Vor Jahren schon haben rechtspopulistische Kreise die SRG-Gebühren als Wahlkampfthema entdeckt. Dabei sind die Beträge, die pro Haushalt oder Firma erhoben werden, eigentlich nicht der Rede wert. Wenn man bedenkt, für was wir in der Schweiz unser Geld auch noch ausgeben.
2018 setzten die Stimmberechtigten in der Schweiz ein deutliches Zeichen: Mit der wuchtigen Ablehnung der No-Billag-Initiative haben sie sich klar und deutlich für den in der Bundesverfassung verankerten Service Public ausgesprochen. Und für die SRG als Garantin einer unabhängigen landesweiten Versorgung mit Informationen über Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und Sport.
Es war ein Sieg mit bitterem Beigeschmack: Der SRG-Generaldirektor stellte damals noch am Abstimmungsabend ein 100-Millionen-Sparparket in Aussicht sowie eine defensive Bewirtschaftung der SRG-Onlinekanäle, um dem lautstarken Protest der privaten Medienhäuser gegen die «Gratis-Dienstleistungen» des öffentlich-rechtlichen Service public den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Nichtsdestotrotz starteten die Abstimmungsverlierer schon damals den nächsten Angriff auf die SRG und den Service public. Der Tamedia-Medienkonzern doppelte mit einer «Nachbefragung» in Bezug auf die Gebühren nach und verkündete, eine Mehrheit hätte sich für eine Senkung der jährlichen Gebühr von damals noch 365 Franken auf maximal 200 pro Haushalt ausgesprochen.
Obschon der Bundesrat im Rahmen der neuen Konzession im Jahr 2021 die Gebühren bereits um 30 Franken reduzierte, lancierten altbekannte SVP-Exponenten von Hans-Ulrich Bigler über Thomas Matter bis Marco Chiesa eine weitere Anti-SRG-Initiative, die im August 2023 eingereicht wurde. Unter dem Motto «200 Franken sind genug! (SRG-Initiative)» verlangt diese folgende Ergänzung des Artikels 93 in der Bundesverfassung:
«Zur Finanzierung von Radio- und Fernsehprogrammen, die einen unerlässlichen Dienst für die Allgemeinheit erbringen, erhebt der Bund eine Abgabe von 200 Franken pro Jahr ausschliesslich von privaten Haushalten. Juristische Personen, Personengesellschaften und Einzelunternehmen bezahlen keine Abgabe.»
Weil Unternehmen mit einem Mehrwertsteuerumsatz über 500’000 CHF pro Jahr, die heute ebenfalls Gebühren bezahlen, künftig davon befreit werden sollen, hätte die Neuerung de facto eine Halbierung des SRG-Budgets zur Folge – deshalb spricht man auch von der «Halbierungs-Initiative.»
Die Höhe der Gebühren für die Finanzierung des Service public in der Bundesverfassung festzuschreiben, ist ein Nonsens. Wieviel Geld nötig ist, um einen funktionstüchtigen Versorgung aufrecht zu erhalten, verändert sich im Lauf der Zeit. Deshalb hat die Gesetzgebung das sinnvolle Instrument der Konzession und dem daraus resultierenden Leistungsauftrag geschaffen, die alle vier Jahre erneuert und angepasst werden.
Der Bundesrat hat die 200-Franken-Initiative im November 2023 denn auch abgelehnt. Trotzdem zeigt sie bereits Wirkung: Geht es nach dem Vorschlag von SVP-Bundesrat Albert Rösti, sollen die Empfangsgebühren bis 2029 von heute 335 CHF auf 300 CHF pro Haushalt gesenkt werden und Unternehmen sollen erst ab einem Umsatz von 1,2 Millionen Franken zahlungspflichtig sein. Nun läuft bis zum 1. Februar 2024 die Vernehmlassung zu diesem Vorhaben.
Während die vom Bundesrat anvisierte Gebührensenkung weder für Privathaushalte noch für Unternehmen ins Gewicht fällt, hätte sie für die SRG gravierende Folgen. Laut Nathalie Wappler, Direktorin des Schweizer Radios und Fernsehens SRF drohten dadurch Einnahmeausfälle in der Höhe von 240 Millionen Franken, was den Abbau von rund 900 Personalstellen zur Folge hätte.
Die Meinungen über den Leistungsausweis und das Sparpotenzial bei der SRG klaffen naturgemäss weit auseinander. Auch ich finde, dass eine gründliche Reform und ein Neu-Überdenken des Service public dringend notwendig wären. Das ständige Ringen um Budgetkürzungen an die Adresse der SRG hilft dabei aber nicht weiter – im Gegenteil…
«Wir sprechen immer über Geld, nicht darüber, was wir von der SRG oder vom Service public eigentlich wollen», zitiert Infosperber Manuel Puppis, Professor für Medienwissenschaft an der Uni Freiburg und Vizepräsident der Eidgenössischen Medienkommission. Er bezeichnet das aktuelle Gerangel um die Gebühren eine «unsinnige Diskussion übers richtige Preisschild.»
Debatten, die bei genauer Betrachtung eigentlich nur peinlich sind. Ausgerechnet jene Politiker:innen, die sich beim Service public als Rappenspalter profilieren, haben kein Problem damit, Geld mit beiden Händen zum Fenster rauszuwerfen, wenn es um Subventionen für die Landwirtschaft oder ums Militärbudget geht.
Mit der 200-Franken-Initiative versprechen die Initianten eine «Entlastung» von jährlich 135 Franken pro Schweizer Haushalt*. Eine plumpe Rattenfängerei. Ihr eigentliches Ziel ist nach wie vor das Ende des öffentlich-rechtlichen Service public. Da dies von Volk und Ständen wieder bachab geschickt würde, versucht man es nun mit einem Schuss ins Knie der SRG.
Die SRG verfügt aktuell über ein Gesamtbudget von 1,55 Milliarden Franken pro Jahr – der Anteil aus den Gebühren beträgt dabei 1,25 Milliarden. Damit leistet sie ein umfassendes Service-Public-Angebot in allen vier Landessprachen – ein wichtiger Grundpfeiler für das Funktionieren des gesellschaftlichen Zusammenlebens in unserem Land.
Zum Vergleich: Das Schweizer Parlament stimmte im Dezember 2023 für eine Erhöhung des Militärbudgets bis 2030 von aktuell 5,5 Milliarden Franken pro Jahr auf 10,5 Milliarden! Auf die Haushalte in der Schweiz umgerechnet ergibt das eine Steigerung der Kosten von heute 2’600 Franken auf 5’000 Franken pro Jahr.
* Anzahl Haushalte Schweiz 2021: 2,1 Mio.