«Fast drei Viertel aller SRG-Journalisten sind links», lautete die Schlagzeile in der Sonntagszeitung vom 12. November 2017. Damit bedient sie einmal mehr das ewige Klischee der «linken SRG». Weil die Geschichte aber zu gut in den aufgeheizten No-Billag-Diskurs passt, haben die Tamedia-Blattmacher ihre Story mit «neuen Erkenntnissen» aufgepeppt. Der Untertitel des Artikels: «Erstmals liegen detaillierte Zahlen zur politischen Einstellung von Medienschaffenden vor.» (Die NZZ berichtete übrigens bereits 2016 darüber…)
Geliefert wurden diese «wissenschaftlichen» Zahlen von den Medienwissenschaftlern Vinzenz Wyss und Filip Dingerkus von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW. Sie stammen aus einer «internationalen Journalismusstudie», die u.a. vom Nationalfonds mitfinanziert wurde.
Im Rahmen dieser Studie wurden Journalistinnen und Journalisten unter anderem zu ihrer politischen Haltung befragt: Die Frage lautete, wo sie sich im politischen Spektrum zwischen Links und Rechts einordnen würden – auf einer Skala von 0 (links) bis 10 (rechts).
Was taugt eine solche Selbsteinschätzung als wissenschaftliche Basis? Ist dies eine valable Grundlage für eine objektivierbare Aussage?
Wenn Journalistin A und Journalist Z sich auf der Skala mit einer 2 einreihen, sagen sie dann a) die Wahrheit und falls ja, welche? Und b) beziehen sich A und Z auf identische und scharf abgegrenzte Definitionen der Begriffe «links» und «rechts»?
Die hier angewandte Methode ist schlicht unbrauchbar und völlig irrelevant. Sie lässt nämlich definitiv keine vernünftigen und objektiv messbaren Rückschlüsse über die politische Ausrichtung oder Wirkung der öffentlich rechtlichen oder privaten Medien zu.
Zur Veranschaulichung ein aktuelles Beispiel mit einer Skala zur Einteilung von grüner Politik:
Die grüne Baudirektorin der Stadt Biel würde sich auf einer solchen Politskala wohl als Grüne verorten, auf der Skala irgendwo zwischen 0–3. – Bewertet man aber ihre Politik anhand der gleichen Skala, zeigt sich, dass sie den Bau der umstrittenen Stadtautobahn unterstützt. Dies entspricht auf einer grünen Skala einem Platz zwischen 8–10. Das mag mit Realpolitik zu erklären sein: Als Mitglied einer Exekutive, die das Bauprojekt unterstützt, hält sie sich brav ans Kollegialitätsprinzip.
Ganz anders die Basis der grünen Partei: Diese verabschiedete im Juni eine Resolution «Für eine Verkehrspolitik ohne A5-Westast». Die Begründung folgte den Grundprinzipien grüner Politik: «Das Projekt will Verkehrsprobleme mit neuen Strassen lösen. Ein Ansatz, der ins 20., nicht ins 21. Jahrhundert gehört, denn unterdessen hat sich gezeigt: Wer Strassen sät, erntet Verkehr.»
Die Partei-Strategen würden diese Aussage wohl bis heute unterschreiben und sich auf der Politskala persönlich ebenso klar als Grüne verorten. Was sie jedoch nicht daran hinderte, nun ihrerseits den Neubau eines Autobahntunnels zu promoten. Kleiner zwar als das offizielle Projekt, aber nie und nimmer kompatibel mit den «grünen Visionen», für die sie sich vor kurzem noch stark gemacht haben.
Selbsteinschätzung ist immer subjektiv. Insbesondere, wenn sich die Befrager auf eine plumpe Skalentabelle beschränken. Es braucht zwingend das Korrektiv eines Fakten-Checks, oder einen Fragenkatalog, wie ihn etwa Smartvote Kandidierenden vorlegt: Die Position der Befragten wird so aufgrund konkreter Antworten zu Sachfragen aus verschiedenen Politbereichen eruiert.
Die Frage nach der politischen Selbsteinschätzung zielt bei den JournalistInnen zudem in eine falsche Richtung, weil per se kein Zusammenhang besteht, zwischen der Qualität von Medienarbeit und der politischen Position der Medienschaffenden.
Will man die Medien in ein Links-Rechts-Schema drücken, wären empirische Nachforschungen über die Themensetzung in den einzelnen Redaktionen, die interne Qualitätskontrolle oder das Auswerten von Kommentaren wesentlich aussagekräftiger.
Schade, dass die Polemik über «linke» und «rechte» Medien mit solchen pseudo-wissenschaftlichen Spielereien befeuert wird. Das ist nicht nur unnötig sondern kontraproduktiv und dürfte schon gar nicht vom Nationalfonds finanziert werden.