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Kopf in den Sand und ab in die Luft!

Es ist Feri­en­zeit und die Ner­ven lie­gen wie­der ein­mal blank. Statt Enst­pan­nung Stress, statt Ent­schleu­ni­gung Auf­re­gung, statt Erho­lung Panik­at­tacken. Nicht bei allen, aber offen­bar bei vie­len. Zu den kilo­me­ter­lan­gen Staus am Gott­hard, die in den ton­an­ge­ben­den Medien unter dem Motto «Alle Jahre Wie­der» ein­mal mehr das soge­nannte Som­mer­loch fül­len, mehr­ten sich in den letz­ten Tagen Mel­dun­gen zu chao­ti­schen Zustän­den an Flughäfen.

Am 19. Juli war es ein IT-Absturz infolge eines Feh­lers beim US-Cyber­si­cher­heits-Rie­sen Crowd­Strike, der welt­weit und in ver­schie­den­sten Bran­chen für Still­stand und Auf­ruhr sorgte. Im Flug­ver­kehr muss­ten Air­ports von den USA über Asien bis Europa ihren Betrieb vor­über­ge­hend ein­stel­len. So auch in Zürich-Kloten.

Wäh­rend die Medien fru­strierte Rei­sende als Augenzeug:innen zu Wort kom­men lies­sen, die stecken­ge­blie­ben waren und auf juri­sti­sche Fra­gen nach Scha­den­er­satz­for­de­run­gen fokus­sier­ten, wurde die tat­säch­li­che Bedeu­tung des Vor­falls her­un­ter­ge­spielt: Die gewal­tige IT-Panne führt deut­lich vor Augen, wie ver­letz­lich wir als Teil einer glo­bal ver­netz­ten Indu­strie-Gesell­schaft gewor­den sind – weil letzt­end­lich abhän­gig von uns fern­steu­ern­den IT-Systemen…

Kaum war die­ser Schreck vor­bei, folgte die näch­ste Hiobs­bot­schaft für Feri­en­flie­gende: Klimaaktivist:innen – eben­falls welt­weit agie­rend – behin­der­ten den Flug­ver­kehr an ver­schie­de­nen Flug­hä­fen, dar­un­ter etwa die Flug­hä­fen Bonn/​Köln und Frank­furt a.M.

Die Aktio­nen unter dem Motto «Oil Kills» ziel­ten in ver­schie­de­nen Län­dern auf Flug­hä­fen, aus­ge­führt auch von Mit­glie­dern der «Letz­ten Gene­ra­tion» in Deutsch­land. Die Reak­tio­nen sind hef­tig und empört. Nicht nur in den Sozia­len Medien, wo sich die Kurz­sich­tig­keit einer feri­en­trun­ke­nen Spass­ge­sell­schaft in Wut­aus­brü­chen ent­lädt – das poli­ti­sche Füh­rungs­per­so­nal greift in die mar­tia­li­sche Wortkiste:

So etwa die deut­sche Innen­mi­ni­ste­rin Nancy Fae­ser (SPD), die die Pisten-Blocka­den als «dumm und kri­mi­nell» bezeich­nete und monierte, die «Chao­ten» wür­den Fami­lien den «hart erar­bei­te­ten Urlaub ver­mie­sen.» Und der deut­sche Ver­kehrs­mi­ni­ster Vol­ker Wis­sing (FDP) stellte in Aus­sicht, dass «die Ver­schär­fung der Stra­fen für sol­che kri­mi­nel­len Machen­schaf­ten» bereits auf den Weg gebracht wor­den sei.

Auch in den Schwei­zer Medien domi­nie­ren Wut und die For­de­rung nach har­ten Stra­fen. So war im Blick etwa die Rede von «Klima-Kri­mi­nel­len», 20minuten for­derte «höhere Stra­fen gegen diese Kli­ma­chao­ten» und der SVP-Natio­nal­rat Mauro Tuena ruft nach «knall­har­ten Stra­fen, soll­ten Kli­ma­ak­ti­vi­sten Flug­hä­fen lahm­le­gen wollen.»

Viel Rauch und Getöse – das aller­dings am wirk­lich drän­gen­den Thema vor­bei zielt: In Frank­furt a.M. fie­len am Don­ners­tag, 25. Juli laut dem Betrei­ber Fra­port gerade mal 230 von ins­ge­samt 1’400 geplan­ten Flü­gen aus. Wäh­rend Hun­dert­tau­sende von Flü­gen Tag für Tag die Kli­ma­er­hit­zung wei­ter befeu­ern und es kei­ner­lei Anzei­chen dafür gibt, dass sich dies innert nütz­li­cher Frist ändern wird. Schliess­lich geht es um hart erar­bei­tete Ferien von Burn­out bedroh­ten Schwerarbeiter:innen, am För­der­band und im Homeoffice.

Wer sich etwas genauer mit dem Thema befasst, kommt jedoch zum Schluss, dass nicht jene Men­schen kri­mi­nell und dumm sind, die ihr Leben ris­kie­ren, um die zer­stö­re­ri­sche Gewalt der fos­si­len Ener­gien im Flug­ver­kehr zu stop­pen, wie Mini­ste­rin Fae­ser behaup­tet. Viel­mehr sind es jene, die die gren­zen­lose Flie­ge­rei immer noch schön­re­den und verharmlosen.

Oder, wie es einer der weni­gen die Aktivist:innen unter­stütz­ten­den FB-Kom­men­ta­to­ren for­mu­liert: «Kri­mi­nell sind all jene, die die Zukunft der fol­gen­den Gene­ra­tio­nen zer­stö­ren. Diese Täter-Opfer-Ver­dre­hung der ver­ant­wort­li­chen Poli­tik kotzt mich wirk­lich an. Nicht mal die selbst gesteck­ten Kli­ma­ziele hal­ten sie ein, obwohl diese ohne­hin schon zu lax sind.»

Ein lärm­ge­plag­ter Anwoh­ner des Frank­fur­ter Dreh­kreuz-Flug­ha­fens bedankt sich auf Face­book bei den Aktivist:innen: «Ich weiss ja, das ist nicht euer ober­stes Ziel, aber vie­len Dank für einen Vor­mit­tag im Rhein-Main-Gebiet, an dem mir nicht alle drei Minu­ten der Him­mel auf den Kopf fällt».

«Flug­hä­fen sind ein Ort, an dem deut­lich wird: Was frü­her nor­mal war, kön­nen wir uns heute nicht mehr lei­sten. Öl tötet! Und des­halb brau­chen wir jetzt eine gerechte Wende!» begrün­den die Aktivist:innen der «Oil Kills»-Kampagane die Orts­wahl für ihre aktu­el­len Aktionen.

Denn die Umwelt­schä­den, fal­len nicht nur in Flug­ha­fen­nähe und in der Erd­at­mo­sphäre an, son­dern bereits an der Quelle des Treib­stoff­übels Flug­ver­ver­kehr: Bei der Ölför­de­rung – fern von den Gärt­chen der Ferienreisenden.

Ein Bei­spiel dafür ist die Region Basra im Süden des Iraks: Die einst frucht­bare Region lei­det heute unter aku­tem Was­ser­man­gel und Umwelt­ver­gif­tun­gen durch die Erd­öl­för­de­rung. Die Men­schen leben in Armut, viele sind krank infolge der Umwelt­gifte, die durch die Erd­öl­in­du­strie frei­ge­setzt wer­den. «Die aus­län­di­schen Kon­zerne wie BP, Exxon Mobile, Shell und andere hal­ten sich hier nicht an die in ihren eige­nen Län­dern gel­ten­den Gesetze», kri­ti­siert Dhurgham Al Ajwadi, Vize­gou­ver­neur von Basra in einem ein­drück­li­chen Arte-Doku­men­tar­film.

Urlauber:innen, die Ferien zwin­gend mit Flug­rei­sen ver­bin­den, sind sich zumeist gar nicht bewusst, dass sie zu einer ver­schwin­dend klei­nen Min­der­heit gehö­ren, die sich das über­haupt lei­sten kann: 80 Pro­zent der Men­schen sind noch nie geflo­gen! Und nur 1 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung ver­ur­sacht etwa die Hälfte der flug­be­ding­ten Treibhausgasemmissionen.

Diese Tat­sa­che ver­ur­sacht jedoch bei Flugtourist:innen in kein­ster Art und Weise Gewis­sens­bisse oder gar eine Reduk­tion der per­sön­li­chen Flug­mei­len. Frei nach dem Motto: Was ich nicht wis­sen will, geht mich nichts an.

Statt­des­sen setzt man auf eine pro­blem­freie Viel­flie­ger­zu­kunft und ver­traut auf den tech­ni­schen «Fort­schritt». So stirbt auch bei der Welt­bank, wel­che die Bedeu­tung der Flie­ge­rei für die Kli­ma­er­hit­zung erkannt hat, die Hoff­nung zuletzt:

«In terms of sus­taina­bi­lity, the grea­test chall­enge for air trans­port is addres­sing cli­mate change. Since the sig­ning of the Paris Agree­ment in 2015, glo­bal awa­re­ness of the cli­mate chall­enge has risen signi­fi­cantly, and cli­mate news and fore­casts have become more alar­ming. The inter­na­tio­nal air trans­port sec­tors com­mit­ment to net-zero CO2 emis­si­ons in 2050 is of exi­sten­tial importance to the indu­stry. The curr­ently most pro­mi­sing mea­sure for the indu­stry is the intro­duc­tion of sus­tainable avia­tion fuels (SAF), which requi­res signi­fi­cant invest­ments in feedstocks and infras­truc­ture and a con­du­cive policy régime to finance pro­duc­tion.» (Welt­bank Jah­res­be­richt 2022)

Im Klar­text: Die Fol­gen der Kli­ma­er­hit­zung sind alar­mie­rend. Trotz­dem soll laut Welt­bank mit unge­brem­stem Wachs­tum wei­ter­ge­macht wer­den wie bis­her – künf­tig ein­fach statt mit her­kömm­li­chem Kero­sin mit wun­der­sa­men nach­hal­ti­gen Flug­treib­stof­fen. Zeit­ho­ri­zont: 2050. 

Es geht aber auch anders. Schnel­ler und effizienter.

So schla­gen etwa die Scientists4future eine Mass­nahme vor, die sofort wirk­sam wäre – und die Emis­sio­nen aus der kom­mer­zi­el­len Flie­ge­rei dra­stisch ver­min­dern könnte:

«Da eine geringe Zahl von sehr wohl­ha­ben­den Konsument*innen für den Groß­teil der Flug­rei­sen ver­ant­wort­lich ist, wür­den sich mäs­sige Preis­er­hö­hun­gen kaum aus­wir­ken. Würde man dage­gen die Flug­ak­ti­vi­tät des einen Pro­zent mit den mei­sten Flü­gen hal­bie­ren, so würde das die Emis­sio­nen aus dem kom­mer­zi­el­len Pas­sa­gier­trans­port um über 25 Pro­zent senken.»

Es ist an der Zeit zu han­deln, statt zu hof­fen. Frei­wil­lig oder aufgezwungen.

Perfekt getaktete Kampagne

Am 7. Juli – pünkt­lich zum Start der media­len «Som­mer­flaute», prangte auf der Titel­seite der Sonn­tags­Zei­tung in gros­sen Let­tern: «Die JUSO zwin­gen mich zum Aus­wan­dern.» Der Hil­fe­schrei kommt von Peter Spuh­ler. Der alt-SVP-Poli­ti­ker und Bahn­in­du­stri­elle ist einer der weni­gen Schwei­zer Mil­li­ar­däre, die das Bad in der Öffent­lich­keit nicht scheuen.

Der 65jährige bangt um sein Ver­mö­gen und sorgte nicht nur für fette Schlag­zei­len auf der Front – im Innern des Blatts sind sei­nen Kla­gen und Dro­hun­gen zwei zusätz­li­che Sei­ten gewid­met. Stein des Anstos­ses ist die von der JUSO im Februar ein­ge­reichte Initia­tive «Für eine soziale Kli­ma­po­li­tik – steu­er­lich gerecht finan­ziert (Initia­tive für eine Zukunft)», die Pri­vat­ver­mö­gen, wel­che einen Frei­be­trag von 50 Mil­lio­nen Fran­ken über­stei­gen, mit einer Erb­schafts- und Schen­kungs­steuer in der Höhe von 50 Pro­zent bele­gen will.

Die Ein­nah­men aus die­ser Steuer sol­len zweck­ge­bun­den ver­wen­det wer­den: «Der Bund und die Kan­tone ver­wen­den den Roh­ertrag der Steuer zur sozial gerech­ten Bekämp­fung der Kli­ma­krise sowie für den dafür not­wen­di­gen Umbau der Gesamt­wirt­schaft …. », lau­tet die Bestim­mung im Initiativtext.

Eine kluge Vor­lage, die nur auf den ersten Blick krass erscheint. Zur Kasse gebe­ten wer­den näm­lich nur Super­rei­che – schät­zungs­weise han­delt es sich dabei um rund 2600 Per­so­nen in der Schweiz, die über ein Ver­mö­gen von über 50 Mil­lio­nen Fran­ken ver­fü­gen. Dar­un­ter eine Reihe von Grossaktionär:innen soge­nann­ter Fami­li­en­un­ter­neh­men, aber auch einige Steu­er­flücht­linge etwa aus Nor­we­gen, Deutsch­land oder Italien.

Ihnen allen ist gemein­sam: Bei der Grös­sen­ord­nung ihres Reich­tums ist die Abgabe von 50 Pro­zent des in der Hand eines Ein­zel­nen kon­zen­trier­ten Ver­mö­gens für die Betrof­fe­nen locker ver­kraft­bar. Die ver­fas­sungs­kon­forme Besteue­rung von Milliardär:innen würde nam­hafte Beträge erzie­len für den drin­gend not­wen­di­gen und bis­lang sträf­lich unter­do­tier­ten Klimaschutz.

Eine Vor­lage aber auch, die bei den in die­sem Land ton­an­ge­ben­den Mil­li­ar­dä­ren und Mil­lio­nä­ren Schnapp­at­mung her­vor­ruft, wie das Bei­spiel Spuh­ler zeigt. 1,5 bis 2 Mil­li­ar­den Fran­ken müss­ten seine drei Kin­der als Erb­schafts­steuer zah­len, sollte die Initia­tive ange­nom­men wer­den – um dies zu stem­men, müss­ten sie Anteile des Spuh­ler­schen Fir­men­im­pe­ri­ums ver­kau­fen, so die Klage.

Schwei­zer Unter­neh­men, so Spuh­ler wei­ter, drohe so der Ver­kauf etwa an sau­di­sche oder chi­ne­si­sche Gross­in­ve­sto­ren. Ein Non­sens ohne­glei­chen – vor­aus­ge­setzt natür­lich, die sich von Fall zu Fall patrio­tisch geben­den Schwei­zer Milliardär:innen ver­kau­fen ihre Anteile, soweit nötig zur Steu­er­be­glei­chung, nicht an ara­bi­sche, chi­ne­si­sche oder rus­si­sche Olig­ar­chen, son­dern an Schwei­zer Inve­sto­ren, pri­vate und institutionelle.

Gerade Peter Spuh­ler, der heute über ein Fir­men-Impe­rium ver­fügt, des­sen Bör­sen­wert von der Bilanz 2023 mit 4,3 Mil­li­ar­den Fran­ken bezif­fert wurde, ist ein leuch­ten­des Bei­spiel dafür, wie pro­ble­ma­tisch die Kon­zen­tra­tion von Reich­tum in einer Hand ist: Ange­sichts der offe­nen Fra­gen um Nach­fol­ge­lö­sun­gen für sein Impe­rium bezeich­net die NZZ (!) Peter Spuh­ler als ein Klum­pen­ri­siko für die Schweiz. – Wer­den wir also ein Klum­pen­ri­siko los, wenn Spuh­ler, nach Ita­lien oder Öster­reich auswandert?

Nichts­de­sto­trotz gefällt sich der inter­na­tio­nal agie­rende Mil­li­ar­där nach wie vor in der Rolle des Schwei­zer Muster-Unter­neh­mers. Er nimmt für sich und sei­nes­glei­chen in Anspruch, die Basis des Wohl­stands in unse­rem Land zu schaf­fen. Genauso wie seine SVP- und Kol­le­gin im Mil­li­ar­därs­club, Mag­da­lena Mar­tullo-Blo­cher. Ihr cle­ve­rer Vater Chri­stoph Blo­cher hat beträcht­li­che Ver­mö­gens­werte längst an sie und ihre Geschwi­ster wei­ter­ge­ge­ben – so wie sie es auch mit ihren Kin­dern tun wird. Und so wei­ter, und so fort…

Mar­tullo-Blo­cher liess sich, nur wenige Tage nach Spuh­lers Don­ner­schlag in der Sonn­tags­Zei­tung, im BLICK mit dem glei­chen Nar­ra­tiv ver­neh­men: «Meine Kin­der müss­ten auf einen Schlag 2,5 Mil­li­ar­den Fran­ken bezah­len.» Was sie dabei unter­schlägt: Die ver­blei­ben­den 2,5 Mil­li­ar­den Fran­ken, plus ein «Taschen­geld» von 50 Mil­lio­nen Fran­ken (der Frei­be­trag), könn­ten ihre Erben behalten…

In einer kon­zer­tier­ten Aktion äus­ser­ten sich in der Folge wei­tere Super­rei­che, die mit der Aus­wan­de­rungs­keule dro­hen. Unter ihnen etwa Tho­mas Strau­mann, dem gleich zwei bör­sen­ko­tierte Unter­neh­men gehö­ren. Er sorgt sich um die Erb­schaft sei­ner fünf Kin­der, auch wenn er offen­her­zig bekennt, dass sich kei­nes von ihnen mit der Absicht trage, aktiv «ins Fami­li­en­un­ter­neh­men» ein­zu­stei­gen – mit ande­ren Wor­ten: Fer­tig Fami­li­en­un­ter­neh­men – die Strau­mann- Fir­men künf­tig als reine Kapi­tal­an­lage für die Straumann-Erben.

Vater Strau­mann jam­mert von Aus­wan­de­rung, die er schwe­ren Her­zens erwäge. Wie alle ande­ren Super­rei­chen, wird aber auch er nicht kon­kret. Zwar ver­stei­gen sich die Tame­dia-Blät­ter in einem Arti­kel vom 13. Juli zur Behaup­tung, dass erste Mil­lio­näre aus Angst vor der Juso-Initia­tive bereits weg­ge­zo­gen seien. Wer den Arti­kel liest, sucht aber ver­ge­bens nach Bele­gen. Fak­ten­jour­na­lis­mus, das war einmal.

Zitiert wird ein­zig die Nid­wald­ner Finanz­di­rek­to­rin, die gesagt haben soll, dass sich wegen der JUSO-Initia­tive Mul­ti­mil­lio­näre bereits zur Aus­wan­de­rung ent­schie­den hät­ten. Die Tame­dia Redak­tion glaubt es. Und die BLICK-Trom­pe­ten befürch­ten das Allerschlimmste.

Die Initia­tive kommt übri­gens frü­he­stens Anfang 2026 zur Abstimmung.

Und es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die klei­nen Steu­er­pa­ra­dies-Kan­tone wie Nid­wal­den schon dafür besorgt sein wer­den, dass zumin­dest das Stän­de­mehr nicht erreicht wird.

Wes­halb die Schwei­zer Main­stream-Medien – allen voran TX Media und Rin­gier, die beide schwer­rei­chen Fami­lien gehö­ren, aber auch die NZZ – das Thema schon jetzt lan­cie­ren, kann nur ver­mu­tet wer­den. Wahr­schein­lich geht es darum, die JUSO-Initia­tive vor der Debatte im Par­la­ment in die extre­mi­sti­sche Ecke zu stel­len, nach­dem der erste Ver­such von FDP-Steu­er­ver­mei­der Ruedi Noser geschei­tert ist, sie für ungül­tig zu erklären.

Und plötz­lich taucht eine «Stu­die» auf, die PWC Switz­er­land zur JUSO-Initia­tive gerade recht­zei­tig publi­ziert hat – basie­rend auf einer Umfrage unter Millionär:innen(!) in der Schweiz.

Ein Schelm, der da einen Zusam­men­hang wit­tert. Oder könnte es etwa sein, dass die geschäfts­tüch­ti­gen Steuervermeidungsberater:innen ihrer Kund­schaft nahe­ge­legt haben, mit Aus­wan­de­rung zu dro­hen. Und sofort wer­den Alarm­glocken geläu­tet: Der Weg­zug der Rei­chen führe auto­ma­tisch zu höhe­ren Steu­ern für die klei­nen Leute, heisst es.

Für­wahr, eine per­fekt getak­tete Kam­pa­gne. Mit all den Millionär:innen hier­zu­lande, die es noch nicht sind, aber es durch einen Lot­to­ge­winn (oder was auch immer) zu wer­den hof­fen. Deren Kin­der sol­len und wol­len nie­mals 50 Pro­zent Erb­schafts­steuer zah­len müssen!

Des­halb wol­len sie – unter ihnen auch SP-Nationalrät:innen, die ihrer Jung­par­tei ein­mal mehr in den Rücken fal­len – die Initia­tive bachab schicken. Obschon sie ja nur Super­rei­che mit einem Ver­mö­gen von mehr als 50 Mil­lio­nen in die Ver­ant­wor­tung nimmt. Aber man weiss ja nie, ob die Frei­grenze nicht der­einst auch von den eige­nen Erb:innen über­schrit­ten wer­den könnte…

Tierische Begegnungen

Mit Zug und Bus ins Thal im Solo­thur­ner Jura. Unser erstes Ziel sind die Wisente, die im Sep­tem­ber 2022 vom Tier­park Lan­gen­berg hier­her trans­fe­riert wor­den sind. In ein gros­ses Gehege, als erster Schritt Rich­tung Auswilderung.

Unter Aus­wil­de­rung ver­steht man den Pro­zess, Tiere, die in Gefan­gen­schaft auf­ge­zo­gen wur­den, lang­sam an ein Leben in der freien Natur zu gewöh­nen. Mit dem Ziel, dass sie sich dau­er­haft dort ansie­deln und selb­stän­dig fort­pflan­zen. Zu die­sem Pro­zess gehört natür­lich auch, dass sich die Men­schen in der Umge­bung an die neuen Nach­barn gewöhnen. 

Bis ins Mit­tel­al­ter bevöl­ker­ten Wisent­her­den die Wäl­der Euro­pas. Wie die Bisons, ihre Ver­wand­ten in Nord­ame­rika, haben die Men­schen auch die Wisente gejagt und diese Anfang des 20. Jahr­hun­derts in der freien Wild­bahn aus­ge­rot­tet. Die Art hat ein­zig dank eini­ger Exem­plare, die in Zoos und Tier­gär­ten gehal­ten wur­den, überlebt.

Heute gibt es dank Zucht- und Aus­wil­de­rungs­pro­jek­ten wie­der zahl­rei­che frei­le­bende Her­den, vor allem im Kau­ka­sus, in Polen, der Slo­wa­kei, Rumä­nien und Deutsch­land. Und nun also auch in der Schweiz – oder zumin­dest fast: Wie üblich hier­zu­lande, wird ein sol­ches Pro­jekt sachte ange­gan­gen – unter Auf­sicht und mit natur­wis­sen­schaft­li­cher Beglei­tung (für die Tiere) und psy­cho­lo­gi­schem Sup­port (für die Men­schen) . Des­halb wer­den die Schwei­zer Wisente, die im Wild­nis­park Zürich in Gefan­gen­schaft auf­ge­wach­sen sind, vor­erst auf ein 100 Hektar gros­ses Areal in die Halb­frei­heit entlassen.

Wir haben Glück: Im hohen Gras gleich hin­ter dem Ein­gangs­tor ent­decken wir ein Pracht­ex­em­plar beim Wie­der­käuen. Auch auf Distanz sind seine Masse ein­drück­lich, was nicht wei­ter erstaunt: Der Wisent ist das grösste noch lebende Land­säu­ge­tier Europas.

© Peter Neu­haus, 2024

Plötz­lich taucht ein zwei­ter wusche­li­ger Kopf aus dem Grün auf – etwas wei­ter hin­ten bewegt sich ein Schwanz… Schliess­lich zäh­len wir sie­ben, acht, neun Tiere – dar­un­ter zwei Käl­ber. Das eine von ihnen tut uns sogar den Gefal­len, steht auf und posiert im Sonnenlicht.

Ein schö­ner Anblick, den wir selbst­ver­ständ­lich mit unse­ren Kame­ras fest­hal­ten. Dann gehen wir wei­ter, über­que­ren eine Strasse, wo Autos und Töffs mit heu­len­den Moto­ren vor­bei­flit­zen und fra­gen uns, ob die Wisent­herde hier eines Tages tat­säch­lich und ganz ohne Zaun wie­der hei­misch wer­den kann.

Unser Weg führt nun steil berg­auf, durch die wild-roman­ti­sche Wolfs­schlucht. Ob sie ihren Namen tat­säch­lich Wöl­fen ver­dankt, die vor lan­ger Zeit hier gelebt haben, bevor auch sie ver­trie­ben und geschos­sen wur­den, ist nicht belegt. Vor­stell­bar wäre es – wie auch die Rück­kehr des Wolfs, in diese Land­schaft. In den letz­ten Jah­ren gab es ver­ein­zelte Wolfs­be­ob­ach­tun­gen in der Region, aller­dings in einem Gebiet etwas süd­lich der Schlucht.

Dass der Wolf «seine Schlucht» im Solo­thur­ner Jura tat­säch­lich je zurück­er­obern wird, ist aber unwahr­schein­lich – ins­be­son­dere seit der von Bun­des­rat Rösti ver­ord­ne­ten Abschuss­be­wil­li­gung gan­zer Rudel. Mensch und Wisent im klei­nen Schweiz­er­land geht viel­leicht, Mensch und Wolf aber kom­men sich, wie es scheint, zu sehr ins Gehege.

Sol­ches gilt nur in beschränk­tem Mass für die zahl­rei­chen Schnecken im Thal. In der Schlucht gedul­det, sind sie aber in der Men­schen­frei­zeit von Vibram­soh­len und MTB-Bike-Pneus bedroht, weil zu wenig flink. Wir blicken des­halb auf­merk­sam vor unsere Wan­der­füsse und ret­ten einige Hüs­lischnecken vor dem Zer­quetscht-Wer­den. Unsere Auf­merk­sam­keit wird belohnt: Am Weg­rand kön­nen wir zwei fette rote Weg­schnecken beim Kopu­lie­ren beobachten.

Mit­tag ist schon vor­bei, lang­sam knurrt der Magen. Wir errei­chen eine Lich­tung, am Wald­rand ein beque­mer Baum­stamm. Nicht nur unser Rast­platz – wie wir gleich bemer­ken, han­delt es sich um einen Logen­platz erster Klasse für eine uner­war­tete Vorstellung.

Sie beginnt mit dem Auf­tritt von drei Frauen, einem Mann – alle in oran­gen Gilets, auf dem Rücken in gros­sen Buch­sta­ben REDOG. Beglei­tet wer­den sie von einer aler­ten Gol­den Retrie­ver-Hün­din, die eben­falls mit einem oran­gen Gst­ältli aus­ge­rü­stet wird.

Ihre Füh­re­rin kniet zu ihr hin­un­ter und weist mit gestreck­tem Arm in Rich­tung Feld. Ein kur­zer Befehl und die Hün­din pfeilt den Gegen­hang hoch, kreuzt blitz­schnell nach links, nach rechts – ver­schwin­det zeit­weise im hohen Farn, um gleich wie­der aufzutauchen…

© REDOG

REDOG, geht mir durch den Kopf – das sind doch die Hun­de­teams aus der Schweiz, die nach Erd­be­ben zur Ber­gung von Ver­schüt­te­ten los­ge­schickt wer­den – bekannt aus Presse und Fern­se­hen… Hier nun also live im Ein­satz! – Oder bes­ser gesagt am Trai­nie­ren, wie wir sogleich erfahren.

Wäh­rend wir dem Trei­ben fas­zi­niert zuschauen, kommt der Mann aus der Gruppe auf uns zu und legt ein Stück rotes Seil auf den Boden vor unse­ren Füs­sen. «Die Hunde sind dar­auf trai­niert, sit­zende und lie­gende Men­schen zu detek­tie­ren – falls sie also zu euch kommt…», sagt er und klärt uns auf, dass es sich bei der jun­gen Hün­din um ein Tier han­delt, das noch in der Aus­bil­dung steckt.

Die­ses wür­digt uns jedoch kei­nes Blickes – sie ist am Gegen­hang bereits fün­dig gewor­den und eilt nun zu ihrer Che­fin, um diese zu holen. Ein Schau­spiel, das sich in den kom­men­den Minu­ten mehr­fach wie­der­holt: Ein ums andere Mal wird die Hün­din los­ge­schickt, um eine im Hang ver­steckte Per­son zu detek­tie­ren und anschlies­send ihre Hun­de­füh­re­rin an den rich­ti­gen Ort zu führen.

Nach­dem sie ihr Trai­ning fer­tig absol­viert hat, erhält sie gros­ses Lob – und der näch­ste Hund ist an der Reihe…

Sowohl Mensch wie Tier sind vol­ler Hin­gabe bei der Sache – sogar als Zuschaue­rin spüre ich die ansteckende Ver­bun­den­heit und Freude, die hier aus­ge­lebt wird. Ein unglaub­li­ches Enga­ge­ment, das weit über die Lust am gemein­sa­men Trai­ning in der Natur hinausreicht.

Sein letz­ter Ret­tungs-Ein­satz sei vor einer Woche gewe­sen, ant­wor­tet der Trai­nings­lei­ter auf unsere Frage. In Schaff­hau­sen, ein Sui­zid. Zwan­zig Hun­de­teams hät­ten nach einer ver­miss­ten Frau gesucht – und sie schliess­lich auch gefun­den. Tot.

Die Suche nach Ver­miss­ten, Ver­schüt­te­ten, Getö­te­ten – das ist das Kern­ge­schäft der Ret­tungs­teams von REDOG – und die Kehr­seite des spie­le­ri­schen Trai­nings, dem wir gerade bei­woh­nen. «Men­schen und Hunde für Hilfe in der Not», lau­tet ihr Motto. Zu errei­chen sind sie rund um die Uhr.

Der Trai­nings­lei­ter, der seit 30 Jah­ren für REDOG im Ein­satz steht, drückt uns Wer­be­flyer des Ver­eins in die Hand. Wir mer­ken uns die Not­ruf­num­mer (0844 44 11 44 ) – man weiss ja nie…

Als letz­ter Pro­band steht an die­sem Sams­tag­mit­tag ein Labra­dor im Ein­satz. Kaum los­ge­las­sen, hat er die im Hang ver­steckte Per­son auch schon auf­ge­spürt. «Der Labra­dor ist ein Arbeits­tier – die sind so fix…», kom­men­tiert unser Gewährs­mann vol­ler Respekt für die Lei­stung des Tiers.

In mir wächst der­weil der Respekt ins­be­son­dere auch für die Lei­stung der Hundehalter:innen: Sie lei­sten ihre Ein­sätze in Frei­wil­li­gen­ar­beit – als Dienst an der Gesell­schaft. Dafür erhal­ten sie ledig­lich Kilo­me­ter­spe­sen vergütet.

Ein unglaub­li­ches Enga­ge­ment, im Zeit­al­ter der Mone­ta­ri­sie­rung jeder noch so klei­nen Dienst­lei­stung, denke ich, wäh­rend wir unse­ren Weg Rich­tung Bals­thal fort­set­zen. Vor allem ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Ret­tungs­teams oft mit schwe­ren, bela­sten­den Situa­tio­nen kon­fron­tiert sind. – Chapeau!

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