Skip to content

Kennst du das Land, wo die Zitronen verglühn?

Sizilien – ein Sehnsuchtsort par excel­lence. Noch immer schwelge ich in Erinnerungen – etwa an den lauschigen Garten in Castelbuono, wo wir im November letzten Jahres unser Frühstück unter freiem Himmel genossen haben. Ein stimmiger Start in wunderbare Tage, die uns Sizilien-Reisenden so viele Erlebnisse bescherten.

Sizilien, ganz im Süden des Landes, «wo die Zitronen blühn», ist noch immer eine Traumdestination, und daher auch ein Tourismushotspot.

Eine Reportage im briti­schen Guardian zeichnet hingegen ein ganz anderes, verstö­rendes Bild der dreieckigen Insel: Hitze und Trockenheit drohen die Lebensgrundlagen der an sich genüg­samen Ziegen zu zerstören. Nach einem viel zu trockenen und zu warmen Winter übersteigen die Temperaturen nun insbe­sondere im Süden der Insel schon wieder regel­mässig die 40-Grad-Marke.

Im Sommer 2021 wurde mit 48,8 Grad auf Sizilien die (bisherige) Rekordtemperatur für Europa gemessen. Ein Blick auf die langjährige Entwicklung zeigt einen unauf­halt­samen und – im Vergleich zum europäi­schen Mittel – übermässig hohen Anstieg der Temperaturen. Gepaart mit dem ausblei­benden Regen – seit 2003 sind laut Guardian die Niederschlagsmengen um 40 Prozent zurück­ge­gangen – führt dies zu immer prekä­reren Lebensbedingungen.

Die drasti­schen Auswirkungen der Klimaerhitzung sind auf Sizilien längst sicht- und spürbar. Im letzten Sommer wurde die Insel von verhee­renden Waldbränden heimge­sucht, die durch Trockenheit und glühende Lufttemperaturen begün­stigt wurden. Und der zuneh­mende Wassermangel macht sowohl der Landwirtschaft wie auch der Bevölkerung und dem Tourismus zu schaffen.

Laut dem European Drought Observatory befanden sich schon im Januar dieses Jahres 45 Prozent der Insel in einer kriti­schen Lage – Mitte Februar wurde für ganz Sizilien der Naturkatastrophenzustand ausge­rufen. Bei der Getreideernte droht aktuell ein Gesamtausfall – die Produktion von Orangen, Zitronen oder Trauben ist in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen.

Weil der Regen ausbleibt, fehlt es an Nachschub in den Reservoiren – zudem sind diese schlecht unter­halten, wodurch viel kostbares Nass verloren geht. In zahlreichen Regionen und Gemeinden ist das Wasser seit Monaten ratio­niert – Haushalte bleiben teilweise während Tagen ohne flies­sendes Wasser. Die Trinkwassernetze verlieren oft mehr als die Hälfte des Wassers, bevor es in den Häusern ankommt.

In der Tourismus-Region Agrigento versuchen besorgte Touristiker:innen, mit einem Vademecum, ihre Gäste bei der Stange zu halten und rufen dazu auf, trotz Wassermangel und Hitzeprognosen ihre Reservation ja nicht zu stornieren.

Erschreckend, wie sie in ihrem Leitfaden aufzu­zeigen versuchen, dass entspannte Ferien auch ohne flies­sendes Wasser möglich sind: Fürs Zähneputzen, Waschen und Kochen kaufe man abgefülltes Wasser im Supermarkt, und das WC soll nur benützt werden, wenn es wirklich dringend nötig ist…

«Reisen bedeutet auch, den Lebensstil der Einheimischen kennen­zu­lernen», promoten die Autorinnen weiter und versuchen gar, den Wassermangel ihren Gästen als Besonderheit schmackhaft zu machen: «Du wirst eine neue Erfahrung mit nach Hause nehmen und gelernt haben, Wasser nicht zu vergeuden und so Gutes für die Umwelt zu tun.»

Der verzwei­felte Versuch, den Tourismus trotz widriger Umstände am Laufen zu halten, ist nur einer von unzäh­ligen Anpassungsschritten, mit welchen die Einheimischen der Klimaerhitzung trotzen. So setzen einige Bäuerinnen und Bauern neuer­dings, angesichts der steigenden Temperaturen, auf die Produktion tropi­scher Früchte wie Avocados oder Mangos. Das Problem dabei: Diese Kulturen brauchen viel Wasser, das auf Sizilien fehlt.

Dies wird schon bald noch drasti­schere Auswirkungen haben: Laut Prognosen der Universität Catania dürfte schon 2030 ein Drittel der heutigen Anbaugebiete nicht mehr nutzbar sein. Längerfristig drohen gar 70 Prozent der Fläche Siziliens zu verwüsten.

Der 53jährige Ziegenbauer Luca Cammarata sagte genüber dem Guardian, er habe noch nie eine derartige Dürreperiode erlebt. Den Tieren beim Verdursten zuzuschauen, sei unerträglich: «Wenn es so weitergeht, muss ich meine Ziegen schlachten und meine Farm schliessen.» 

Das Geschäft mit dem Tourismus hingegen läuft vorläufig noch wie geschmiert. – Wie lange noch? Oder heisst die neue Perspektive «Wüstentourismus»? 

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.