Vor zwei Tagen eine Geschichte angefangen, die durch die Erdbeben- und Tsunamikatastrophe in Japan plötzlich eine völlig neue Perspektive erhält. Ursprünglich wollte ich eine Ode schreiben an Menschen, die sich gegen die Übermacht der milliardenschweren Energielobby unermüdlich dafür einsetzen, dass es mit dem Atomstrom bald ein Ende hat.
Wie zum Beispiel jene Frau, die vorgestern in Karlsruhe durch die Züge pilgerte, freundlich grüsste und jedem ein Blatt Papier in die Hand drückte: «Wissen Sie wie gefährlich Atomkraft ist ??» der Titel. – In kurzen, etwas schrillen Sätzen hatte sie eine Reihe von Argumenten aufgeführt, weshalb AKWs abgeschaltet gehören – sofort. Zum Beispiel, weil bei einem Störfall «im Umkreis von 100 Kilometern alle mausetot wären“ und weil es „keine ordentliche Endlagerung für diesen Weltenvernichter» gebe.
Oder die Standaktion der Grünen vor einer Woche auf dem Markt in Oerlikon: Knallgelb als Atommüll-Tonne verkleidet, diente eine Büchse Bio-Apfelmus als Werbegeschenk, um mit den PassantInnen ins Gespräch zu kommen. Was in meinem Fall auch gelang: Ich hatte Zeit und Lust auf Austausch mit Gleichgesinnten – andere machten einen grossen Bogen um die AktivistInnen.
Einen Becher heissen Kaffee in der Hand, diskutierten wir über die Gefahren der Atomkraft und empörten uns darüber, dass der Neubau von AKWs auch hierzulande an Akzeptanz zu gewinnen scheint. Obschon man bis heute nicht weiss, wohin mit dem radioaktiven Atommüll. Und obschon es heute viel bessere und nachhaltigere Formen der Energieversorgung gibt.
Die grossen Energiekonzerne versprechen sich von AKWs aber höhere Renditen als von Investitionen in sogenannt alternative Energien. Deshalb pumpen sie Milliardenbeträge ins Lobbying und beschäftigen eine ganze Armada von Werbern, Konsulenten und Kommunikatoren, die für gutes Geld dafür sorgen, dass die Stimmung «im Volk» in die «richtige Richtung» gelenkt wird. «Haben die denn keine Kinder?» fragte meine Gesprächspartnerin und fügte ziemlich ratlos an: «Die Atomlobby hat soviel Geld, da können wir mit unseren Mitteln niemals mithalten. – Was bleibt, ist die Hoffnung auf den gesunden Menschenverstand der Bevölkerung.»
Dann das Erdbeben vor Japan. Mit verstörender Deutlichkeit zeigt sich einmal mehr, wie fragil unsere Zivilisation ist: Ein Naturereignis führt zu immenser Zerstörung. Tod und Chaos in einem hoch entwickelten Industrieland, das bekannt ist für seine Katastrophenprävention und erdbebensicheres Bauen. Solchen Kräften kann nicht einmal die raffinierteste Technologie widerstehen, die Situation gerät notgedrungen ausser Kontrolle. Damit muss und kann man leben, so hart dies klingt.
Nicht naturgegeben ist allerdings die radioaktive Gefahr, die nun zusätzlich über dem Katastrophengebiet schwebt. – Auch wenn es hoffentlich nicht zum Schlimmsten kommt: Die Menschen in der betroffenen Zone sind durch die Ereignisse rund um die AKWs einem zusätzlichen horrenden Trauma ausgesetzt. Dies wäre im Rahmen einer guten Katastrophenvorsorge zu verhindern gewesen. Allerdings gibt es dafür, wie wir einmal mehr gelernt haben, nur eine Form von Prävention: Ausschalten.