Die Schlusserklärung des Treffens lässt keine Zweifel offen: Die Nato geht aufs Ganze, in der Ukraine, aber auch im europäi­schen Hinterland.

Sicherheit durch Aufrüstung heisst das Credo. Europa investiert gehorsam ins Militär, was das Zeug hält und ohne Rücksicht auf die eigenen Staatsfinanzen. Um die Drohkulisse gegenüber Russland weiter aufzu­bauen, sollen in Deutschland wieder Langstreckenraketen statio­niert und die Kriegsindustrie in Europa kräftig angekurbelt werden.

Erinnerungen werden wach an Zeiten, als wir und Hunderttausende in Europa gegen solche Pläne auf die Strasse gingen. Heute werden die wenigen Menschen, die sich der Kriegsparole «Frieden schaffen mit Waffen» wider­setzen, als «Putinknechte» und naive Träumer:innen abgestempelt. Die Mainstream-Medien lassen es bei Verhöhnungen bewenden und lassen lieber immer wieder die ewiggleichen «Expert:innen» mit ihren gebets­müh­len­ar­tigen Prognosen und Beschwörungen zu Wort kommen.

Kaum jemand stellt die Frage, ob uns die Zusicherung weiterer militä­ri­scher Unterstützung von minde­stens 40 Milliarden USD an die Ukraine sowie die baldige Lieferung von F‑16-Kampfflugzeugen nicht vielleicht dem 3. Weltkrieg gerade ein Stück näher bringen. Ganz zu schweigen von der Zusage , die Ukraine in die Nato aufnehmen zu wollen. 

Kommt hinzu, dass jeder Euro, der für Krieg ausge­geben wird, anderswo fehlt. Selbst «reichen» Volkswirtschaften wie Deutschland fehlen an allen Ecken und Enden die Mittel, um eine zuver­lässig funktio­nie­rende Bahninfrastruktur instand zu halten und marode Autobahnbrücken zu unter­halten. Und wenn es um soziale Belange wie die Pflege alter Menschen, um Bildung, Kultur oder einen menschen­wür­digen Umgang mit Migrant:innen geht, macht eine zerstrittene Regierung nicht die leiseste Anstrengung ein «Sondervermögen» zu schaffen. 

Auch nach zweieinhalb Jahren Töten und Leiden in der Ukraine und im angren­zenden Russland, mit Hunderttausenden von Toten, lassen die Kriegstreiber:innen nicht locker: Nach wie vor predigen sie, dass der Krieg erst zu Ende sei, wenn sich Russland aus allen Gebieten der Ukraine zurück­ge­zogen habe. Was zählen schon Hundertausende weitere Tote, wenn der Krieg noch ein paar Jahre andauert.

Was für ein Theater, wie die Staats-Führer:innen am Nato-Gipfel ihre harte Haltung zelebrierten. Und dabei die ebenso simple wie falsche Beschwörungsformel repetierten, die lautet: Wir «guten», demokra­ti­schen Staaten der Nato vertei­digen das Völkerrecht und die Demokratie gegen die «bösen», despo­ti­schen Autokratien – mit Waffengewalt, und bis zum bitteren Ende

Den Preis dafür zahlen (vorläufig noch) die Menschen im ukrai­ni­schen Kriegsgebiet. Tagtäglich sterben dort 1000 und mehr russische und ukrai­nische Soldat:innen – ganz zu schweigen von den Verletzten, Traumatisierten – den Zerstörungen…Die erschreckenden Zahlen werden totge­schwiegen, von autori­tären wie auch von demokra­ti­schen Medien.

«Wir versuchen hier, ein Idealbild zu schaffen – zu sagen, jemand gewinnt und jemand verliert. Und die Ukraine muss gewinnen», kriti­sierte der polnische Journalist Jan Opielka in der Sendung Phoenix Runde vom 10. Juli 2024 die Gegenseite. Er fordert das Ende des Kriegs, bei dem alle Verlierer seien: «Die Ukraine hat schon jetzt verloren, so wie die Russen auch schon verloren haben – indem sie Hunderttausende von Menschen verloren haben. Es wird keinen gerechten Frieden geben…»

Auf ein baldiges Ende des Mordens zielt auch der Vorschlag der US-ameri­ka­nisch Historikerin Mary Elise Sarotte, die dafür plädiert, die vorläufige Teilung der Ukraine zu akzep­tieren, zugunsten eines baldigen Friedens. Spannend zu lesen ist zudem ihre Analyse der histo­ri­schen Entwicklungen, die klar aufzeigt, wie in den 1990er Jahren die Vision eines «entmi­li­ta­ri­sierten Herzens Europas» ‚unter Einbindung von Russland, von der Bush-Regierung verhindert wurde.

Das alles inter­es­siert Hard­li­ner wie den Mili­tär­öko­no­men Mar­cus Keupp keinen Deut. Trotz wie­der­holt fal­scher Pro­gno­sen in Bezug auf den Krieg in der Ukraine, erhält er von den Medien regel­mäs­sig eine Platt­form für seine ideo­lo­gisch gelei­tete Kriegspropaganda.

Argumente, sie mögen noch so hieb- und stichfest sein, wischt er mit einem süffi­santen Lächeln unter den Tisch und sagt Sätze wie, es sei einzig und allein an Putin, den Krieg zu beenden… Die Menschen an der Front und ihre Angehörigen inter­es­sieren ihn nicht.

Dies ist an Zynis­mus kaum zu über­tref­fen, wenn man weiss, dass der Pri­vat­do­zent, der an der Mili­tär­aka­de­mie der ETH Berufsoffizier:innen für die Schwei­zer Armee aus­bil­det, selbet keine Lust auf deut­schen Mili­tär­dienst verspürte und es vor­zog, im Post­kar­ten­ver­fah­ren* Zivil­dienst zu lei­sten. Das eigene Leben für die viel­zi­tierte «Frei­heit und Demo­kra­tie» aufs Spiel zu set­zen, war ihm wohl dann doch zu viel.

Und heute? Wyt vom Gschütz git alti Chrieger, sagten die alten Eidgenossen. Und gut bezahlte Militärökonomen.

* Unter der sozial-liberalen Regierung von Helmut Schmidt beschloss der Bundestag am 13. Juli 1977 eine Novelle des Wehrpflichtgesetzes und Zivildienstgesetzes, welche am 1. August 1977 in Kraft trat. Neben der Verlängerung des Zivildienstes auf 18 Monate beinhaltete es ein neues Verfahren zur Anerkennung einer Kriegsdienstverweigerung. Zuvor mussten Wehrpflichtige, die den Kriegsdienst aus Glaubens- und Gewissensgründen verweigern wollten, vor einem Ausschuss Rede und Antwort über ihre Beweggründe stehen. Das neue Gesetz schaffte nun jegliche derartige Prüfung ab. Es reichte, unter Berufung auf das Grundgesetz die Verweigerung zu erklären, ohne dafür Beweggründe anzugeben. Da hierzu theore­tisch auch eine Postkarte ausreichte, sprach man vom «Postkartenverfahren».

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