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Steiniger Weg zur Velostadt

Montag, 3. Juni – 17.40 Uhr am Desk der Velostation in Biel. Im schmalen Raum grosser Andrang, dicke Luft. Harte Worte, verständ­nis­loses Kopfschütteln und zwei Mitarbeiter, die versuchen, das Ganze mit stoischer Ruhe über sich ergehen zu lassen.

Eigentlich müsste es ein Moment der Freude sein: Die Bieler Velostation hat an diesem Morgen, nach neunmo­na­tiger(!) Betriebspanne, ihren Betrieb endlich wieder aufge­nommen. Konkret: Das Schliesssystem für die Türen funktio­niert wieder. Monatelang standen die Velos hinter einem offenen Tor, jeder und jede hatte freien Zugang – auch die Fahrraddiebe…

Jetzt sind die Velos also wieder geschützt und können nur mit einem gültigen, das heisst neuen Badge, geöffnet werden. Dieser muss am Schalter, der gerade mal an zwei Tagen pro Woche je eineinhalb Stunden geöffnet ist, erstanden werden.

Alle Nutzerinnen und Nutzer, das war schon vor der Panne so, müssen ein Formular ausfüllen, in welchem sie ihre Personalien angeben. Zur Kontrolle ist ein Personalausweis vorzulegen.

Ein Velobesitzer studiert das Formular und wird laut. Er ist nicht bereit, nach den Erfahrungen der letzten Monate hundert Franken für ein Jahresabo hinzu­blättern, zumal unklar ist, ob die Velostation während der kommenden 12 Monaten auch wirklich zuver­lässig funktio­niert. Tatsächlich steht ein weiterer Kunde neben ihm am Desk, der seinen Badge schon gekauft hat – dieser funktio­niere aber nicht …

Bereits vor dem vollstän­digen Zusammenbruch des Zugangssystem im September 2023 kam es immer wieder vor, dass die Türen nicht geöffnet oder geschlossen werden konnten, oder das Licht in der Station nicht funktio­nierte und man sich im Dunkeln sein Velo ertasten musste.

Statt der erhofften Verbesserung der Situation, sehen sich die Nutzer:innen der Velostation mit der Wiederinbetriebnahme mit einem massiven Service-Abbau konfron­tiert: Das praktische und beliebte 12er Abo wurde aus dem Angebot gestrichen, wer sein Velo am Bahnhof Biel in einem geschlos­senen Raum parkieren will, muss neuer­dings ein Monats- oder Jahresabonnement kaufen.

Zwar können auch Einzeleintritte für im Voraus bestimmte Daten gelöst und je einzeln auf einen Badge geladen werden. Für jeden Badge ist ein Depot von CHF 10.— zu hinter­legen, das wiederum nur während der kunden­un­freundlich-minimals­tisch angesetzten Schalterstunden (Montag 16.30–18 Uhr und Freitag, 11.30 bis 13 Uhr) zurück­ge­fordert werden kann… Kurzum: Das ganze System ist – im Zeitalter von Bezahlautomaten und Apps – ein absoluter Hohn.

Neu dürfen in der Velostation zudem nur noch «normale Velos und leichte E‑Bikes abgestellt werden. Ausgerechnet teurere Fahrzeuge wie E‑Mountainbikes, Cargovelos, Veloanhänger oder Tandems, die einen Extra-Diebstahlschutz bräuchten, müssen draussen bleiben. «Aus Platzgründen», sagt der Mann am Schalter. Dabei ist das Bahnhof-Parking, wo sich die Velostation befindet, seit Jahren überhaupt nicht ausge­lastet. Statt die unbenutzten Autoparkplätze weiterhin leer stehen zu lassen, könnte hier problemlos weiterer Platz für Cargo-Velos und weitere Fahrzeuge des umwelt­freund­lichen Verkehrs geschaffen werden.

Das Trauerspiel rund um die Bieler Velostation zeigt einmal mehr, dass die Verantwortlichen in der Stadt Biel offenbar bis heute nicht begriffen haben, wie eine moderne Mobilitätspolitik auszu­ge­stalten ist. Noch immer steht das Auto im Mittelpunkt – so ist es nur logisch, dass die Bieler Velostation vom inter­na­tio­nalen Parkhaus-Konzern APCOA betrieben wird. Dieser verdient sein Geld mit der Vermietung von Autoparkplätzen. Das Geschäft mit den Velos scheint für ihn nicht von Interesse, und er hat damit offenbar kaum Erfahrung.

APOCA betreibt die Velostation im Auftrag der Stadt, genauer gesagt der Parking Biel AG, in deren Verwaltungsrat die Grüne Bieler Gemeinderätin Lena Frank, SVP-Finanzdirektor Beat Feurer sowie Yanick Jolliet, Leiter des Hochbauamts Biel und André Glauser, der Leiter Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel sitzen. Mit anderen Worten: Die Verantwortung für eine funktio­nie­rende, benut­zer­freund­liche Velostation liegt bei den Stadtbehörden.

Diese rühmt sich späte­stens seit dem Westast-Debakel gerne für ihr Engagement für den ÖV und den sanften Verkehr. Doch mit dem Promoten von Mobilitätskonzepten und PR-Aktionen wie etwa letzten Sommer an der Collègegasse ist es nicht getan. Damals weihten Stadtpräsident Erich Fehr und Baudirektorin Lena Frank gemeinsam einen sage und schreibe 100 Meter kurzen neuen Veloweg in der Innenstadt ein und liessen sich medien­wirksam bei der Montage des entspre­chenden Verkehrsschilds ablichten…

Sie hätten statt­dessen besser die Website des Forums Velostationen Schweiz studiert. Dort findet sichnämlich ein infor­ma­tiver Überblick über die verschie­denen Systeme, die aktuell in Betrieb sind. Besonders attraktiv: Die Plattform velocity​.ch bietet zusammen mit Swisspass ein online Zugangssystem, das schweizweit von St. Gallen bis Genf bereits bei über 50 Velostationen in Betrieb ist und einen niedrig­schwel­ligen, effizi­enten Zugang zu sicherem Parkieren von Fahrzeugen des sanften Verkehrs ermöglicht.

Und Biel?

Macht keine Anstalten, in die Premier Ligue der Velostädte aufsteigen zu wollen.

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