1001 Nacht

Zwei Regierungsräte aus dem Kanton Nidwalden pla­nen ein Reisli nach Katar. Für den Besuch bei den Bauherren des Bürgenstock-Resorts wur­den im Kantonsbudget 30’000 Franken reser­viert. Der Grund: Man will sich für die Investitionen von über einer hal­ben Milliarde Franken erkennt­lich zei­gen, die aus dem Wüstenstaat auf den Bürgenstock flies­sen und dort für ein Wiederaufleben der Luxushotellerie sor­gen sol­len. Für die Regierungsverantwortlichen aus der Innerschweiz ein wahr gewor­de­nes Märchen aus 1001 Nacht…

Von Seiten der Scheichs liegt aller­dings kei­ne Einladung an die Adresse der Nidwaldner Regierung vor. Man kann sich leicht vor­stel­len, dass sich die Erdöl-Dschinns  lie­ber anders ver­gnü­gen, als mit zwei boden­stän­di­gen Politikern aus dem Zwergkanton Tee zu trin­ken. Trotzdem: Diese Reise sei «im Sinne der Beziehungspflege wich­tig», liess die Nidwaldner Regierungssprecherin gegen­über der WOZ verlauten.

Damit nicht genug: Um den Katarern Freude zu berei­ten, müs­sen die Nidwaldner SteuerzahlerInnen nun auch noch den Neubau der Bürgenstockbahn mit einem Darlehen von 2,2 Millionen Franken unter­stüt­zen. In der Vergangenheit lagen die Ausgaben für die­se Verbindung vom Vierwaldstättersee auf den Berg stets beim Betreiber des Hoteldorfs auf dem Bürgenstock. Noch vor einem Jahr hat­te die Nidwaldner Kantonsregierung denn auch klar beschie­den: Die öffent­li­che Erschliessung des Resorts sei mit dem Ausbau der Strasse und dem Busbetrieb gewähr­leis­tet, die Bahn sei Sache der Bürgenstockbetreiber.

Dies ist aller­dings nicht der ers­te Entscheid, den die gut dotier­te Lobby-Maschinerie der Katarer gedreht hat – und es wird auch nicht der letz­te gewe­sen sein. Das Powerplay der Investoren vom Golf, geschickt insze­niert von deren loka­lem Statthalter Bruno H. Schöpfer, hat es nicht nur geschafft, die KritikerInnen in der Region zum Schweigen zu brin­gen; auch die Medien sind froh, um jede kos­ten­neu­tra­le Publi-Reportage mit dem Titel «1001– Geschichte vom neu­en Bürgenstock».

So gesche­hen auch wie­der letz­te Woche, als die JournalistInnen zur all­jähr­lich wie­der­keh­ren­den Pressekonferenz auf den Bürgenstock gela­den wur­den. Pünktlich, zehn Tage vor dem Event, wur­de das Interesse mit einer ver­klau­su­lier­ten Ankündigung von Swatch-Chef Nik Hayek über ein künf­ti­ges Engagement auf dem Bürgenstock, zusätz­lich befeu­ert. Die geplan­te Wirkung ist ein­ge­tre­ten: Praktisch kein Medium, das nicht dar­über berich­tet hätte…

Das Schweizer Fernsehen liess es sich nicht neh­men, den Bürgenstock gleich mit zwei PR-Berichten zu fei­ern: 10vor10 ent­führ­te sein Publikum schon am Vorabend der Pressekonferenz auf den Berg hoch über dem Vierwaldstättersee, wo Katar-Statthalter Bruno H. Schöpfer auf einem Rundgang über die Baustellen sei­ne voll­mun­di­gen Versprechungen unhin­ter­fragt zum Besten geben durfte.

Hätte der Reporter, statt bloss die umfang­rei­chen Werbeunterlagen zum neu­en Resort zu stu­die­ren, ein klein wenig recher­chiert, wäre ihm nicht ent­gan­gen, dass das «Nostalgiehotel» alles ande­re als im Sinne der Denkmalpflege erneu­ert wird. Und dass die PR-Visualisierungen des Wellnesshotels nicht mehr aktu­ell sind; die ursprüng­lich vom «Stararchitekten» Matteo Thun ent­wor­fe­ne Fassade muss­te längst einer bil­li­ge­ren Variante wei­chen. Und die 800 neu­en Arbeitsplätze, auf die am Schluss des Beitrags hin­ge­wie­sen wird, wer­den gröss­ten­teils mit Personal aus dem Ausland besetzt. Weil sich die Luxushotellerie nur Löhne leis­ten will, für die sich in der Schweiz kein Personal fin­den lässt.  Aber das ist – wie so oft bei 10vor10 – zu kompliziert.

Schweiz aktu­ell dop­pel­te am nächs­ten Tag nach. Erneut mit gla­mou­rö­sen und ver­füh­re­ri­schen Archivbildern, die man zum Teil schon am Vorabend gese­hen hat­te. Diesmal lag der Fokus auf dem Angebot von «Medical Wellness» im künf­ti­gen Waldhotel, das zur Auslastung der 160 Zimmer auch Schweizer Patienten anlo­cken soll, wie Promoter Schöpfer beton­te. Die Frage, ob es sich dabei auch um all­ge­mein ver­si­cher­te Personen oder doch eher um Gutbetuchte mit Privatversicherung han­deln wird, wur­de gar nicht erst gestellt.

Es gäbe viel Spannendes und Bedenkenswertes zu berich­ten, über das Bürgenstock-Projekt, sei­ne Bauherrschaft oder auch aktu­ell über den Trend der von aus­län­di­schen Geldgebern ver­ein­nahm­ten Luxushotellerie in der Schweiz.

Umso erschre­cken­der die gleich­ge­schal­te­te PR-Berichterstattung durch von Hochglanzbroschüren geblen­de­te  «JournalistInnen» und Medienunternehmen.

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