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Die Mitmacher – eingeseift an runden Tischen

Die Prediger:innen für das neue Strom­ge­setz — von Bun­des­rat Albert Rösti bis zu SP-Natio­nal­rä­tin Nadine Mass­hardt oder WWF-CEO Tho­mas Vel­la­cott — ver­schlei­ern und ver­tu­schen, was das Zeug hält. So auch in der SRF-Arena vom letz­ten Freitag.

«Ich brau­che mehr Strom», wurde Rösti nicht müde zu ver­si­chern. Unter ande­rem, weil Oel, Gas und Kohle als bis­he­rige Ener­gie­quel­len ersetzt wer­den müss­ten. Der Ex-Prä­si­dent des Schwei­ze­ri­schen Was­ser­wirt­schafts­ver­bands und Erd­öl­lob­by­ist bleibt auch im Bun­des­rat ein Fah­nen­trä­ger der Elek­tri­zi­täts­kon­zerne und malte ein­mal mehr das Gespenst einer «Strom­man­gel­lage» an die Wand.

Auf die Ein­wände von Vera Weber, der Prä­si­den­tin der Fon­da­tion Franz Weber und enga­gier­ten Kämp­fe­rin für einen sorg­sa­men Umgang mit unse­ren natür­li­chen Res­sour­cen, reagierte er väter­lich nach­sich­tig — blieb aber in der Sache knall­hart: Es brau­che für die Ener­gie­wende eben den einen oder ande­ren Ein­griff in die Land­schaft. Dis­kus­sion überflüssig.

Weber hielt dage­gen, dass das neue Strom­ge­setz mit der Schaf­fung der Kate­go­rie «Pro­jekte von natio­na­lem Inter­esse» die Ener­gie­ver­sor­gung über den Land­schafts- und Natur­schutz stellt. Wer den Geset­zes­text gele­sen hat, kommt zum glei­chen Schluss wie Vera Weber: Bei einer Annahme des neuen Strom­ge­set­zes wür­den die Errun­gen­schaf­ten der letz­ten Jahre zugun­sten unse­rer Lebens­räume auf dem Altar der Ener­gie­ver­schleu­de­rung geopfert.

Die Behaup­tung der Strom­ge­setz-Kam­pa­gne, dass der Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien zu über 80 Pro­zent auf bestehen­den Gebäu­den und Infra­struk­tu­ren erfol­gen werde, ent­larvte Weber mit einem ein­leuch­ten­den Argu­ment: «Der Gross­teil wird in der unbe­rühr­ten Natur erfol­gen, weil in besie­del­ten Gebie­ten Inter­es­sens­kon­flikte und Ein­spra­chen das Bauen erschwe­ren», pro­gno­sti­zierte sie.

Trotz­dem hal­ten die Ja-Sager:innen an die­ser «80 Prozent»-Behauptung fest, obschon sie im vor­lie­gen­den Gesetz mit kei­nem Satz vor­kommt. Denn eine dazu not­wen­dige Solar­pflicht auf bestehen­den und neuen Gebäu­den wurde bei der For­mu­lie­rung des Strom­ge­set­zes fal­len gelas­sen. Man einigte sich auf einen fau­len Kom­pro­miss: Solar­pflicht nur bei Neu­bau­ten auf Gross­an­la­gen von über 300 Qua­drat­me­tern Flä­che. Eine kläg­li­che Nie­der­lage der lin­ken und grü­nen Energiepolitiker:innen im Parlament.

Umso erstaun­li­cher, dass gerade sie jetzt die Pauke schla­gen und so tun, als sei der vor­lie­gende Strom­kom­pro­miss ein rich­tungs­wei­sen­der Schritt und ein Ja dazu alter­na­tiv­los. So warnte etwa SP-Strom­ge­setz-Turbo Nadine Mass­hardt davor, dass bei einer Ableh­nung, ange­sichts der aktu­el­len Zusam­men­set­zung des Par­la­ments, nichts Bes­se­res zustande kom­men würde, im Gegenteil.

Der abtre­tende SLS-Geschäfts­füh­rer Rai­mund Rode­wald, des­sen Ver­band, wie alle ande­ren gros­sen Schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen ein­ge­knickt ist, gibt immer­hin zu, dass er nicht glück­lich ist mit der Vor­lage. Gleich­zei­tig ver­sucht auch er sie schön­zu­re­den, wenn er sagt: «Es ist gelun­gen, eine mas­sive Schwä­chung des Natur- und Land­schafts­schut­zes abzuwenden.»

Es stimmt mehr als nach­denk­lich, dass lang­jäh­rige Kämpfer:innen für eine Umwelt­po­li­tik und Raum­pla­nung, die den Erhalt und Schutz unse­rer Lebens­grund­la­gen ins Zen­trum stellt, mit-dre­hende Räd­chen im Polit-System gewor­den sind und sich mit Gum­mi­for­mu­lie­run­gen im neuen Gesetz abspei­sen las­sen. Aus Angst, es könnte noch schlim­mer kom­men und in Sorge, man könnte von den run­den Tischen der Wirt­schafts­lob­by­isten kip­pen, wenn man sich nicht kom­pro­miss­ge­neigt verbiegt.

Angst ist und bleibt eine schlechte Rat­ge­be­rin. Viel­mehr braucht es jetzt den Mut zu einem ent­schlos­se­nen Nein, um die­ses Gesetz zu ver­hin­dern. Und den Weg frei zu machen für die drin­gend not­wen­dige, echte Energiewende.

Es ist näm­lich höch­ste Zeit, dem Ruf nach immer «mehr Strom» und mehr Ener­gie Ein­halt zu gebie­ten. Ener­gie­spa­ren ist ange­sagt und mög­lich. Aber Politiker:innen wol­len wie­der­ge­wählt wer­den — der Begriff «Strom­spa­ren» ist ein Tabu und geht nicht über ihre Lip­pen. Sie ver­mei­den es, Klar­text zu spre­chen und zuzu­ge­ben, dass eine Ener­gie­wende, die die­sen Namen ver­dient, nur mög­lich ist, wenn wir unse­ren Ener­gie­kon­sum einschränken.

Das Ener­gie­spar­po­ten­zial ist rie­sig. Für des­sen Wahr­neh­mung braucht es aber einen Para­dig­men­wech­sel: Statt der Dis­kus­sion, in wel­chem Tal und auf wel­chem Berg man noch zusätz­li­che Ter­ra­watt­stun­den Elek­tri­zi­tät pro­du­zie­ren könnte, wäre es ziel­füh­ren­der, sich die Frage zu stel­len, wie wir die Ener­gie, die wir heute pro­du­zie­ren, effi­zi­en­ter und bes­ser ein­set­zen können.

Die stän­dige Mehr­pro­duk­tion liegt näm­lich ein­zig und allein im Inter­esse der Elek­tri­zi­täts­wirt­schaft. Deren Ziel ist nicht, wie gerne behaup­tet wird, die Schweiz mit dem eigen­pro­du­zier­ten Strom nach­hal­tig zu ver­sor­gen. Für Unter­neh­men wie die BKW oder AXPO ist Strom nichts ande­res als eine inter­na­tio­nal ver­wert­bare Han­dels­ware, mit der sie Pro­fit schef­feln, was das Zeug hält.

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