Déjà-vu

In Ber­lin wird gebaut, ver­rück­ter noch als in Zürich. Die Stadt platze aus allen Näh­ten heisst es bei den Stadt­ver­ant­wort­li­chen, von Woh­nungs­not ist die Rede. Des­halb müsse nun ver­dich­tet wer­den, auf Teu­fel komm raus.

So auch am Lüt­zow­ufer, wo wäh­rend der Inter­na­tio­na­len Bau­aus­stel­lung IBA in den 1980er Jah­ren inno­va­tive Ener­gie­häu­ser gebaut wur­den, die ihren heu­ti­gen Mie­te­rin­nen und Mie­tern zu (noch) ver­nünf­ti­gen Prei­sen schöne Woh­nun­gen bie­ten. Mit Win­ter­gär­ten gegen die viel befah­rene Strasse am Land­wehr­ka­nal – und hof­sei­tig mit Blick ins Grüne.

Aktu­ell steht zur Dis­kus­sion, diese Sied­lung unter Denk­mal­schutz zu stel­len. Ob es je soweit kommt und ob das Ensem­ble dadurch in der heu­ti­gen Form erhal­ten blei­ben kann, ist aller­dings mehr als fraglich.

Die Lie­gen­schaf­ten wur­den näm­lich 2017 an die Münch­ner Euro­bo­den GmbH ver­kauft. Samt der wun­der­ba­ren Hin­ter­höfe, die an ein altes Pump­werk gren­zen, das seit über 20 Jah­ren ein leben­di­ges Jugend­kul­tur­zen­trum beher­bergt. Die neuen Eigen­tü­mer sind auf teure und exklu­sive Bau­pro­jekte spe­zia­li­siert, die hohe Ren­di­ten versprechen.

Es ist nicht das erste Mal, dass baye­ri­sche Inve­sto­ren im Tier­gar­ten-Kiez eine hoch­wer­tige IBA-Sied­lung kau­fen, um dar­aus Pro­fit zu schla­gen. Zur Erin­ne­rung: Am Lüt­zow­platz musste die Wohn­sied­lung des Star­ar­chi­tek­ten Mathias Ungers einem Ren­di­te­ob­jekt wei­chen, das dem­nächst bezugs­be­reit ist. Lange hat­ten sich die Mie­te­rin­nen und Mie­ter gegen den Abbruch ihrer Häu­ser gewehrt – am Ende muss­ten sie aufgeben.

Auch wenn die IBA-Häu­ser am Lüt­zow­ufer ste­hen blei­ben – das bestehende Ensem­ble und des­sen archi­tek­to­ni­sche Qua­li­tät sind durch die Pläne der Inve­sto­ren akut gefähr­det. Zudem ist damit zu rech­nen, dass die Woh­nun­gen in den bestehen­den Häu­sern mit­tel­fri­stig «auf­ge­wer­tet» und dadurch mas­siv teu­rer werden.

Das inve­stierte Kapi­tal muss bald gut ren­tie­ren: In Win­des­eile haben die neuen Besit­zer im letz­ten Win­ter einen Archi­tek­tur­wett­be­werb durch­ge­führt und ein Bau­pro­jekt aus­ge­ar­bei­tet: Dort, wo die begrün­ten Höfe heute noch Luft zum Atmen bie­ten, sol­len rund 80 luxu­riöse Eigen­tums­woh­nun­gen ent­ste­hen. Ein gutes Geschäft für die Euro­bo­den GmbH. Das Ganze läuft unter dem Motto «Nach­ver­dich­tung». Das gefällt der Senatsbauverwaltung.

Wie bereits am Lüt­zow­platz, spielt auch hier Bau­stadt­rat Ephraim Gothe (SPD) eine ent­schei­dende Rolle. Er sieht in der Ver­bau­ung der Höfe kein Pro­blem, da ja die bereits bestehen­den IBA-Häu­ser ste­hen blei­ben. Dass mit der Errich­tung von Luxus­woh­nun­gen die Gen­tri­fi­zie­rung auch in den bestehen­den Häu­sern vor­pro­gram­miert ist, scheint kein Thema zu sein. Genauso wenig wie die Tat­sa­che, dass mit dem Bau der Eigen­tums­woh­nun­gen die Tage des Jugend­kul­tur­zen­trums Pumpe gezählt sind.

«Am Tag, an dem die Bag­ger hier auf­fah­ren, muss ich hier weg», sagt der Päch­ter des Event­lo­kals Alte Pumpe, das zum Zen­trum gehört. «Die Erfah­rung zeigt, dass Bewoh­ne­rIn­nen von Luxus­woh­nun­gen kein Jugend- und Event­zen­trum in ihrer Nach­bar­schaft dulden.»

Die Mie­te­rIn­nen der IBA-Häu­ser such­ten lange nach einem Ter­min, um den poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen vor Ort zu zei­gen, was auf dem Spiel steht. Ende Mai war es soweit. Bau­stadt­rat Gothe ist nicht erschie­nen – er habe keine Ter­min­be­stä­ti­gung erhal­ten, sagt er. Ob es noch zu einem Tref­fen kommt, ist offen. Was es brin­gen würde, eben­falls. Und wie immer in Ber­lin: Die Stadt­ver­ant­wort­li­chen in Ber­lin hal­ten den Inve­sto­ren Tür und Tore weit offen.

Der Hin­weis auf die Woh­nungs­not in Ber­lin ist nur ein Vor­wand. Bau­pro­jekte wie die «Nach­ver­dich­tung» am Lüt­zow­ufer bewir­ken eher das Gegen­teil: Die geplan­ten luxu­riö­sen Eigen­tums­woh­nun­gen ver­schär­fen die Pro­bleme auf dem Woh­nungs­markt: Sie zer­stö­ren nicht nur bestehen­den kosten­gün­sti­gen Wohn­raum, son­dern tra­gen dar­über hin­aus zur Gen­tri­fi­zie­rung gan­zer Quar­tiere bei. Indem sie – wie in die­sem Fall – wich­tige Kiez-Infra­struk­tu­ren wie das Jugend­kul­tur­zen­trum verdrängen.

Wie oft muss sich sol­ches noch wie­der­ho­len? – Stück um Stück geht hier leben­dige Stadt ver­lo­ren. Zugun­sten von Geld­gier und Geschäft.

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